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Papst Franziskus (rechts) steht bei einer Audienz in Deutschland neben Reinhard Marx (links) .

© dpa/Vatikan

„Mach weiter“: Warum Papst Franziskus den Rücktritt von Kardinal Marx ablehnt

Eigentlich wollte der Münchener Erzbischof Reinhard Marx von seinem Amt zurücktreten. Der Papst hat jedoch andere Pläne für ihn.

Reinhard Kardinal Marx darf im Amt bleiben. Knapp eine Woche nachdem der Münchener Erzbischof und frühere Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz bekannt gegeben hatte, dass er bereits im Mai dem katholischen Kirchenoberhaupt seinen Rücktritt angeboten hatte, kam am Donnerstag Post aus Rom: „Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising.“ 

Marx hatte in seinem Rücktrittsgesuch erklärt, er wolle sich in den nächsten Jahren vor allem der Seelsorge und der Erneuerung der Kirche widmen. Das Antwortschreiben des Papstes ist im Original in spanischer Sprache verfasst. Dazu gibt es die eine oder andere sehr argentinisch klingende Formulierung: So spricht Franziskus an einer Stelle davon, dass gute Vorsätze nichts brächten, wenn man nicht parallel „das Fleisch auf den Grill“ lege. Das deutet darauf hin, dass das Schreiben von Franziskus selbst und nicht von einem Referenten stammt.

Das ist bemerkenswert, denn der Papst findet recht deutliche Worte zur Situation der katholischen Kirche: „Die gesamte Kirche ist in der Krise wegen des Missbrauchs; ja mehr noch, die Kirche kann jetzt keinen Schritt nach vorn tun, ohne diese Krise anzunehmen“, heißt es in dem Text. „Die Vogel-Strauß-Politik hilft nicht weiter.“ Die Kirche müsse für die Geschichte des Missbrauchs Verantwortung übernehmen. „Angesichts dieses Verbrechens können wir nicht gleichgültig bleiben“, schreibt Franziskus. 

Deutlich wird in dem Schreiben, dass Franziskus Marx vor allem als Kirchenreformer halten will. „Die Reform in der Kirche haben Männer und Frauen bewirkt, die keine Angst hatten, sich der Krise auszusetzen und sich selbst vom Herrn reformieren zu lassen“, schreibt Franziskus. „Das ist der einzige Weg; andernfalls wären wir nur Ideologen der Reformen, ohne das eigene Fleisch aufs Spiel zu setzen.“ Damit stützt der Papst ziemlich offensichtlich die von Marx maßgeblich angestoßenen Reformbemühungen der Kirche, etwa den Synodalen Weg. 

„Für den Kölner Kardinal Woelki ist das Schreiben dagegen eine Ohrfeige“, sagt der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller dieser Zeitung. Denn der Papst erwartet nicht nur das „demütige Bekenntnis: Wir haben gesündigt, ich habe gesündigt.“

Missbrauchsbetroffene kritisieren Entscheidung des Papstes

Er bezieht auch Stellung zum Umgang mit Missbrauchsgutachten und der Rolle der Institutionen. „Es sind nicht die Untersuchungen, die uns retten werden, und auch nicht die Macht der Institutionen“, schreibt der Papst.  Woelki allerdings hatte sich in den letzten Wochen immer wieder auf das Gutachten der Kanzlei Gehrke berufen, das ihn von persönlicher Schuld bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs weitgehend freispricht. 

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In einer ersten Reaktion begrüßte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Ablehnung des Rücktritts. Bischof Bätzing sei „erleichtert“ und begrüße die Fortsetzung der Zusammenarbeit, teilte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, mit. Ganz anders reagierten Vertreter der Missbrauchsbetroffenen in der katholischen Kirche. „Mit seiner Entscheidung, den Rücktritt nicht anzunehmen, nimmt Franziskus dem Rücktrittsangebot von Kardinal Marx die Wucht“, sagte Matthias Katsch, Sprecher des Eckigen Tischs, der die Missbrauchsbetroffenen an den Jesuitenschulen vertritt. 

„Marx zielte mit seiner Erklärung auf die Verantwortung aller Bischöfe, auch die des Bischofs von Rom, für das System aus Missbrauch und Vertuschung, das die Katholische Kirche weltweit prägt.“ Der Papst habe das einfach wegmoderiert und damit auch sein eigenes Amt entlastet. „Von dem radikalen Neuanfang ist jetzt jedenfalls wenig geblieben.“

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