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Kanzlerkandidat Armin Laschet nach der Sitzung des CDU-Präsidiums

© Michael Kappeler/dpa

Mangelnder Zusammenhalt in der Union: Laschet muss die Folgen des Unbesiegbarkeitswahns ausbaden

Laschet badet die Folgen jahrelanger Konflikte in seiner Partei aus. Nur wenn sich die Union als Mannschaft begreift, hat er eine Chance. Ein Kommentar.

Von Robert Birnbaum

Wer im Wahlkampf hinten liegt, bemüht gerne Fußballbilder. Da werden Kandidat oder Kandidatin zum Stürmen ermuntert, die Aufholjagd beschworen oder das Mannschaftsspiel betont.

Im letzten Punkt immerhin stimmt der Vergleich. Wenn die Mannschaft nicht mitzieht, hetzt sich der Stürmer vergebens, und der geborene Mittelfeld-Spieler steht sowieso einsam auf verlorenem Posten.

Simple Wahrheiten eigentlich. Bei der Union waren sie trotzdem lange vergessen. Dabei ist das Mannschaftsspiel das einzige, was CDU und CSU den Pokal retten kann. Denn Armin Laschet allein kann es nicht.

Das ist für beide Parteien ungewohnt, weil sie sich lange zurückgelehnt und auf ihre Spitzenleute vertraut haben. Dass die Kanzlerin selbst nach dem Flüchtlingsstreit die Wahl gewann, hat in der CDU – allen Niederlagen in Ländern zum Trotz – eine Art Unbesiegbarkeitswahn ausgelöst: Vorne liegen wir sowieso. Man hat sich wenig mit den politischen Konkurrenten beschäftigt, dafür viel mit Stellungskriegen im eigenen Lager.

Jetzt wundern sich die gleichen Leute, die Merkel „Sozialdemokratisierung“ der CDU vorgeworfen haben, dass ein Teil der Merkel-Wähler kein Problem mit einem Sozialdemokraten hat – erst recht nicht, wenn der wie Olaf Scholz auf Merkel macht. Laschet, als Vorsitzender wie als Kanzlerkandidat selbst ein Produkt der Spaltung seiner Partei, badet die Folgen jahrelanger Konflikte aus.

Auflösen kann die niemand in den gerade mal vier Wochen bis zur Wahl. Aber die SPD – bekanntlich auch kein Hort der Eintracht – macht vor, wie man sie in den Hintergrund drängt.

Dort bleiben sie, solange Scholz die Partei in den Umfragen mitzieht. Laschet muss auf den gegenteiligen Effekt hoffen: dass die Wähler am Ende die Person akzeptieren, weil sie ihre Entscheidung auch an Programm, Partei und Koalitionen ausrichten.

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Das erste Triell war dabei für Laschet – übrigens genau wie für Annalena Baerbock – hilfreicher, als die Blitzumfrage danach vermuten lässt.

Solche Events bringen keine radikalen Trendwenden. Wer Scholz staatsmännischer findet als die anderen beiden, wird dabei bleiben.

Trotzdem bot der Auftritt dem Christdemokraten wie der Grünen die Gelegenheit, sich ein Stück vom Image der Versager zu lösen.

Wenn Markus Söder sein Ego zügelt – dann hat Laschet eine Chance

Laschet wie Baerbock haben Punkte gesetzt, die in ihrer eigenen Anhängerschaft zählen. Beide haben ihren Truppen Gründe geliefert, sich nicht mehr nur peinlich berührt abzuwenden. Die plötzlichen Lobgesänge auf Laschet im eigenen Parteipräsidium mögen bemüht wirken. Sie mögen sogar von Verzweiflung getrieben sein. Die sozialdemokratische Scholzomanie ist ebenfalls nicht ganz echt. Trotzdem wirkt sie.

Wenn die CDU sich jetzt als Mannschaft im Dienst ihres Anführers begreift statt als unbeteiligte Kritiker und Ratschläger, und wenn Markus Söder sein Ego zügelt – dann hat ihr Kandidat eine Chance.

Er muss dafür nicht mal ein spektakuläres Tor schießen. Bei unübersichtlichen Mehrheitsverhältnissen bedeutet ein Unentschieden, ja selbst ein kleiner Rückstand nicht das Aus fürs Kanzleramt.

Wie dieses Land regiert wird, darüber entscheidet nach dem 26. September absehbar nicht eine Person. Die Kanzlerfrage wird eine Bündnisfrage. Da ist vieles möglich: Wer mit wem, zu welchen Bedingungen? Auch deshalb lohnt ein Blick hinter die Kandidaten – auf Programme, auf die Mannschaft, kurz: auf Politik.

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