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Nancy Pelosi, bisher Minderheitsführerin im US-Repräsentantenhaus

© dpa/AP/Susan Walsh

Midterm-Wahlen in den USA: Blaue Welle, rote Wand: Ein wenig gewonnen haben beide

Die Zwischenwahlen in den USA können Demokraten wie Republikaner als Erfolg für ihre Parteien deuten. Wie geht es weiter in den USA?

Ein Tsunami ist es nicht geworden. Aber dass die Demokraten das US-Repräsentantenhaus nach acht Jahren wieder zurückholen, ist eine Demonstration. Ein Demonstration dessen, was möglich sein kann. Auch wenn sich am Dienstagabend keine flächendeckende blaue Welle über das gesamte Land verteilt hat: Eine rote Wand, eine Machtdemonstration von Donald Trump und seinen Republikanern, sind die Midterms ebenfalls nicht geworden – obwohl der US-Präsident am Abend vorsorglich seine eigene Lesart twitterte: „Gigantischer Erfolg heute Abend. Danke an alle!“ Beeindruckend ist die hohe Wahlbeteiligung. Die unter Trump noch deutlicher gewordene Polarisierung der Gesellschaft politisiert das Land.

Wer hat denn nun gewonnen?

Ein bisschen beide Seiten. Das große Ergebnis des Abends, das die meisten Wahlforscher dieses Mal richtig vorhergesagt haben, lautet: Die oppositionellen Demokraten, die nach zwei Jahren mit einem Präsidenten Donald Trump ordentlich unter Feuer stehen, haben das „House“ gewonnen, aber für den Senat hat ihre Motivation nicht gereicht. Die am Ende eher klare Niederlage des Hoffnungsträgers Beto O’Rourke in Texas gegen Senator Ted Cruz steht beispielhaft dafür. Und doch: Der engagierte, elektrisierende Wahlkampf von O’Rourke wiederum hat dabei geholfen, dass mehr Demokraten aus dem konservativen Bundesstaat Sitze im Abgeordnetenhaus erobern konnten als gedacht. Auch hat seine Spendensammelwut Eindruck gemacht. Nicht wenige wünschen sich deshalb schon eine wichtige Rolle O’Rourkes in der Zukunft: In genau zwei Jahren wird ein neuer US-Präsident gewählt, nicht ausgeschlossen, dass er sich dafür interessieren könnte.

Worauf gründet der Erfolg der Demokraten?

Zuallererst auf der Wut über Trump – und auf den Frauen. Sie haben viele der neuen Sitze für die Partei erkämpft. Nach Angaben des Senders CNN ziehen 96 Frauen in den Kongress ein. Der bisherige Rekord lag bei 85 in den Jahren 2015 bis 2017. Für nicht wenige von ihnen ist es die erste Wahl überhaupt, der sie sich gestellt haben. Dazu kommen die weiblichen Wähler. Nach einer Reuters/Ipsos-Umfrage votierten 55 Prozent von ihnen für die Demokraten, vor vier Jahren waren es 49 Prozent. Vor allem die Vororte großer Städte, in denen viele moderate, gut ausgebildete Frauen wohnen, die Trumps Rhetorik abstößt, sind zu einer guten Gegend für die Demokraten geworden, da sind sich die Experten beider Seiten sicher.

Der republikanische Stratege Michael Steel drückt es so aus: Die Unbeliebtheit von Trump in den Vororten sei verantwortlich für die Niederlage im Repräsentantenhaus. Und der Wahlstratege John Anzalone, der für Ex-Präsident Barack Obama arbeitete, sagt: „Wir haben ein ganzes Universum von unter 40-jährigen Frauen und Wählern in den Vorstädten, die so angefressen sind von Trump, dass sie scharenweise zur Wahl gehen und die Basis organisch unter Strom setzen.“ Auf Seiten der Republikaner wiederum wird erwartet, dass die ohnehin geringe Zahl der weiblichen Abgeordneten noch zurückgeht.

Warum bleibt der Senat republikanisch?

