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Manchmal reicht das Geld im Alter nicht.

© dpa

Renteneinheit in West und Ost: Mehr kann auch weniger sein

Die Rentenangleichung hat auch Nachteile für den Osten – und ist dennoch richtig. Rosinenpickerei darf es im Rentenrecht nicht geben. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Rainer Woratschka

Was haben sie gedrängelt, die Linkspartei und auch die Ost-Ministerpräsidenten aus den bürgerlichen Parteien. Es könne doch nicht sein, dass die versprochene „Renteneinheit“ ein ums andere Mal auf die lange Bank geschoben werde, dass die Rentner im Osten so lange nach der Wiedervereinigung noch immer schlechtergestellt seien als die im Westen.

Nun scheinen die Regierenden im Bund tatsächlich Ernst machen zu wollen mit dem Kraftakt der Rentenangleichung. Sozialministerin Andrea Nahles hat angekündigt, dass sie die Ungleichbehandlung bis 2020 beseitigt haben will. Und plötzlich gehen diejenigen, die dafür so vehement getrommelt und es noch viel flotter haben wollten, auf die Bremse. Denn die angekündigte Aufstockung der Ostrenten hat natürlich ihren Preis.

Für Ost-Beschäftigte sinkt nun der spätere Rentenanspruch

Im Gegenzug wäre es dann nämlich vorbei mit dem großzügigen Ausgleich für das geringere Lohnniveau im Osten. Und siehe da: Plötzlich realisieren sogar diejenigen, die beständig über Benachteiligung klagten, dass der Nachteil eines niedrigeren Rentenwerts durch die Höherwertung der Ostlöhne mehr als wettgemacht wird. Der Rentenanspruch von Beschäftigten in den neuen Ländern ist dadurch bei gleichem Einkommen um acht Prozent höher als im Westen.

Der zu erwartenden Dankbarkeit von vier Millionen Rentnern steht also der Ärger von sechs Millionen Arbeitnehmern gegenüber. Ist das dann die Anstrengung überhaupt noch wert? Zumal auch die Westrentner bei jeder der zusätzlich geplanten Rentenerhöhungen für die Ostrentner aufschreien werden. Schließlich sind die Durchschnittsrenten in Ostdeutschland schon jetzt weit höher als im Westen, vor allem bei den Frauen.

Nahles ist bei alledem fein raus

Nein, jetzt bloß kein Rückzieher. Die Systemvereinheitlichung ist überfällig, sie muss nun wirklich mal zu Ende gebracht werden. Und vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, dass sich daraus wegen der komplexen Materie kein billiger Wahlkampfschlager machen lässt. Die SPD scheint das zeitweise im Auge gehabt zu haben, die Linkspartei mit ihrer Verankerung im Osten ohnehin. Doch was sollen sie jetzt auf ihre Plakate schreiben? „Die Renteneinheit kostet“? „Mehr kann auch weniger sein“?

Nahles ist bei alledem fein raus. Sie hat ihre Hausaufgaben gemacht. Nun liegt der Ball bei den Ost-Regierungschefs, die ihren Wählern die geforderte Renteneinheit gefälligst zuzumuten haben. Beim Finanzminister, der das Geld dafür lockermachen muss und die Kosten nicht wieder nur den Beitragszahlern aufladen kann. Bei der Kanzlerin, die das Projekt auch gegen widerständige Parteifreunde im Osten durchzuziehen hat.

Auch im Westen gibt es regionale Lohnunterschiede

Und die eines klarmachen muss: Rosinenpickerei darf es im Rentenrecht nicht geben. Wer Benachteiligung beseitigt haben will, muss auch Bevorzugung drangeben. Die Ostrenten auf Westniveau zu erhöhen und gleichzeitig die Höherbewertung der Ostlöhne beizubehalten, geht nicht. Sonst muss man die Populisten der neuen Länder mal dran erinnern, dass es auch zwischen westdeutschen Regionen erhebliche Lohnunterschiede gibt.

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