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Gastgeschenk: Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht US-Präsident Donald Trump eine historische Karte von Rheinland-Pfalz. Von dort wanderte sein Großvater in die USA aus.

© Steffen Kugler/BPAREUTERS

Macron, Merkel, Trump: Herzlich, aber hart

Die Lehre aus dem Doppelbesuch Macron-Merkel in Washington: Trump tut, was er angekündigt hat. Und das mit Erfolg. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Woche war ein offener Feldversuch, ob Europas führende Politiker bei US-Präsident Donald Trump etwas erreichen können – und, wenn ja, mit welcher Methode. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat es mit einer Umarmungsstrategie versucht, mit Lobeshymnen und Männerfreundschaft. Die Bundeskanzlerin ist bei ihrer nüchternen Methode geblieben, die Charakter, Fakten und Interessen in Rechnung stellt.

Der Ertrag der europäischen Intervention ist bescheiden

Nachdem beide aus Washington abgereist sind, ist der Ertrag bescheiden. Trump hat weder Merkel noch Macron Zugeständnisse gemacht, jedenfalls nicht öffentlich. Und soweit man Inoffizielles aus den gerne zitierten „gut unterrichteten Kreisen“ erfährt, hat er auch im vertraulichen Gespräch keine konkreten Hoffnungen auf einen Sinneswandel bei den beiden herausragenden Themen gemacht. Bis zum 1. Mai wird der US-Präsident beschließen, ob er die Europäische Union weiter von den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium ausnimmt oder einen atlantischen Handelsstreit mit dem Risiko der Eskalation auslöst. Und bis zum 12. Mai entscheidet er, ob der Atomdeal mit dem Iran Bestand hat oder er die Vereinbarung aufkündigt – was die Gefahr mit sich bringt, dass der Iran sein Atomwaffenprogramm wieder aufnimmt und es über kurz oder lang zu einem Wettrüsten zwischen dem Iran und Saudi Arabien kommt sowie einem offenen Konflikt zwischen Israel und dem Iran.

Wenn nach dieser Woche abgestimmter deutsch-französischer Trump-Diplomatie kein zählbarer Ertrag bleibt, heißt das freilich nicht, dass die Besuche erfolglos waren. Irgendetwas bleibt ja wohl hängen, wenn man miteinander redet. Was diese Einflussnahmen in der Summe bewirken, lässt sich schwer prognostizieren. Trump war nicht taub für die Argumente Macrons und Merkels, das konnte man schon an der Körpersprache ablesen. Für Macron hatte der US-Präsident ein besonders offenes Ohr. Er betrachtet ihn quasi als Ziehsohn. Beide sind als Außenseiter in ihre Wahlkämpfe gestartet und haben sich gegen die Favoriten durchgesetzt.

Trump zeigt mehr Respekt für Merkel als vor einem Jahr

Diesmal zeigte Trump auch mehr Respekt für Merkel als vor einem Jahr. Dass sie zum vierten Mal die Wahl gewonnen hat, imponiert ihm. Er wandte sich ihr zu, schien geradezu bemüht, nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, er behandle sie bei ihrem nur dreistündigen Arbeitsbesuch im Weißen Haus mit weniger Ehrerbietung als Macron bei dessen dreitägigem Staatsbesuch. Er begrüßte Merkel mit Wangenküsschen, hielt ihre Hand auf dem Weg ins Oval Office, suchte die Gelegenheit zum Handschlag. Und er kanzelte sie nicht ab, wie manche befürchtet hatten, weil Deutschland die Nato-Verpflichtung, zwei Prozent der Wirtschaftskraft für Verteidigung auszugeben, nicht erfüllt und die bei den Partnern unbeliebte Gas-Pipeline Nord Stream 2 mit den Russen bauen möchte.

Man darf also fast sagen: Die Begegnung war in der Form herzlich. Aber in der Sache hart. Am Ende, und das akzeptiert die Kanzlerin mit ihrer zwölfjährigen Erfahrung auf der internationalen Bühne womöglich eher als der Newcomer aus Paris, bleibt Trump eben Trump. Schon die Erwartung, da müssten nur Macron und Merkel kommen und diesem unkonventionellen – und, wie viele meinen: uninformierten - Präsidenten ins Gewissen reden, dann werde er sich schon bewegen, ist im Grunde vermessen. Die Lebenserfahrung lehrt: 71-Jährige ändern nicht mehr so leicht ihre Meinung.

Trump bleibt Trump

Trump ist überzeugt, dass er sich auf sein Bauchgefühl mehr verlassen dürfe als auf die traditionellen Sichtweisen der Experten. Seine Vorgänger hätten die nationalen Interessen vernachlässigt und den Einfluss Amerikas zu bereitwillig als öffentliches Gut zur Verfügung gestellt. Deshalb seien die USA in vielen Belangen über den Tisch gezogen worden. Er beharrt mehr, als die Welt es gewohnt ist, auf US-Interessen. Bisher setzt er sich damit in der Regel durch.

Der Atomkonflikt mit Nordkorea entartete zwischenzeitlich zu einem Wettstreit der Beleidigungen. Nun wurde daraus eine Chance für die Diplomatie, wie es sie seit vielen Jahren nicht gegeben hat. Trumps Drohungen gegen China beunruhigten – bis sich herausstellte, dass China unter dem Druck nachgibt. Auch die Drohungen der Europäer, auf seine Strafzölle mit Gegenzöllen zu reagieren, darf Trump gelassen hinnehmen. Die EU mag den Mund spitzen, am Ende werden die 28 Mitgliedsstaaten nicht geschlossen den Konflikt wagen.

Merkel gibt unumwunden zu: Amerika entscheidet

Die Woche hat nicht gelehrt, ob Macrons Umarmung oder Merkels nüchterner Realismus die bessere Strategie für den Umgang mit Trump ist. Sie hat gezeigt, dass man Trump besser nicht unterschätzt und davon ausgehen sollte, dass er seine Wahlkampfversprechen umsetzt. Merkel sprach es in der Pressekonferenz offen aus, als sie gefragt wurde, was nun mit den Strafzöllen und dem Iran-Deal geschehe: „Amerika entscheidet.“ Wer das ändern will, muss erst einmal dafür sorgen, dass Europa sein ökonomisches Potenzial in reale Macht umwandelt. Die Beschwerde, dass Amerika so viel Einfluss hat und die EU zu wenig, hat wenig Gewicht.

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.

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