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"Berlin braucht die AfD wie die Mauer - jetzt-afd-stoppen.de" steht in Berlin auf einem Schild, das Spitzenkandidatin Antje Kapek von den Grünen bei einem Pressetermin an einem Laternenmast befestigt hat.

© dpa

Matthies meint: Wieder mal ein Sieg für die Grünen

Kein Mensch liest Parteiprogramme. Deshalb ist es ein besonderes Vergnügen, dass sich nun Wissenschaftler mit den Berliner Programmen beschäftigt haben. Fragestellung: Versteht die überhaupt jemand? Eine Glosse.

Das Parteiprogramm ist der Fliegende Holländer der Politik. Immer kurz vor einer Wahl tritt es aus dem Nebel heraus, wird heftig debattiert, geändert, mit Formelkompromissen verwässert – und dann ist es wieder weg. Interessiert auch niemanden mehr. Denn entweder landet die betreffende Partei in der Opposition, dann kann sie ihr Programm nicht umsetzen, oder sie geht eine Koalition ein, in der bekanntlich noch nie eine Partei ein Programm umgesetzt hat.

Das Ergebnis? Kein Mensch, penible Leitartikler und Politik-Doktoranden mal ausgenommen, liest Parteiprogramme überhaupt noch. Deshalb ist es ein besonderes Vergnügen, dass Kommunikationswissenschaftler der Uni Hohenheim sich jetzt systematisch über die Programme der großen Parteien zur Berliner Abgeordnetenhauswahl gebeugt haben. Fragestellung: Versteht die überhaupt jemand?

Kein Wunder: nein. Auch die Wissenschaftler haben nicht selbst versucht, diese Programme zu verstehen, sondern eine Verständlichkeits-Software vorgeschaltet. Die reagiert allergisch auf Bandwurm- und Schachtelsätze, Fach- und Fremdwörter sowie akute Anfälle von Denglish. Ergebnis: Durchschnittlich 8,6 von 20 möglichen Punkten und ein Sieg für die Grünen mit 10,6 – das reicht knapp an typische Zeitungsbeiträge zu Politik-Themen heran.

In den Berliner Programmen findet sich entfesselte Bürokratie

Was steht alles drin in den Berliner Programmen? Entfesselte Bürokratie, gemischt mit Fachchinesisch. „Chilling effects“, „Gehwegvorstreckungen“ und „Cross Clustering“ erwecken den Verdacht, dass die jeweiligen Fachreferenten den ihnen zugewiesenen Freiraum einfach zugemüllt haben – um so leichter wird es dann vom Parteitag durchgewinkt.

Manche Begriffe lassen die Partei grell durchscheinen: „Deep Packet Inspection“ stammt von den Piraten und macht klar, warum Computer-Nerds keine Parteien gründen sollten. Andere lassen zumindest einen Rückschluss darauf zu, von welcher Partei sie nicht sind: Eher taucht ein Schweinekotelett in der Moschee auf als der Begriff „Gender Budgeting“ im Programm der AfD.

Die verständlichsten Programme gab es 2012 in NRW, die unverständlichsten 2014 in Sachsen, Berlin liegt aktuell irgendwo dazwischen. Was bedeutet das für das Wahlergebnis? Die Hohenheimer schweigen. Aber generell wird man wohl sagen dürfen, dass die Ergebnisse ziemlich genauso unverständlich sind wie die Programme der jeweils antretenden Parteien.

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