zum Hauptinhalt
Baldiges Wiedersehen: Zuletzt trafen sich Justin Trudeau und Olaf Scholz (hier mit Ehefrau Britta Ernst) im Juni beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau.

© Philipp von Ditfurth/dpa

Kanzlerreise nach Kanada: Mehr Energie in die Partnerschaft

Flüssiggas und seltene Mineralien: Bei der Reise von Kanzler Olaf Scholz nach Kanada geht es um Rohstofflieferungen.

Waren deutsche Kanzler- oder Kanzlerinnenbesuche in Kanada in der Vergangenheit meist Wohlfühlveranstaltungen zur Stärkung der vielbeschworenen Wertegemeinschaft zwischen beiden Ländern, so sieht das jetzt anders aus. Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck sehen das rohstoff- und energiereiche Land langfristig als wichtigen Partner in der Energie- und Klimapolitik. Der Ausbau der Kooperation in der Wasserstoffwirtschaft, bei Flüssiggas und kritischen Mineralien und Metallen stehen im Mittelpunkt der Gespräche mit Premierminister Justin Trudeau sowie mit Wirtschaftsverbänden und Forschungsinstituten.

„Diese Reise insgesamt macht unsere Nähe zu Kanada deutlich“, sagt der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die deutsche Delegation, zu der auch Wirtschaftsvertretreter gehören, wird am Sonntagabend in Montreal eintreffen. Kanadas Regierungschef Trudeau wird seinen deutschen Kollegen auf der zweitägigen Reise begleiten. Auf dem Programm in Montreal und Toronto stehen Treffen mit kanadischen Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern, ein Besuch bei einem Institut für Künstliche Intelligenz und eine Rede des Kanzlers auf einer deutsch-kanadischen Wirtschaftskonferenz. In Neufundland soll ein Wasserstoffabkommen zwischen Deutschland und Kanada unterzeichnet werden.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Ukraine-Krieg und die Drosselung der Erdgaslieferungen aus Russland hat Energiesicherheit zu einem Top-Thema der bilateralen Beziehungen gemacht. Auch in Kanada wird die Debatte geführt, wie Europa bei seinen Bemühungen geholfen werden kann, die Abhängigkeit von russischem Quellen zu beenden. Darüber haben Kanzler Scholz und Premierminister Trudeau jüngst auf dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Deutschland gesprochen. Dass Kanada die Auslieferung einer Gasturbine für die Nord Stream 1 Pipeline gestattete, die in Montreal in einem Siemens-Werk gewartet wurde, hatte Scholz begrüßt. Im eigenen Land erntete Trudeau für diese Entscheidung, mit der Kanada seine Sanktionen gegen Russland unterlief, deutliche Kritik.

Indirekt unterstützt Kanada die Europäer bereits

Eine kurzfristige Energie-Hilfe aus Kanada ist allerdings nicht in Sicht. Mit seinen gewaltigen Erdgasressourcen, die die Canadian Gas Association mit 39 Billionen Kubikmeter angibt, und einer jährlichen Förderung von 170 Milliarden Kubikmeter, ist Kanada zwar einer der größten Erdgasförderer. Aber nur an der Westküste steht ein Terminal für Exporte nach Asien vor der Fertigstellung. An seiner Ostküste hat Kanada keine Terminals, um von dort Flüssigerdgas (LNG) nach Europa zu exportieren. Ein Terminal des spanischen Konzerns Repsol in Saint John in New Brunswick kann bisher nur für Importe genutzt werden. Allerdings wird überlegt, das Terminal in Saint John umzurüsten, um es auch für Exporte nutzen zu können. Dafür müssen aber zunächst Machbarkeitsstudien erstellt und die Genehmigungsprozesse nach dem kanadischen Recht durchlaufen werden, hinzu kommen fehlende Pipelines. Somit kann Saint John allenfalls mittelfristig helfen.

Doch indirekt unterstützt Kanada die Europäern bereits. Kanada exportiert Erdgas in die USA, die wiederum ihre Exporte nach Europa erheblich gesteigert haben. Jede kanadische Gaslieferung auf die globalen Märkte helfe, die Lage auf dem Energiesektor zu entspannen, sagt Timothy Egan, Präsident der Canadian Gas Association. Das könne auch durch verstärkte Gaslieferungen in die USA geschehen, was die USA in die Lage versetze, mehr nach Europa zu senden. Egan weiß, dass Deutschland Flüssigerdgas nur für eine Übergangszeit einsetzen will und langfristig auf Wasserstoff als Energieträger setzt. Aber er glaubt nicht, dass dies ein Hindernis für Investitionen in LNG-Terminals an Kanadas Ostküste ist. „Selbst wenn es nur für 20 Jahre sein sollte, hat dieses Projekt einen Sinn“, sagt Egan. Auch wenn Deutschland den Ausstieg aus fossilen Energieträgern im geplanten Zeitraum schaffe, gebe es andere europäische Länder, die dieses Ziel nicht hätten. Deshalb sei es für Kanada interessant, Exportmöglichkeiten auch an der Ostküste zu haben. Wichtig sei aber ein „klares politisches Bekenntnis“ beider Seiten zur Energiekooperation und zum LNG-Export nach Europa. Der Kanzlerbesuch sei ein positives Zeichen, dass Kanada nun auch für die Europäer ein wichtiger Partner in der Energiepolitik sei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false