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Die Bundeskanzlerin steht in der Nacht zum Freitag allein in der Nähe eines Fensters in der Parlamentarischen Gesellschaft.

© Maurizio Gambarini/dpa

Sondierungen zur Jamaika-Koalition: Merkel muss es richten

Nach einem Krach sollen sich die Verhandler schnell wieder zusammenraufen.

Von
  • Antje Sirleschtov
  • Robert Birnbaum

Angela Merkel sah gewisse Parallelen zu Katalonien. Am Chaos um die Unabhängigkeitsbestrebungen der spanischen Provinz, erinnern sich Teilnehmer sinngemäß an Merkels Einwurf in der Runde der Jamaika-Sondierer, könne man auch sehen, was allzu eifrige Medien-Einflüsterer anrichten könnten. Die Ermahnung blieb fruchtlos. Die Verhandlungen zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen fuhren sich am Donnerstagabend fest – auch deswegen, weil draußen vor dem Saal mancher anders redete als drinnen in der Runde.

Dass die Sondierung in einer dramatischen Krise stecke, wollte anderntags keiner unterschreiben. Drama war aber schon. Am Abend brach Merkel die Aussprache über die Flüchtlingspolitik ab und nahm eine Auszeit für CDU und CSU. Eine Kleinstrunde der Verhandlungsführer soll nun verhindern, dass der Streit vorzeitig zum Aus für das Regierungsbündnis führt. Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer, FDP-Chef Christian Lindner und das Grünen-Duo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir wollen sich am Wochenende zusammensetzen, weil am Montag im großen Kreis eine erste Zwischenbilanz ansteht.

Krach und Einmütigkeit

Über die Gründe für den Knall herrscht überraschende Einmütigkeit: Da würden immer noch „Kampfbegriffe“ benutzt und Reviere markiert, statt über die Sache zu reden, beklagen Teilnehmer. Zur Wahrheit gehört aber, dass der Vorwurf immer die Gegenseite meint, während die eigenen Kampfbegriffe nett als „Identitätsthemen“ daherkommen, die nun mal „nicht verhandelbar“ seien. „Nach dem Motto ,Alles oder nichts’ geht hier gar nichts“, sagt ein Unterhändler, der vorher wortreich erläutert hatte, was mit seiner Partei gar nicht gehe.

Konkret verhakt haben sich die Jamaikaner bei Klimaschutz und Flüchtlingen. Beim Klimaschutz wähnten sich die Grünen am Ziel, als ein Textentwurf auf allgemeine Zustimmung traf, in dem es hieß: „Das Klimaschutzabkommen von Paris sowie die europäischen und nationalen Klimaziele für 2020, 2030 und 2050 gelten.“ Doch noch während der Gespräche tauchten Agenturmeldungen auf, dass die FDP das nationale Ziel für 2020 infrage stelle.

Am Freitag legte FDP-Geschäftsführer Marco Buschmann nach: Die deutsche Selbstverpflichtung zum CO2-Abbau sei eine „Übererfüllung“ des Pariser Abkommens, darüber müsse man reden. Die Grünen aber betrieben „Gesprächsverweigerung“. Das sehen genau umgekehrt: Die FDP habe schlicht keine Ahnung vom Zusammenhang zwischen den Pariser und den Berliner Zielen, zürnt ein Teilnehmer der Runden.

Den Knall löste Dobrindt aus

So begann die Diskussion über das Flüchtlingsthema schon klimatisch vorbelastet. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, so berichten Teilnehmer übereinstimmend, stellte den Unionskompromiss zur „Obergrenze“ dar, die nicht mehr so heißen soll, Claudia Roth die grüne Gegenposition, für die FDP äußerte NRW-Integrationsminister Joachim Stamp Sympathie für Unionsforderungen wie Aufnahmezentren. Seehofer bekräftigte, dass „Kontrollverlust“ vermieden werden müsse, Merkel betonte den Kampf gegen Schleuser. Göring-Eckardt zog rote Linien: „Eine Obergrenze können wir nicht akzeptieren“, zitieren Teilnehmer die Grünen-Fraktionschefin, und auch ein weiteres Aussetzen des Familiennachzugs werde „keine Mehrheit im Bundestag bekommen“.

Den Knall löste Alexander Dobrindt aus. Der CSU-Landesgruppenchef hielt den Grünen vor, sie ignorierten das Jahr 2015 und seine Folgen, den Aufstieg der AfD inklusive. Und das sei erst der Anfang, warnte der Christsoziale: Wenn man nicht zeige, dass man verstanden habe, werde die „große Wählergruppe, die uns noch gewählt hat“ von der Fahne gehen. Dobrindt beendete den scharfen Vortrag seinerseits mit einer roten Linie: Für die CSU könne er hier erklären, „einer Koalition, die zu keiner Begrenzung führt, können wir nicht zustimmen.“

Wieder ein Kampfbegriff. Dabei ginge es anders. Wenn Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier von den „Grenzen der Integrationsfähigkeit“ rede, sei das diskutabel, sagt ein Grüner; der CSU- Sound von „Überforderung der Bevölkerung“ dagegen nicht. Bei der CSU reagieren sie dafür allergisch, wenn Roth sagt, man dürfe „Schutzgruppen ... nicht gegeneinander ausspielen“. Sogar ein Wort aus der unseligen schwarz-gelben Vergangenheit ist schon gefallen. Buschmann hatte den Grünen gedroht, wenn sie Absprachen im Nachhinein verdrehten, werde es die FDP mit gleicher Münze heimzahlen: „Tit for tat!“ Göring-Eckardt schoss zurück: „Dann wären Sie ja auch nur Teil einer Gurkentruppe!“

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