Schon die Voraussetzungen waren äußerst günstig. Bei den Midterms standen nur 35 von 100 Sitzen zur Wahl – und die meisten davon wurden von Demokraten gehalten. Das heißt, sie mussten verteidigen, das ist die schwierigere Rolle. Die Republikaner haben vor allem da gewonnen, wo die Beliebtheitswerte von Donald Trump hoch sind, besonders in ländlichen Gebieten. Dass die Mehrheit der Republikaner noch größer wird, ist kein gutes Omen für die nächste wichtige Wahl in zwei Jahren.

Wie verändern sich die USA?

Mit ihrer neu gewonnenen Mehrheit im Repräsentantenhaus können die Demokraten in den nächsten zwei Jahren viele Politikvorhaben der Republikaner blockieren. Und das werden sie unter der wahrscheinlichen Führung der 78-jährigen Nancy Pelosi auch tun. „Morgen wird ein neuer Tag in Amerika sein“, verkündet Pelosi noch am Wahlabend. Die verfassungsmäßigen Kontrollen und „Gegenwichte zur Trump-Regierung“ würden nun wieder hergestellt. Die Demokraten werden den Präsidenten ärgern, wo sie nur können. Sie werden dafür sorgen, dass die Russlandermittlungen vorankommen. Und die „wunderschöne Mauer“, die Trump seinen Anhängern ein ums andere Mal versprochen hat, wird nun ganz sicher nicht mehr gebaut. Auch seine im Wahlkampf versprochenen großzügigen Steuersenkungen wird sich die Opposition ganz genau anschauen. Wenn es gut für sie läuft, werden sie nachhaltig beweisen können, dass Trump nicht allmächtig ist.

Ganz konkret übernehmen die Demokraten mit der Mehrheit in der Kammer auch den Vorsitz einzelner Ausschüsse. Dabei sind besonders die vier wichtig, die sich mit Justiz, Rechenschaft und Regierungsreform, dem Haushalt und den Geheimdiensten beschäftigen. Alle vier dürften in der nächsten Legislaturperiode von Demokraten geleitet werden. Sie sind die Grundlage für mögliche Ermittlungen, mit denen die Opposition das Regierungshandeln unter die Lupe und ordentlich behindern kann.

Kommt nun ein Impeachment-Verfahren?

Vorerst wohl nicht. Denn die Demokraten könnten mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus zwar ein solches Amtsenthebungsverfahren beschließen. Pelosi hat sich bislang allerdings gegen ein Impeachment ausgesprochen. Das letzte Wort hätte ohnehin der Senat. Und dort ist die erforderliche Zweidrittelmehrheit für ein Impeachment nun noch weniger in Sicht als vor der Wahl.

Wie reagiert Trump auf die Ergebnisse?

Da die Republikaner im Senat ihren Vorsprung sogar noch ausbauen, konzentriert sich Trump bei seiner Wahlanalyse darauf – und ignoriert den Rest in gewohnt-bewährter Weise. Er wird auch genau zur Kenntnis nehmen, dass in den insgesamt 470 Rennen um Plätze im Repräsentantenhaus und im Senat vor allem Bewerber seiner Partei positiv abschnitten, die er selbst engagiert unterstützte. Um beispielsweise dem neuen Senator Mike Braun zu helfen, fuhr Trump allein vier Mal nach Indiana. Im Rennen um das Amt des Gouverneurs in Florida setzte sich der Trump-Fan Ron DeSantis durch. Parteiinterne Trump-Gegner wie etwa Carlos Curbelo in Florida wurden abgestraft. Die Lektion der Republikaner heißt: Trump zu unterstützen nutzt ihnen politisch. Parteiinterner Widerspruch wird noch seltener werden.

Trump kann trotz der Niederlage im House weiter regieren, dafür steht ihm das Instrument der präsidentiellen Erlasse zur Verfügung. Dass er kompromissbereiter, gar gemäßigter wird, sollte keiner hoffen. „Trump ist besonders gut, wenn er sich wehren muss“, sagt der Wahlforscher John Zogby. Der Wahlkampf für 2020 ist ab sofort eröffnet.

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