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Der bekannte iranische Ringer und Regimekritiker Navid Akari wurde vor Kurzem hingerichtet – ungeachtet aller internationaler Proteste.

© Evert Elzinga/AFP

Menschenrechte im Iran: Die gnadenlosen Mullahs

Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen und Folter: Das iranische Regime geht immer massiver gegen jede Art von Opposition vor. Was steckt dahinter?

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Das Evin-Gefängnis im Norden von Teheran ist einer der berüchtigsten Orte im Iran. Schon der Schah ließ dort in den 1970-er Jahren seine Gegner foltern. Nasrin Sotoudeh kennt Evin nur zu gut. Die heute 57-jährige Menschenrechtsanwältin und Trägerin des Sacharow-Preises des EU-Parlaments saß von 2010 bis 2013 in dem Gefängnis und ist seit zwei Jahren wieder dort hinter Gittern.

Die Corona-Pandemie hat die Zustände in der Haftanstalt noch weiter verschlimmert – Sotoudehs Ehemann Reza Khandan fürchtet um das Leben seiner Frau. Doch Irans Justiz will an Kritikern wie der Aktivistin ein Exempel statuieren. Außenpolitisch gerät das Land damit zunehmend in Bedrängnis. Die USA erließen jetzt Sanktionen gegen einen Richter, der für die Hinrichtung des prominenten Ringers Navid Afkari verantwortlich sein soll.

Das Leid der Opfer und die Methoden der Herrschenden

Sotoudeh sitzt im Gefängnis, weil sie Frauen verteidigte, die gegen den Kopftuchzwang im Iran protestierten. Ihre Gesamtstrafe beläuft sich auf 38 Jahre (von denen sie mindestens zwölf absitzen muss) sowie 148 Peitschenhiebe. Die Behörden betrachten die unbeugsame Frau offenbar als Gefahr.

Zuletzt hatte Sotoudeh die Islamische Republik an einem besonders empfindlichen Punkt angegriffen – dem Versagen der Regierung im Kampf gegen die Pandemie. In keinem anderen Land des Nahen Ostens tobt das Corona-Virus so schlimm wie im Iran.

Das Land zählt rund 440.000 Infektionen und mehr als 25.000 Tote. Mit einem Hungerstreik fordert Sotoudeh die Freilassung aller politischen Gefangenen, um sie vor Infektionen in den Haftanstalten zu schützen.

Das Regime, hier der oberste Revolutionsführer Ali Chamenei, setzt auf Repression.
Das Regime, hier der oberste Revolutionsführer Ali Chamenei, setzt auf Repression.

© AFP

Jetzt beorderten die Behörden die gesundheitlich geschwächte Anwältin nach fünf Tagen im Krankenhaus ohne jede medizinische Behandlung wieder nach Evin zurück. Auch andere Regimekritiker bekommen den Zorn des Regimes zu spüren.

Vor Kurzem hatte die Hinrichtung des Ringers Afkari – offenbar aufgrund fingierter Vorwürfe – internationale Proteste ausgelöst. Der deutsche Botschafter in Teheran, Hans-Udo Muzel, warf der iranischen Regierung vor, oppositionelle Stimmen zum Schweigen bringen zu wollen. Er wurde daraufhin ins iranische Außenamt einbestellt.

Die Furcht der Machthaber

Trotz der Kritik des Westens bleiben die von Massenprotesten im vergangenen Jahr geschockten Behörden unnachgiebig. Aus einer Wagenburg-Mentalität heraus verstärken sie den Druck. „Die Teheraner Regierung treibt seit Monaten eine Repressionswelle voran, um Exempel zu statuieren“, sagt Ali Fathollah-Nejad, Iran-Experte an der Universität Tübingen.

„Damit will man die Leute davon abhalten, wieder auf die Straße zu gehen, und gleichzeitig zeigen, dass man keine Angst hat, auch Prominente zu exekutieren.“ Wenn bekannte Aktivisten wie Sotoudeh hart angegangen würden, sei das auch „ein Signal an andere Leute, dass sie sich nicht engagieren sollten“.

Nasrin Sotoudeh kämpft als Anwältin für Frauenrechte im Iran - seit Jahren wird sie im Gefängnis festgehalten.
Nasrin Sotoudeh kämpft als Anwältin für Frauenrechte im Iran - seit Jahren wird sie im Gefängnis festgehalten.

© Katerina Sulova/imago

Diese Einschätzung teilt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. „Die Mullahs sind gnadenlos. Die Erzkonservativen haben das Sagen – und unterdrücken mit eiserner Knute jede Form von Opposition“, sagt Deutschland-Direktor Wenzel Michalski.

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Den harten Kurs führt er unter anderem auf die desaströse wirtschaftliche Lage und einen politischen Richtungsstreit zurück: „Die alte Garde der Hardliner versucht, sich an der Macht zu halten. Und das tut sie, indem sie noch schärfer als bisher gegen Menschen vorgeht, die für Freiheit und Demokratie eintreten.“

Wer eine abweichende Meinung äußert, werde mit aller Härte bestraft. Dazu gehörten vorfabrizierte Urteile und extrem lange Gefängnisstrafen. Lässt sich so die Wut der Iraner eindämmen? Michalski glaubt das nicht. „Wenn die Not im Land weiter wächst, werden sich die Proteste der Bevölkerung nicht unterdrücken lassen. Die Menschen werden mit dem Mut der Verzweiflung auf die Straße gehen, ungeachtet aller Gefahren.“

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Die Folgen für Teherans Führung

Die US-Regierung hat in der Nacht zum Freitag neue Sanktionen gegen eine Reihe iranischer Behördenvertreter verhängt. Darunter ist Richter Seyyed Mahmoud Sadati, der vermutlich am Todesurteil gegen den Ringer Afkari beteiligt war.

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Die britische Zeitung „Guardian“ berichtete jüngst, Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollten die iranischen Botschafter in ihren Ländern einbestellen, um gegen den Umgang mit Oppositionellen zu protestieren. Dabei dürfte auch die Enttäuschung der Europäer zum Ausdruck kommen. Denn sie haben sich immer wieder für den von Amerika aufgekündigten Atomvertrag mit der Islamischen Republik stark gemacht.

Die Haltung der Europäer

Dass das Regime in Teheran trotzdem immer rücksichtsloser gegen Andersdenkende vorgeht, dürfte als Affront empfunden werden. Doch nach Ansicht des Deutschland-Chefs von Human Rights Watch folgt aus dem Unmut noch zu wenig. „Die Bundesregierung muss sich mehr für die Einhaltung der Menschenrechte im Iran einsetzen. Das tut sie bislang viel zu zaghaft. Es passiert zu wenig“, sagt Wenzel Michalski.

Das sieht Iran-Kenner Fathollah-Nejad ganz ähnlich. Die deutsche und die europäische Politik hätten die Repression im Gottesstaat lange Zeit nur zurückhaltend kommentiert – was vom Regime als Ermunterung aufgefasst worden sei. Das beginne sich nun aber zu ändern. Insofern werde sich das Vorgehen der iranischen Behörden gegen Regierungsgegner möglicherweise auch schon bald auf die Politik Europas gegenüber Teheran auswirken.

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