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Schwer zu knacken. Nachrichten auf Telegram sind verschlüsselt.

© picture alliance/dpa/TASS

Messengerdienste wie Telegram und Signal: Der Treffpunkt für Corona-Leugner ist schwer zu regulieren

Nach dem Mord in Idar-Oberstein fordern Experten Maßnahmen gegen Soziale Medien, die strafbare Inhalte verbreiten. Verbote aber sind schwer durchzusetzen.

Nach dem Mord in Idar-Oberstein, bei dem ein 20-jähriger Tankstellen-Mitarbeiter von einem Maskenverweigerer erschossen wurde, ist eine Diskussion darüber entbrannt, welche Rolle elektronische Kommunikationsmedien bei der Radikalisierung des Täters gespielt haben. Die Polizei geht derzeit Hinweisen auf das Twitter-Profil des Täters nach.

Die letzten Aktivitäten auf dem nach Recherchen des „Center für Analyse, Monitoring und Strategie“ von dem Täter stammenden Accounts sind allerdings aus dem Jahr 2019. Experten warnen davor, dass radikale Kräfte die mittlerweile stark regulierten sozialen Netzwerke meiden würden und verstärkt in Messengerdiensten wie Signal und Telegram aktiv seien.

Dort wird die Kommunikation verschlüsselt und sie ist nur geschlossenen Öffentlichkeiten zugänglich, beispielsweise in Messengergruppen. Der Innenminister von Thüringen, Georg Maier (SPD), forderte am Mittwoch beim „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ eine stärkere Regulierung von Telegram.

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So solle der Dienst künftig auch vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz erfasst werden, weil er wie ein soziales Netzwerk funktioniere. Der Grüne Konstantin von Notz unterstützte im Deutschlandfunk die Forderung. Demnach müsste Telegram strafbare Inhalte löschen. Wie das allerdings funktionieren soll, bleibt wegen der Verschlüsselungsstandards unklar.

Tatsächlich ist der vom russischen IT-Unternehmer Pawel Durow gegründete Dienst zu einem Anlaufpunkt für Corona-Leugner geworden. Die Tat von Idar-Oberstein wurde in einschlägigen Telegram-Gruppen mit Verständnis oder gar Zustimmung aufgenommen.

Das Entscheidende ist die Verschlüsselungstechnologie

Eine generelle Regulierung von Messengern stünde im Konflikt mit verfassungsmäßig garantierten Grundrechten. Die Betreiber solcher Dienste sagen außerdem, dass sie aufgrund der eingesetzten Verschlüsselungstechnologie selbst keinen Zugriff auf die Kommunikation hätten.

Im Falle von Whatsapp gibt es zwar unternehmensinterne Moderatorenteams, die anstößige oder rechtswidrige Inhalte kontrollieren. Allerdings können sie nur tätig werden, wenn ihnen die Inhalte von Chat-Teilnehmern gemeldet werden.

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Pawel Durow hat Telegram schon früh als Kommunikationswerkzeug beworben, das für staatliche Eingriffe unzugänglich ist. Russische Oppositionelle nutzen den Dienst beispielsweise, aber auch Demokratie-Aktivisten in Hongkong.

Während der Proteste in Belarus im vergangenen Jahr lief die Kommunikation der Gegner des diktatorisch herrschenden Präsidenten Alexander Lukaschenko ebenfalls oft über Telegram. Das Paradoxe an Telegram ist, dass der Messenger den Anhängern von Demokratiebewegungen die gleichen Freiheiten gewährt wie den Gegnern der Demokratie.

Telegram sitzt mittlerweile in Dubai und liegt damit außerhalb des Einflussbereichs der deutschen und europäischen Gesetzgebung. Allerdings gibt es Versuche seitens der Bundesregierung, solchen außereuropäischen Diensten über Umwege beizukommen.

Das Marktort-Prinzip: In Deutschland muss deutsches Recht eingehalten werden

In der im Mai 2021 vom Bundestag beschlossenen Novelle des Telekommunikationsgesetzes werden auch Messenger auf das „Marktortprinzip“ verpflichtet. Das heißt: Wenn eine Dienstleistung in Deutschland angeboten wird, muss auch deutsches Recht eingehalten werden.

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Dazu gehören beispielsweise die Regulierungen zur Bestandsdatenauskunft und zur Verkehrsdatenspeicherung. Außerdem wäre es denkbar, dass Apple und Google dazu verpflichtet werden könnten, die App bei weiteren massiven Regelverstößen aus ihren App-Stores zu löschen.

Mittlerweile ist nicht mehr sicher, dass sich Telegram generell gegen staatliche Regulierung verschließt. Das Image von Pawel Durow hat während der russischen Duma-Wahlen Risse bekommen: Telegram verhinderte auf Drängen der russischen Regierung die Benutzung der Wahlempfehlungssoftware „Smart Vote“ des Oppositionellen Alexej Nawalny. Durow selbst machte dafür den Druck durch Apple und Google verantwortlich.

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