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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Berlin.

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Update

EU-Videogipfel: Merkel warnt vor Lockerungen bei EU-Nachbarn

Kanzlerin Merkel will eine einheitliche Linie im Kampf gegen Corona. Dabei richtet sich der Blick der Bundesregierung vor allem auf Tschechien und die Schweiz.

Ein ehrgeiziges Ziel hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Beratungen im Kreis der Staats- und Regierungschefs der EU gesetzt. Beim ersten EU-Videogipfel im neuen Jahr setzt die Kanzlerin auf ein möglichst einheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten bei der Pandemiebekämpfung. Dies erscheint ihr vor allem angesichts der ansteckenderen Mutationen des Coronavirus geboten. Falls allerdings die Infektionszahlen im einen oder anderen Nachbarland Deutschlands besonders hoch sein sollten, sind flächendeckende Grenzkontrollen aus der Sicht Merkels auch nicht ausgeschlossen.

Vor dem EU-Videogipfel bekräftigte Merkel in Berlin noch einmal ihre Haltung zu einem abgestimmten Verfahren innerhalb der EU. Zwar könnten flächendeckende Grenzschließungen nur eine "Ultima Ratio" sein, sagte sie. Allerdings könne es auch nicht angehen, dass „ein Land mit einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle Geschäfte aufmacht und wir haben sie noch zu“.

Die Äußerungen Merkels dürften auf die nächste Phase der Pandemie zielen. Falls die Infektionszahlen EU-weit demnächst nach unten gehen sollten, dürften nicht nur in Deutschland, sondern auch bei den Nachbarn schnell wieder die Diskussionen über mögliche Lockerungen beginnen. Daher forderte Helge Braun auch ein gemeinsames Handeln der EU.Wenn ein Nachbarland nicht genug gegen die Ausbreitung der Mutationen unternehme, seien „noch strengere Einreiseregeln an unseren Binnengrenzen nicht vermeidbar“, sagte Braun in der ARD.

Für eine EU-weite Verschärfung sprach sich derweil der belgische Regierungschef Alexander De Croo aus. Er schlug vor, touristische und andere nicht notwendige Reisen in der gegenwärtigen Lage generell zu verbieten.

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Wie Merkel erklärte, richtet sich der kritische Blick aus Deutschland vor allem auf Tschechien und das Nicht-EU-Land Schweiz. Mit der Regierung in Prag sei sie bereits im Gespräch, und auch im Fall der Schweiz sei dies geplant, erklärte die Kanzlerin.

Spahn: Tests für Pendler müssen nicht an der Grenze stattfinden

Unterdessen sprach Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einem Interview mit dem SWR davon, dass das Infektionsgeschehen in vielen Grenzregionen oft auf beiden Seiten hoch sei und sich immer wieder gegenseitig „hochschaukeln“ würde. Regelmäßige Corona-Tests unter den Grenzpendlern, die dies verhindern würden, müssten nicht „per se an der Grenze“  stattfinden, so Spahn. Die Tests seien auch im Wechsel auf beiden Seiten der Grenze möglich. Dazu gebe es bereits Gespräche mit den Regierungen  in Tschechien oder Polen, sagte der Minister weiter.

Spahn sprach zudem einen Punkt an, auf den auch entschiedene Gegner durchgehender Grenzkontrollen wie Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn immer wieder hinweisen: Die wirtschaftliche Bedeutung der Grenzpendler – gerade für das Gesundheitswesen. Wenn Pendler aus Deutschland nicht mehr täglich ins Großherzogtum kommen könnten, „dann bricht bei uns in Luxemburg das Gesundheitswesen zusammen“, warnte Asselborn im Deutschlandfunk.

Von der Leyen: Grenzschließungen ergeben keinen Sinn

Bei der Debatte über die mögliche Wiedereinführung durchgehenden Grenzkontrollen, wie sie die EU bereits im ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr erlebt hatte, berief sich Luxemburgs Außenminister zudem auf die ablehnende Haltung der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Eine pauschale Grenzschließung ergebe „keinen Sinn“, sagte von der Leyen vor dem EU-Parlament.

Allerdings hatte es auch im vergangenen Frühjahr auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle keine totale Abriegelung an den Grenzen gegeben. Der grenzüberschreitende Güterverkehr war auch damals aufrecht erhalten worden, und Pendler konnten ebenfalls zu ihren Arbeitsplätzen gelangen.

Skepsis gegenüber EU-Impfzertifikat

Skeptisch zeigte sich Asselborn unterdessen mit Blick auf einen Vorstoß aus EU-Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal und Malta, der ebenfalls bei der Videokonferenz am Donnerstagabend besprochen werden sollte: Die Mitgliedstaaten im Süden der Gemeinschaft, in denen der Tourismus eine besondere Rolle spielt, machen sich für die Einführung eines EU-weiten Impfzertifikats stark. Wenn es nach dem Willen von Politikern wie dem Athener Regierungschef Kyriakos Mitsotakis geht, dann soll ein derartiges Zertifikat demnächst grenzüberschreitendes Reisen in der Gemeinschaft erleichtern. Dagegen betonte Asselborn, dies laufe auf eine Diskriminierung derjenigen hinaus, die noch keine Impfung erhalten hätten.

Zulassung für AstraZeneca Ende kommender Woche?

Ob und wann es zur Einführung eines Impfzertifikats kommt, hängt auch vom Tempo ab, mit dem die Vakzine in den nächsten Wochen und Monaten in der EU verabreicht werden. Wie beim Videogipfel deutlich wurde, herrscht bei den EU-Staaten Unmut darüber, dass es bei der vorübergehenden Drosselung der Impfstofflieferungen einen Mangel an Transparenz seitens des Herstellers Biontech/Pfizer gegeben habe.

Ende kommender Woche wird mit einer Zulassung des Impfstoffs des Unternehmens AstraZeneca in der Gemeinschaft gerechnet. Die EU-Kommission hat bei der britisch-schwedischen Firma insgesamt 300 Millionen Dosen des Impfstoffs bestellt. Das Vakzin hat den Vorteil, dass es nicht so stark gekühlt werden muss wie einige mRNA-Impfstoffe. AstraZeneca war im vergangenen Sommer das erste Unternehmen, mit dem die EU-Kommission bei den Verhandlungen über die Impfstofflieferungen zum Abschluss kam.

Auch die Impfstoffe der Hersteller Johnson&Johnson und Curevac sind nicht weit von einer Zulassung entfernt. Daher hat die EU-Kommission für die gesamte EU auch ein klares Ziel ausgegeben: Bis Ende März sollen mindestens 80 Prozent der über 80-Jährigen und 80 Prozent der Mitarbeiter im Gesundheitswesen geimpft sein.

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