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Steht unter Druck - und macht Druck: Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© Michael Kappeler/Pool via REUTERS

Die Kanzlerin versucht es weiter mit Druck: Merkel zeigt den Vorschlaghammer – um ihn nicht benutzen zu müssen

Die Kanzlerin rechtfertigt einmal mehr ihre Corona-Politik. Aber selbst ihr Werkzeugvorrat geht langsam zu Ende. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Politik in Krisenzeiten ist oft ein holpriges Geschäft.

Angela Merkel hat das in ihrer Pressekonferenz anschaulich beschrieben. Du denkst morgens auf dem Weg ins Büro, du hast die Seuche halbwegs im Griff, schon trudelt Post ein: Frau Bundeskanzlerin, wir haben ein neues Problem! In dem Riesenlabor, das wir Menschheit dem Virus bieten, mendeln sich gefährlichere Varianten heraus. Corona rüstet auf. Wir müssen die Gegenwehr anpassen, schnell.

Auf dieser Sachebene ist Merkel für Deutschland schlicht ein Segen. Wer auf das Jahr der Pandemie zurückschaut, sieht viele, die länger brauchten, um die Zusammenhänge auch nur zu verstehen; manche können, etliche wollen es aus billigem Kalkül bis heute nicht.

Diese Sachebene ist allerdings nicht die einzige, auf der eine Krise bewältigt werden muss. Sie ist, wie sich zunehmend zeigt, nicht einmal die wichtigste.

Man kann handwerklich alles richtig machen, oder doch wenigstens das meiste, und trotzdem scheitern. Auch Handwerkszeug nutzt sich ab. Und irgendwann ist der beste Werkzeugkasten leer.

Auch ein Hammer hält nicht ewig

Die Abnutzungserscheinungen sind unübersehbar. Die Runden mit den Ministerpräsidenten werden giftiger, Wahlkampf drängt sich hinein. Darin spiegelt sich die Sehnsucht, als Politiker auch mal wieder ganz normaler Parteikämpfer sein zu dürfen.

Bei den Bürgern ist die theoretische Akzeptanz der Maßnahmen weiterhin hoch. Die praktische Konsequenz, ihnen zu folgen, lässt allenthalben nach. Das liegt nicht nur an der Macht alter Gewohnheiten. Was bei Werkzeug als Ermüdungsbruch gefürchtet wird, droht bei Menschen genauso, wenn man ihnen mit dem immer gleichen Hammer auf den immer gleichen Punkt haut.

Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Bundespressekonferenz

© Michael Kappeler / dpa

Dazu kommt bei vielen hierzulande der innere Verwaltungsrechtler, der jede Vorschrift darauf abklopft, was gerade noch geht. Kein schöner Zug, nur: Warum sollen die Leute großzügiger sein als die Regierenden, die um jedes Wort in Abschlusserklärungen feilschen?

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All diese Elemente zusammen ergeben ein bedenkliches Bild.

Munter ist nur das Virus. Die Bürger sind müde, ihre Politiker tun sich immer schwerer damit, die für sich genommen ja völlig berechtigten Einwände etwa gegen geschlossene Kitas und Schulen abzuweisen. Neues Werkzeug fehlt; die es zu besitzen behaupten, zeigen meist nur hübsche Verpackungen.

Werkzeug stumpf ab Werk

Heraus kommt dann so etwas wie die Homeoffice-Verordnung – stumpf ab Werk. Nur geht’s in Wahrheit kaum schärfer, weil dem Staat die Mittel und die Vorbildlichkeit fehlen, um eine Pflicht zum Daheimbleiben durchzusetzen. 

Merkel versucht es also weiter mit Aufklärung und im politischen Geschäft mit Druck. Sie will in Wahrheit weder Grenzen schließen noch eine Null-Covid-Strategie – sie zeigt den Vorschlaghammer, um ihn nicht benutzen zu müssen.

Aber am Ende bleibt auch ihr nur, auf das Vertrauen der Bürger zu hoffen. Bisher hält es, übrigens nicht obwohl, sondern weil ihre Karriere endet. Nichts mehr zu verlieren zu haben außer einem Heldeneintrag im Geschichtsbuch lässt selbst taktisch raffinierte Wutanfälle als der Sache geschuldet erscheinen.

Man soll die Leute aber auch nicht unterschätzen. Viele stimmen schnell in Kritik an „Impfchaos“ ein. Die meisten wissen trotzdem zu unterscheiden zwischen bloßem Geholpere und echtem Versagen. Denn ginge es besser? Immer. Deutlich schlechter allerdings auch.

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