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Emmanuel Macron bei seiner Fernsehansprache am 22. Juni 2022.

© Ludovic MARIN / AFP

„Lernen, anders zu regieren“: Macron ruft alle Parteien zur Kompromissbereitschaft auf

Der französische Präsident hat in seiner ersten Rede nach den Parlamentswahlen Offenheit signalisiert. Zudem nahm Macron die Opposition in die Verantwortung.

Mit Spannung war seine Rede erwartet worden. Am Mittwochabend hat sich Emmanuel Macron mit einer achtminütigen Ansprache zum ersten Mal an die Französinnen und Franzosen gewandt, nachdem seine Parteienallianz bei den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verloren hatte. Der französische Präsident sagte, es gebe angesichts des Ergebnisses die Notwendigkeit „zu lernen, anders zu regieren und Gesetze zu erlassen“.

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Wie in den meisten westlichen Demokratien, „etwa in Deutschland oder Italien“, könne in Frankreich nun keine politische Kraft allein Gesetze verabschieden, sagte der Präsident. Er rief angesichts des Ergebnisses alle im Parlament vertretenen Parteien zur Kompromissbereitschaft auf.

„Es wird notwendig sein, Kompromisse, Verbesserungen und Änderungen zu erarbeiten, aber dies muss in völliger Transparenz geschehen“, sagte Macron. Der Willen zur Einheit und zum Handeln für die Nation betreffe alle politischen Kräfte.

Der Präsident machte deutlich, dass er Gesetzesvorhaben und Reformen mit der Opposition umsetzen wolle. Es sei möglich „eine breitere und klarere Mehrheit zum Handeln zu finden“, sagte er. Bei den Vertretern aller ins Parlament gewählten Parteien habe er eine Verantwortung wahrgenommen und den Wunsch, eine Blockade des Landes zu verhindern.

Macron und seine Parteienallianz „Ensemble“ hatte bei den Parlamentswahlen, die am 12. und 19. Juni stattfanden, nur eine relative Mehrheit erhalten. Eine solche politische Konstellation ist in Frankreich bislang unüblich, in den vergangenen Legislaturperioden gab es immer klare Mehrheitsverhältnisse.

Macron bedauert hohen Anteil an Nichtwählern

In seiner Rede am Mittwochabend nahm Macron die Oppositionsparteien in die Verantwortung. Diese forderte er dazu auf, in den nächsten Tagen zu klären, welche Form der Zusammenarbeit für sie möglich wäre.

Macron hatte sich am Dienstag und Mittwoch mit den Führungspersönlichkeiten aller im Parlament vertretenen Parteien getroffen. Dabei wurde auch die Möglichkeiten einer parteiübergreifenden „Regierung der nationalen Einheit“ ausgelotet. Diese hätten die meisten anderen Parteien jedoch abgelehnt – und auch er halte sie „nicht für gerechtfertigt“, sagte Macron am Mittwochabend.

Der Präsident bedauerte in seiner Ansprache den hohen Anteil an Nichtwählern. Nur weniger als jeder zweite Wahlberechtigte hatte an den Abstimmungen zum Parlament teilgenommen. Macron erinnerte zugleich daran, dass Frankreich mit seiner Wiederwahl im April ein klares Projekt gewählt habe. Dessen Umsetzung wolle er weiter verfolgen, das Land habe nach wie vor Reformen dringend nötig.

Einigt sich Macron mit den konservativen „Républicains“?

Macron befindet sich nach den Parlamentswahlen in einer schwierigen Lage. Um sie zu überwinden, sind derzeit vor allem zwei Optionen im Gespräch, die der Präsident am Mittwochabend auch benannte: „Ein Koalitionsvertrag oder wechselnde Mehrheiten.“

Macrons Parteienallianz könnte sich mit einer anderen politischen Kraft verbinden, um eine absolute Mehrheit zu erhalten. Eine solche Einigung scheint am ehesten möglich mit den konservativen „Républicains“. Diese haben in den vergangenen Tagen allerdings ihre Ablehnung eines solchen Regierungsbündnisses bekräftigt. Eine weitere Option für Macron und seine Regierung ist es, je nach Gesetz nach Mehrheiten zu suchen.

In seiner Rede sagte Macron, er sehe es als seine Verantwortung, die von den Wählerinnen und Wählern getroffenen Entscheidungen umzusetzen und Antworten zu finden, „die mehr auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten sind“.

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