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Die Teilnehmer der Libyen-Konferenz haben sich auf einen Waffenstillstand geeinigt.

© dpa/Alexei Nikolsky/Sputnik/Kremlin Pool Photo

Milizen sollen entwaffnet werden: Merkel: Staaten haben sich auf Waffenembargo geeinigt

Die Libyenkonferenz in Berlin hat den Weg zu einem Waffenstillstand bereitet. Den Erfolg führt Merkel auch auf die Zusammenarbeit Europas zurück.

Die Teilnehmer der Berliner Libyen-Konferenz haben sich nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf umfassende Schritte für eine politische Lösung geeinigt. „Wir können feststellen, dass alle einig sind, dass wir das Waffenembargo respektieren wollen“, sagte Merkel am Sonntagabend in Berlin. Es solle schon bald ein erstes weiteres Treffen geben, das die Grundlage für einen gefestigten Waffenstillstand schaffen solle. Aktuell gibt es in dem Bürgerkriegsland nur eine Waffenruhe.

Übereinstimmung bestehe auch darin, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt gebe und solche Versuche das Leid der Menschen nur vergrößern würden. Merkel sprach von einem neuen politischen Anlauf und einem Impuls zur Unterstützung der Bemühungen der Vereinten Nationen in dem Bürgerkriegsland.

Zudem sollen internationale Anstrengungen zur Überwachung des Embargos verstärkt werden, heißt es in einer Erklärung von 16 Staaten und Organisationen. Gefordert wird eine umfassende Demobilisierung und Entwaffnung der Milizen. Verletzungen eines Waffenstillstandes sollen sanktioniert werden.

EU-Positionen näher zusammengerückt

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, sie sei mit den Ergebnissen der Konferenz zufrieden. Die europäischen Partner haben sich nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihren Positionen im Libyen-Konflikt deutlich angenähert. Auch Europa habe dazu beigetragen, dass dieser Erfolg der Libyen-Konferenz in Berlin möglich geworden sei, sagte Merkel am Sonntagabend in Berlin.

Sie verwies dabei unter anderem auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, auf Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte, den britischen Premierminister Boris Johnson und den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

Die Europäer hatten teilweise unterschiedliche Parteien in dem Bürgerkrieg unterstützt. Sie habe jetzt das Gefühl, dass die Europäer näher beieinander seien als noch vor zwei Jahren.

US-Außenminister Mike Pompeo, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Russland Präsident Wladimir Putin verließen die Berliner Libyen-Konferenz bereits wieder.

Das Papier formuliert einen neuen politischen Prozess, der eine Stärkung der zentralen Institutionen zum Ziel hat und auf eine Rückkehr zum politischen Prozess unter Führung der Vereinten Nationen abzielt. Eine Reform des Sicherheitssektors müsse das Gewaltmonopol des Staates wieder herstellen, heißt es darin.

Konferenz fordert gerechte Verteilung der Öleinnahmen des Landes

Gefordert wird die Respektierung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Wer für Angriffe auf Zivilisten und bewohnte Gebiete, Entführungen, außergerichtliche Tötungen und sexuelle Gewalt, Folter und Menschenschmuggel verantwortlich sei, müsse zur Verantwortung gezogen werden. Die Konferenz fordert auch eine transparente und gerechte Verteilung der Öleinnahmen in dem Land.

UN-Generalsekretär António Guterres danke Merkel für ihren Einsatz für eine friedliche Lösung des Libyen-Konfliktes. Zugleich unterstrich er am Sonntagabend nach der Libyen-Konferenz in Berlin, es gebe keine militärische Lösung des Bürgerkrieges in dem nordafrikanischen Land. Darin seien sich alle Konferenzteilnehmer einig gewesen. Auch wollten die Teilnehmer des Treffens nicht weiter in den Konflikt eingreifen.

Guterres rief alle Teilnehmer auf, nichts zu unternehmen, was diesen Weg zu einer friedlichen Lösung beinträchtigen könnte. Er wies darauf hin, dass es im wirtschaftlichen Bereich bereits erste Reformerfolge in Libyen gebe, etwa bei der Vereinheitlichung der Zentralbank oder bei der nationalen Ölorganisation.

Europa fürchtet vor allem neue Flüchtlingsbewegungen

Auch Großbritannien, Frankreich, China, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Republik Kongo, Italien, Ägypten, Algerien sowie die Vereinten Nationen, die Europäische Union, die Afrikanische Union und die Arabische Liga waren bei dem Treffen vertreten. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Straßen rund um Kanzleramt und Reichstag waren abgesperrt, Hotels und Botschaften schwer gesichert.

