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Friedrich Merz in Aktion im Bundestag

© IMAGO/Future Image

Abstimmung zu Bundeswehr-Sondervermögen: Merz' neueste Nummer wirkt wie Quälerei

Die Unionsfraktion soll taktisch abstimmen, damit die Ampel in Schwierigkeiten kommt. Politisch ein Kniff, aber ein fragwürdiger. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Opposition ist Mist, weshalb sich der Chef der größten Oppositionsfraktion im Bundestag, Friedrich Merz (CDU), für das geplante Bundeswehr-Sondervermögen einen Trick hat einfallen lassen: Er will selbst dabei wirksam mitregieren und zugleich denen, die regieren, die Entscheidung insgesamt schwieriger machen.

Das klingt nach Widerspruch, doch nicht anders als so lässt sich seine Ankündigung verstehen, die für die Maßnahme nötige parlamentarische Mehrheit lediglich „auffüllen“ zu wollen. Die Union ist hier als Mitspieler gefragt, weil der Posten im Grundgesetz eingetragen werden soll. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich, die allein die Ampel nicht zusammenbringt.

Die Union will keine „Ersatzbank“ sein

Die Unionsstimmen sollen aber nicht nur als „Ersatzbank“ dienen, so Merz. Seine Fraktion will im Bundestag nur so viele Stimmen liefern, wie der Ampel bis zur nötigen Mehrheit von knapp 500 Stimmen fehlen.

Soll heißen: Die Ampelfraktionen sollen vollzählig für die Verfassungsänderung stimmen, nur dann füllt die Union auf, was noch fehlt. Und nicht mehr.

Das soll sicherstellen, dass potenziell friedensbewegte Abweichler, gerade unter SPD und Grünen, zur Räson gerufen werden müssen. Im Ergebnis soll es dann so aussehen, dass die Regierung streitet und ohne vernunftbegabte Union wenig läuft. Ein Triumph der Opposition.

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Ob das merzmäßig funkelnde Kalkül zum Krieg in der Ukraine und der Lage der Bundeswehr passt, sei dahingestellt. Damit es aufgeht, müssten Unionsabgeordnete bereit sein, gegen das Vorhaben zu stimmen, obwohl sie es begrüßen. Taktisch abzustimmen also, was ihnen laut Grundgesetz als „Vertreter des ganzen Volkes“, die „nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind, erlaubt sein sollte.

Mandatsfreiheit ist nicht die Freiheit zum Durcheinander

Schief wird das Bild nur mit Blick auf das, was eine Fraktion im Bundestag wesentlich leisten soll: Geschlossenheit. Ihre Einheit soll dem Bundestag seine Arbeit erleichtern. Diesen Gedanken hat das Bundesverfassungsgericht gerade erst in seinem Urteil zum Vorschlagsrecht bei den Wahlen der Bundestagsvizepräsidenten betont. Er bildet auch die Legitimation dafür, dass von Abgeordneten so etwas wie Fraktionsdisziplin erwartet und eingefordert werden darf. Fraktionen sollen geschlossen auftreten, um Repräsentation und repräsentative Entscheidungen zu ermöglichen. Individuelle Mandatsfreiheit ist nicht die Freiheit zum großen Durcheinander.

Merz verlangt nicht Einheit im Abstimmungsverhalten, er verlangt strategische Teilung. Das dürfte ein Novum sein. Gelten Fraktionschefs ohnehin als Dompteur der Mandatsträger, fügt das Merz-Kunststück, sollte es mehr als Rhetorik sein, der Dressur eine fragwürdige Nummer hinzu. Politisch mag das Vorteile bringen. Gemessen an den Vorstellungen der Verfassung wirkt es wie Quälerei.

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