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Mesut Özils Hochzeit.

© Murat Cetinmuhurdar/Presidential Press Office/Handout via REUTERS

Der verlorene Sohn kehrt zurück: Mesut Özil bekennt sich demonstrativ zur Türkei

Mit seiner Hochzeit setzt der frühere deutsche Nationalspieler ein Zeichen. Viele Türken können seine Gefühle gut verstehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Güsten

Hochzeit am Bosporus, der türkische Staatspräsident Erdogan als Trauzeuge, eine Halskette mit Halbmond und Stern als Modeschmuck: Der ehemalige deutsche Nationalspieler Mesut Özil ist mit seiner Hochzeitsfeier in Istanbul als verlorener Sohn in die Türkei heimgekehrt. Nach seinem bitteren Abschied aus Deutschland bekennt sich Özil demonstrativ zur Heimat seiner Eltern, wo er mit Genugtuung willkommen geheißen wird.

Viele Türken können Özils Gefühle gut verstehen. Der einzige Freund des Türken ist der Türke, heißt ein alter Spruch – das Scheitern der Integration eines jungen Mannes, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, bestätigt diese Weltsicht nun.

Özil und seine Frau Amine Gülse hätten auch in seinem Geburtsort Gelsenkirchen, seinem Wohnort London oder in ihrer schwedischen Heimatstadt Göteborg heiraten können. Doch sie wählten Istanbul. Bei der Trauung in einem Luxushotel in der türkischen Metropole wünschte Erdogan dem Paar einen reichen Kindersegen – um die türkische Nation zu stärken, wie der Staatschef sagte.

Erdogan hat von Anfang an verstanden, was die Debatte über Özils angeblich mangelhaften deutschen Patriotismus für Türken in der Türkei und in Deutschland bedeutet. Selbst Mitglieder von Özils Generation, die Anatolien höchstens aus Ferienreisen aus Deutschland kennen, fühlen sich in Deutschland ausgegrenzt.

„Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, aber Einwanderer, wenn wir verlieren“, kritisierte Özil nach der enttäuschenden WM in Russland und seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Wenn Deutschland selbst einen Spieler der Weltmeistermannschaft von 2014 anfeindet, nur weil er sich mit dem türkischen Staatschef fotografieren lässt, dann zwingt das Land diesen Sportler gewissermaßen dazu, sich nach einer anderen Heimat umzuschauen.

Halskette mit türkischen Halbmond mit Stern

Erdogan griff dieses Gefühl der Zurückweisung auf. Als türkischer Präsident könne er nicht hinnehmen, wie mit Özil und dem ebenfalls kritisierten Ilkay Gündogan in Deutschland umgesprungen werde, sagte Erdogan bei seinem jüngsten Besuch in der Bundesrepublik im September.

Als sich Özil in diesem Frühjahr erstmals mit einer Halskette mit dem türkischen Halbmond mit Stern zeigte, wurde das in der Türkei als Bekenntnis zum Land seiner Eltern verstanden: „Er hat erneut gezeigt, dass er stolz darauf ist, Türke zu sein“, kommentierte damals ein Fernsehsender. Dass Özil nur den deutschen, aber keinen türkischen Pass besitzt, macht da keinen Unterschied. Özil gehört ab sofort zur Türkei.

Das ist seine Entscheidung. Doch vielen Deutschtürken, die zwischen den beiden Ländern stehen, wäre vielleicht mit einer anderen Lösung besser gedient gewesen. Zwar sei die öffentliche Erwartung in Deutschland an Özil, dass er sich völlig von der Türkei abwenden müsse, „ignorant und lebensfremd“ gewesen, sagt der in Köln aufgewachsene türkische Parlamentsabgeordnete Mustafa Yeneroglu. Dennoch hätte Özil auch den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zu seiner Hochzeitladen können. Das hat er nicht getan. „Schade“, kommentierte Yeneroglu.

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