Europa hat erhebliches Interesse an Stabilität des Landes an der Südküste des Mittelmeeres – auch weil Libyen traditionell ein wichtiger Öllieferant der Europäischen Union ist. Das Land hat sich durch das Kriegsgeschehen mit Willkürherrschaft und Schwäche der staatlichen Institutionen in den vergangenen Jahren außerdem zu einem der wichtigsten Transitstaaten für Flüchtlinge auf dem Weg Richtung Norden entwickelt.

In Libyen brach nach Sturz und Tötung des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg aus. Die Regierung von Ministerpräsident Fajis Al-Sarradsch ist international anerkannt, hält aber nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes. Gegen Al-Sarradsch kämpft der General Chalifa Haftar mit seinen Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen und auch aus dem Ausland unterstützt werden.

Hier ein Überblick über die Rohstoffressourcen des Landes und die Entwicklung des Konflikts:

WIE VIEL ÖL UND GAS GIBT ES IN LIBYEN?
Dem BP Statistical Review of World Energy von Ende 2018 zufolge verfügt Libyen insgesamt über 48,4 Milliarden Barrel Öl. Dies entspricht etwa 2,8 Prozent der weltweiten Reserven. Zudem liegen in Libyen 1,4 Billionen Kubikmeter Erdgas – etwa 0,7 Prozent der globalen Reserven.

"Selbstverständlich wollen auch die jeweiligen libyschen Bürgerkriegsparteien die Kontrolle über die Öl- und Gasproduktion beziehungsweise der damit verbundenen Einnahmen erlangen, denn nur dadurch können sie sich langfristig eine gefestigte Machtbasis schaffen", sagte der Ökonom und Politikwissenschaftler Behrooz Abdolvand der Nachrichtenagentur AFP.

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WELCHE FOLGEN HAT DER KRIEG IN LIBYEN?
Die Ölförderung ist durch den Krieg massiv eingebrochen. Hatte die Produktion im Jahr 2010, ein Jahr vor dem Sturz des langjährigen Machthabers Gaddafi, noch bei knapp 1,8 Millionen Barrel pro Tag gelegen, sank sie bis zum Jahr 2016 auf nur noch 0,4 Millionen Barrel täglich.

Seither stieg die Förderung zwar wieder und erreichte 2018 einen Umfang von rund eine Million Barrel pro Tag. Dies entsprach in etwa 1,1 Prozent der globalen Produktion. Derzeit werden nach Angaben des staatlichen libyschen Ölkonzern NOC 1,3 Millionen Barrel gefördert. "Unter normalen politischen Bedingungen beträgt die Produktionskapazität Libyens über drei Millionen Barrel pro Tag", erklärte Abdolvand.

WER PROFITIERT VON DEN EINNAHMEN?
Für den libyschen Staatshaushalt sind die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft unverzichtbar. Schätzungen gehen davon aus, dass der Anteil der Staatseinnahmen aus den Öl- und Gaseinnahmen mehr als 85 Prozent beträgt. Vor allem die Regierung in Tripolis profitiert Abdolvand zufolge derzeit noch von Einnahmen aus der Onshore-Ölproduktion im Westen des Landes. Allerdings kontrolliert General Haftar mittlerweile die großen Ölfelder im Osten des Landes. Dort liegen rund 80 Prozent des gesamten libyschen Ölvorkommens.

Gegner: Premier Fajis al Sarradsch (links) und General Chalifa Haftar.
Gegner: Premier Fajis al Sarradsch (links) und General Chalifa Haftar.

© AFP

WELCHE GEBIETE WURDEN VON HAFTARS TRUPPEN BLOCKIERT?
Die Streitkräfte des Generals blockierten am Samstag die Häfen Brega, Ras Lanuf, Al Sedra und Al Hariga. Die Häfen liegen an der Nordostküste und sind die wichtigsten Drehkreuze für die Ölexporte Libyens. Das Gebiet befindet sich seit 2016 unter der Kontrolle Haftars. Wegen der Blockade muss die tägliche Ölproduktion dem staatlichen Ölkonzern NOC zufolge von 1,3 Millionen Barrel auf 500.000 Barrel gedrosselt werden.

WIE SIND EURÖPÄISCHE FIRMEN INVOLVIERT?
"Die EU-Staaten Italien, Deutschland und Frankreich haben konkrete wirtschaftliche Interessen bezüglich des libyschen Energiesektors", sagte Abdolvand. Der Anteil des italienischen Energiekonzerns Eni an der libyschen Öl- und Gasproduktion beträgt rund 45 Prozent. Daneben ist auch noch das deutsche Unternehmen Wintershall Dea in Libyen tätig. Aufgrund der Rahmenbedingungen beschränkt sich das Unternehmen gegenwärtig allerdings auf die Offshore-Produktion. Auch französische Unternehmen möchten sich im Energiesektor engagieren. Zusätzlich besitzt der US-Konzern Exxon seit langem Konzessionen im Öl- und Gassektor des Landes.

