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Und wenn ihm der Himmel auf den Kopf fiele? In Deutschland sehnt man sich nach den Demokraten.

© REUTERS

Midterm-Wahlen in den USA: Die Demokraten sind Deutschlands Hoffnungsträger

Was wäre, wenn Trump eine Quittung bekäme und die Demokraten bei den anstehenden Wahlen die Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen? Ein Gastbeitrag.

Wahlen auf der anderen Seite des Atlantiks senden ihre Wellen meist bis hinüber nach Deutschland. So vielleicht Anfang November. Sollten die Demokraten bei den Kongresswahlen zumindest in einem der beiden Häuser die Mehrheit erringen, dann könnte das die deutsch-amerikanischen Beziehungen genauso wie die deutsche Außenpolitik beeinflussen. Zum einen dürfte sich das Amerikabild der Deutschen nuancieren und zum anderen könnte die deutsche Außenpolitik neue Anknüpfungspunkte finden. Beides wäre angesichts des vorherrschenden Amerika-Fatalismus eine gute Nachricht.

Die Mehrheit der Deutschen bevorzugt Wahlsiege von Demokraten. Während Deutschland aus amerikanischer Sicht ein Land ist, dessen politisches Zentrum deutlich links der Mitte zu finden ist, erscheint den Deutschen Amerika irgendwie rechtsgewirkt. Drum die traditionelle Präferenz für die Demokraten. Neuerdings kommt der Trump-Faktor dazu: ein in Deutschland ungeliebter, ja, extrem wirkender Präsident, der einen Rochus auf Deutschland zu haben scheint und sich auch noch auf Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses stützen kann.

Zu einer trumpianischen Monokultur wird es nicht kommen

Längst hat sich in Deutschland der Eindruck verfestigt, in Amerika gehe einer daran, durchzuregieren, gestützt auf breite Mehrheiten. Manchem erscheint Trump keineswegs als Produkt einer Protestwahl, sondern als Ausdruck einer großen und langfristigen Umwälzung, die Amerika zu einem nationalistischen und isolationistischen Koloss zu machen drohe. Da kann man sich leicht davon überzeugen, dass sich die Vereinigten Staaten über Trump hinaus dauerhaft von Europa, der Bündnisverteidigung und dem Schutz demokratischer Normen verabschieden werden.

Dieses düstere Zukunftsbild verdient Aufhellung. Das Kopf-an-Kopf-Rennen um beide Häuser des Kongresses, der intensive Wahlkampf, die hohe Mobilisierung der Wähler, die Flut neuer Kandidat(inn)en, das Engagement aller möglichen Graswurzel-Organisationen – das alles signalisiert doch vor allem eins: das Ende der (amerikanischen) Geschichte ist noch lange nicht gekommen. Die Zukunft ist prinzipiell offen. Die Demokratie lebt, und die Mehrheit wird umkämpft bleiben.

Dieses Land ist viel zu groß und viel zu bunt, um zur Monokultur zu verkommen, schon gar nicht zu einer trumpianischen Monokultur. Für auswärtige Beobachter bleibt Amerika die riesige Projektionsfläche, die es schon immer war. Man findet immer etwas, das man nicht mag; dafür gleich nebendran etwas, was zur Identifikation einlädt.

Joschka Fischer, der ehemalige Außenminister, hat einmal berichtet, dass Bob Dylan sein Amerika-Bild geprägt hat, obwohl zeitgleich der Vietnamkrieg ein gewaltiges Angebot zur Abwendung darstellte. Gut möglich, dass Donald Trump in der Oppositionsbewegung gegen ihn gerade jene Identifikationsangebote heranzüchtet, die Amerika im Ausland jetzt gut gebrauchen kann.

Sollten die Umfragen (diesmal) zutreffen, und die Mehrheit im Repräsentantenhaus fällt tatsächlich den Demokraten zu, dann eröffnet sich für die deutsche Außenpolitik ein neues Arbeitsfeld. Denn die amerikanische Außenpolitik ist prinzipiell polyzentrisch. Das Weiße Haus kann keineswegs allein bestimmen, wo es langgeht. Der Kongress spielt traditionell eine wichtige Rolle als eigenes Kraftfeld der Außenpolitik. Das zeigte sich sogar in den vergangenen beiden Jahren, als das Weiße Haus genauso wie beide Häuser des Kongresses in der Hand der Republikaner waren. Trotzdem konnte Präsident Trump seine Außenpolitik nur in jenen Feldern durchsetzen, in denen die Mehrheit der Abgeordneten aus seiner eigenen Partei hinter ihm stand, also zum Beispiel in der Israel-, Iran- und China-Politik. Dagegen ist er mit seiner russland-freundlichen Politik bislang gescheitert, weil die eigene Partei im Kongress ihn nicht stützt. Und seine massiven Zweifel an der atlantischen Allianz hat die eigene Kongressmehrheit erheblich abgemildert.

Angela Merkel gilt in den USA als Säulenheilige der liberalen Ordnung

Die außenpolitische Gegen- und sogar Blockademacht des Kongresses wird noch erheblich wachsen, sollten die Demokraten die Mehrheit in einer der Kammern übernehmen. Die deutsche Diplomatie fände dann ganz neue Ansprechpartner, machtvolle Vorsitzende von Kongress-Ausschüssen, die Einfluss auf die Außenpolitik haben. Der Sprecher des Abgeordnetenhauses, dann ein Demokrat, wäre aufgrund seiner verfassungsmäßig herausgehobenen Stellung ein gesuchter Gesprächspartner und zunächst eine Art Gegenspieler des Präsidenten.

Deutschland dürfte dort auf mehr Sympathie treffen, weil die Demokraten, in Abgrenzung von Donald Trump, zu großen Verteidigern der westlichen Allianz und des multilateralen Systems geworden sind. Seit dem Ende der Amtszeit Barack Obamas gilt ihnen Angela Merkel als eine Art Säulenheilige der liberalen internationalen Ordnung. Die Verehrung für die deutsche Kanzlerin dürfte deutsche Gesprächspartner dazu verführen zu glauben, dass sich Sympathie unter Verbündeten in Akzeptanz deutscher Positionen übersetzen wird. Das wird aber nicht geschehen. Deutsche Außenpolitiker sollten sich schon jetzt darauf vorbereiten, dass sie von Demokraten manches hören werden, was sie von Donald Trump kennen. Denn wichtige Elemente der Deutschland-Kritik entspringen einem überparteilichen Konsens (der ja überdies vielerorts in Europa geteilt wird): dass Deutschland sich in Sachen Verteidigung auf Kosten Amerikas einen schlanken Fuß macht; dass Deutschlands Exportüberschüsse anderen schaden; dass die neue Russland-Pipeline Nordstream 2 den Interessen von Nato-Verbündeten zuwider läuft. Vielleicht verhelfen ja ein paar freundliche Umarmungen durch die neuen demokratischen Abgeordneten deutschen Außenpolitikern zu der Erkenntnis, dass das Problem in diesen wichtigen Fragen nicht allein Donald Trump ist, sondern die Kompromisslosigkeit deutscher Politik.

Donald Trump, so viel ist schon jetzt gewiss, würde eine demokratische Mehrheit auf seine ganz eigene Weise nutzen. Seht her, dürfte er seinen Wählern sagen, die Demokraten konspirieren mit Ausländern gegen Amerikas Interessen. Welch vaterlandslose Gesellen.

- Der Autor ist Berliner Büroleiter des German Marshall Fund of the United States. Von 2013 bis 2017 leitete er den Planungs- und Redenstab von Bundespräsident Joachim Gauck.

Thomas Kleine-Brockhoff

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