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Mit ungewöhnlich harten Worten kritisierte Merkel die Iran-Entscheidung von US-Präsident Trump.

© Stefan Arend,epd

Katholikentag in Münster: Merkels Lehrstunde

Die Bundeskanzlerin stellt sich der Diskussion auf dem Katholikentag, das ist Tradition. Ein Thema: Die schwierigen Gespräche mit dem US-Präsidenten.

Von Robert Birnbaum

Diesmal hat es der Pastorentochter im Kanzleramt der Prophet Jesaja angetan. „Das Werk der Gerechtigkeit wird Frieden sein“, zitiert Angela Merkel den alttestamentarischen Text, „und der Ertrag der Gerechtigkeit wird Ruhe und Sicherheit sein für immer.“ Das stammt aus einer Vision über die Ankunft des Friedensfürsten und ist mithin nicht ganz von dieser Welt. Trotzdem wiederholt Merkel: „...der Ertrag der Gerechtigkeit!“

Ihr Publikum beim Kirchentag in Münster versteht das Gleichnis: Von Ruhe und Sicherheit mag die reale Welt gerade weit entfernt sein, ganz zu schweigen von „für immer“ – aber ohne Recht und Gerechtigkeit im Umgang zwischen Völkern wird daraus nie etwas.

Scharfe Kritik an Trump

Dass Merkel sich der Diskussion der katholischen Laienversammlung stellt, ist Tradition; dass der Termin mit Krisen von Weltformat zusammenfällt, inzwischen auch. Diesmal also die Iran-Krise. Die Kanzlerin übt harte Kritik an US-Präsident Donald Trump. Das Atomabkommen mit Teheran sei seinerzeit vom Weltsicherheitsrat einstimmig gebilligt worden. Trumps Ausstieg „verletzt das Vertrauen in die internationale Ordnung“ und führe den Multilateralismus in die Krise. „Wenn wir immer sagen, wenn es uns mal nicht passt und wir international keine Ordnung hinkriegen, dann macht halt jeder, worauf er Lust hat – dann ist das eine ganz schlechte Nachricht für die Welt.“

Die gut 4000 Zuhörer in der Halle Münsterland applaudieren laut und lang. Den Eindruck, dass der Mann im Weißen Haus ohne Rücksicht auf Verluste agiere, teilen viele. Die Hoffnung auch, dass jemand ihm Einhalt gebieten könnte. Gleich die erste Frage der Moderatorin zielt darauf ab: ob nicht jetzt, da der Westen keine Einheit mehr bilde, Europa sich auf eigene Füße stellen müsse, bis hin zur eigenen Verteidigungsdoktrin?

Europa beim Thema Iran geeint

Merkel könnte einfach „Ja“ sagen, um den nächsten Beifallssturm zu ernten. Aber ihre Auftritte beim Kirchentag sind immer auch Lehrstunden in Realpolitik. In Sachen Iran, sagt sie, sei Europa in seiner Haltung geeint. Nur: „Wir dürfen uns auch nicht stärker machen, als wir sind.“ Europa als Friedensmacht? Ohne Verbündete zu schwach. Selbst der Vorsatz, das Iran-Abkommen ohne die USA am Leben zu erhalten – nicht mehr als ein „Wir hoffen das“ kann die Kanzlerin anbieten.

Ja, sogar die transatlantische Partnerschaft selbst aufrechtzuerhalten, klingt aus ihrem Mund inzwischen wie eine komplizierte Bürde. Man dürfe sie nicht komplett infrage stellen, warnt Merkel, trotz des „schweren Einschnitts“. Sie werde sich weiter für diese Partnerschaft einsetzen. Doch ihre Nebensätze sind voller Skepsis: „ ...wo immer es geht“, lautet einer, „ ...ohne dass wir uns etwas in die Tasche lügen“ ein zweiter.

Aber was hilft’s? Ob es eine Grenze geben müsse, mit wem man als Kanzlerin zu sprechen bereit sei, lautet eine Frage. Sie rede auch nicht mit jedem, lautet die Antwort. Bei Libyens früherem Diktator Muammar al Gaddafi zum Beispiel sei ihr das sinnlos erschienen. Aber sonst: „Ich glaube schon, dass wir sehr weit gehen müssen, mit wem wir reden.“

Nicht mit jedem reden

Und dann bekommt das Publikum einen kleinen Einblick in ihre Werkstatt der Weltpolitik. Die enthält, erzählt Merkel, allein beim Reden ein breites Instrumentarium. „Wie rede ich? Kann ich schweigen?“ Bin ich mir klar, was ich erreichen will und kann – und was nicht?

Manche Gespräche setzen Vorbereitung voraus, Kontakte auf niederer Ebene oder auf Umwegen. Mit Syriens Diktator Baschar al Assad zum Beispiel spreche sie selbst nicht, aber – erst nächste Woche wieder in Sotschi – mit dessen engsten Verbündeten, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Manchmal kann man auch indirekt Botschaften setzen.“ Nur eins helfe nicht: „Fensterreden“, bei denen jeder nur seinen Standpunkt bekräftigt. Danach fühle man sich vielleicht wohl, nur erreicht sei nichts.

Nicht von dieser Welt

Wie sie das denn, fragt später einer aus dem Publikum nach, bei Trump konkret anwende? „Ich hab’ da auch schwere Diskussionen“, sagt Merkel. Trump sei nun mal von Gruppen gewählt worden, die nicht mehr wollten, dass ihr Land in aller Welt eingreife. „Die Terroristen sind vor eurer Haustür, nicht vor unserer Haustür“, kriegt sie in Washington zu hören, oder: wieso ein Land wie Polen das Nato-Ziel von zwei Prozent für die Verteidigung erfüllen könne und das reiche Deutschland nicht? Und der Iran sei natürlich mitverantwortlich für Katastrophen wie den Krieg im Jemen. „Deshalb darf man die Dinge auch nicht verschieben.“

Reden – mehr bleibt nicht. Höchstens noch auf Jesaja setzen. „Das Herz der Unbesonnenen wird Erkenntnis erlangen“, heißt es an anderer Stelle im gleichen Vers 32. Aber der, wie gesagt, ist eigentlich nicht ganz von dieser Welt.

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