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WIE HAT SICH DER KONFLIKT ENTWICKELT?
17. Februar 2011: In Libyen gibt es Aufstände gegen Gaddafi, an denen sich auch Haftar beteiligt. Im März beginnt eine internationale Koalition unter Führung von Frankreich, Großbritannien und den USA mit Luftangriffen auf das nordafrikanische Land. Ende März übernimmt die Nato das Kommando des Libyen-Einsatzes. Die internationalen Luftangriffe tragen zum Sturz Gaddafis im August bei, der Wochen später unter ungeklärten Umständen stirbt.

Januar-August 2014: Haftar startet im Osten Libyens die "Operation Würde". Ziel ist die "Säuberung" Bengasis – der zweitgrößten Stadt des Landes – von islamistischen "Terrorgruppen". Mehrere Militäroffiziere schließen sich Haftars selbsternannter Libyscher Nationalarmee (LNA) an. Die Offensive verläuft erfolglos, Bengasi fällt in die Hände islamistischer Milizen.

Mai-Juni 2017: Im Mai nehmen Haftars Streitkräfte den Militärstützpunkt Tamenhant in der Nähe der südlichen Stadt Sabha ein. Im Juni erobert die LNA die Luftwaffenbasis Al Dschufra. Nach der Einnahme der Städte Hun und Sukra kontrollieren Haftars Streitkräfte die wichtigsten Städte und Militärbasen in der südlibyschen Wüste.

Juli 2017: Am 5. Juli verkündet Haftar die "vollständige Befreiung" Bengasis. Unterstützt wurde er von Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Anfang 2017 erbat er zudem die Hilfe Russlands.

Juni 2018: Am 28. Juni verkündet Haftar die erfolgreiche Einnahme der Stadt Derna. Damit gerät die letzte Stadt im Osten Libyens unter Kontrolle der LNA.

Januar-Februar 2019: Mitte Januar kündigt Haftar einen Militäreinsatz zur "Säuberung des Südens von Terrorgruppen und Kriminellen" an. Haftar gelingt es, die örtlichen Stämme hinter sich zu versammeln und die Stadt Sabha ohne Kampfhandlungen einzunehmen.

April 2019: Haftar startet seine Offensive auf Tripolis, Tage später verkünden die Streitkräfte der international anerkannten Regierung den Beginn einer Gegenoffensive. Nach UN-Angaben wurden seither mehr als 280 Zivilisten und mindestens 2000 Kämpfer getötet. 146.000 Menschen wurden vertrieben.

Juli 2019: Bei Luftangriffen auf ein Flüchtlingslager nahe Tripolis werden 53 Menschen getötet und mehr als 130 weitere verletzt. Die Regierung in Tripolis macht Haftars Streitkräfte für die Angriffe verantwortlich, was von diesen zurückgewiesen wird.

November 2019: Einem Bericht der "New York Times" zufolge setzt Russland in Libyen fast 200 Söldner zur Unterstützung Haftars ein. Moskau dementiert den Bericht. Washington fordert Haftar zur Einstellung seiner Offensive auf.

Dezember 2019: Die UN beklagen Verstöße gegen ein 2011 vereinbartes Embargo für Waffenlieferungen nach Libyen. Gerügt werden die mit Tripolis verbündete Türkei auf der einen sowie die Haftar-Unterstützer Jordanien und Vereinigte Arabische Emirate auf der anderen Seite. Haftar verkündet eine erneute Offensive auf Tripolis.

Januar 2020: Am 2. Januar stimmt das türkische Parlament stimmt für einen Militäreinsatz in Libyen, der drei Tage später beginnt. Am 6. Januar verkünden Haftars Streitkräfte die Einnahme der Küstenstadt Sirte. Die libyschen Konfliktparteien stimmen am 11. Januar einer von Ankara und Moskau vorgeschlagene Waffenruhe zu. Am 13. Januar reisen und al Sarradsch zu Beratungen nach Moskau. Die geplante Unterzeichnung eines Abkommens über die Modalitäten einer dauerhaften Waffenruhe platzt jedoch. Haftar verlässt Moskau nach siebenstündigen Gesprächen, ohne seine Unterschrift zu leisten. Die Bundesregierung kündigt am 14. Januar für den 19. Januar eine internationale Libyen-Konferenz unter UN-Schirmherrschaft in Berlin an, zu der Vertreter unter anderem aus den USA, Russland, der Türkei und Frankreich erwartet werden. Auch al Sarradsch sagte seine Teilnahme zu, Haftar erklärte sich "grundsätzlich" zu einer Teilnahme bereit. Am 16. Januar reist Außenminister Maas (SPD) im Auftrag der EU-Außenminister zu Gesprächen mit Haftar nach Bengasi. Haftar sagt Maas zu, die geltende Waffenruhe weiter einzuhalten. (AFP, dpa, Tsp)

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