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Christian Lindner FDP, Bundesminister der Finanzen, bei der Pressekonferenz zur Steuerschätzung in Bonn am 27.10.2022.

© IMAGO/Ute Grabowsky/photothek.de

Lindner zwischen Bangen und Hoffen: Gelingt der volle Inflationsausgleich?

Der Bundesfinanzminister will Kaufkraftverluste durch die Inflation bei der Einkommensteuer berücksichtigen. Wie weit sein Vorhaben gelingt, ist unsicher.

Christian Lindner will Wort halten. Im kommenden Jahr soll nicht nur die Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Es soll auch einen vollen Inflationsausgleich bei der Einkommensteuer geben. An diesem Mittwoch ist eine Grundlage für die Berechnung dieses Ausgleichs im Kabinett. Im so genannten Progressionsbericht wird geschätzt, wie hoch der Kaufkraftverlust der Steuerzahler in diesem und im kommenden Jahr sein könnte.

Auf der Basis wird dann der Einkommensteuertarif angepasst, um die „kalte Progression“ entweder ganz auszugleichen oder zumindest abzumildern. Dieses Phänomen entsteht dann, wenn gar keine Gehaltserhöhungen erfolgen oder nur in einer Höhe, die den inflationsbedingten Kaufkraftverlust nicht genügend ausgleicht. In diesen Fällen werden Steuerzahler faktisch höher besteuert, obwohl ihre Leistungsfähigkeit – gemessen in Kaufkraft – mehr oder weniger deutlich sinkt.

Im neuen Progressionsbericht, den das Bundesfinanzministerium erstellt, wird für 2022 eine Inflationsrate von 7,2 Prozent angenommen. Im kommenden Jahr soll sie demnach bei 6,3 Prozent liegen. Die durchschnittliche Steigerung der Einkommen kompensiert das nicht. Für das laufende Jahr werden Lohnerhöhungen von 4,5 Prozent geschätzt, 2023 sollen sie bei fünf Prozent liegen.

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Es geht um die „kalte Progression“

Insgesamt ergibt sich nach dem Bericht eine „kalte Progression“ in Höhe von 20,4 Milliarden Euro in diesem Jahr und von 21 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Sollte Lindner seinen gewünschten Vollausgleich durchsetzen, dann wäre das die Summe, die Bund, Länder und Kommunen als Einnahmeminus einkalkulieren müssten.

Für die Steuerzahler bedeutet das, dass sie im Schnitt mit 1265 Euro betroffen sind – so viel nähme ihnen das Phänomen der „kalten Progression“, gäbe es keinen Inflationsausgleich. Ein kleiner Ausgleich ist schon erfolgt durch die Entlastungspakete der Bundesregierung, unter anderem dadurch, dass der steuerfreie Grundfreibetrag rückwirkend zum 1. Januar 2021 erhöht worden ist. Der soll nun nach den Plänen im Finanzministerium weiter deutlich steigen – von aktuell 10347 Euro auf 11604 Euro im Jahr 2024.

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Auch das zu versteuernde Einkommen, von dem an der Spitzensteuersatz gilt, erhöht sich. Derzeit muss für jedes Einkommen, das über 58.597 Euro liegt, der Spitzensteuersatz von 42 Prozent gezahlt werden. 2023 wird sich diese Steuergrenze auf 62.826 Euro erhöhen, 2024 soll sie dann bei 66.778 Euro liegen. Im Finanzministerium sieht man darin keine Entlastung, sondern bevorzugt, von einer Verhinderung einer zusätzlichen Belastung zu reden, die sich durch den Kaufkraftverlust ergibt. Und der war seit Jahrzehnten nicht mehr so hoch wie aktuell.

Die Länder reden mit

Dass Lindner sich in de Ampel-Koalition durchsetzt, ist nicht ganz sicher, aber nicht ausgeschlossen. Allerdings reden auch die Länder mit, denn sie tragen zusammen mit den Kommunen mehr als die Hälfte der Mindereinnahmen. Der Bundesrat könnte also Bedenken anmelden. Im Bundesfinanzministerium wird daher schon seit einiger Zeit darauf verwiesen, dass die Haushaltslage der Länder vergleichsweise gut ist.  In einigen Ländern habe man sogar schon Reserven angelegt, um den Inflationsausgleich zu kompensieren.

Dennoch wird Lindners Vorhaben ein Thema sein, wenn sich an diesem Mittwoch die Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinem Kabinett trifft. Im Beschlussvorschlag des Kanzleramtes bekommt der Finanzminister daher ein bisschen Schützenhilfe: „Bund und Länder gehen gemeinsam entschlossen gegen inflationsbedingte Steuererhöhungen vor“, heißt es dort. Denn neben dem Inflationsausgleich hat der Bund noch andere Maßnahmen auf den Weg gebracht, die auch die Etats der Länder belasten. So müssen sie das dritte Entlastungspaket mitfinanzieren. Es hat ein Volumen von 65 Milliarden Euro – einige Länder wollen nur ein Viertel davon übernehmen.   

Ein Streitpunkt ist auch das geplante 49-Euro-Ticket. Das unterstützen die Länder zwar, aber auch hier fordern sie mehr Geld vom Bund für die Umsetzung und den Ausbau des Nahverkehrs im ländlichen Raum, wo das Ticket im Gegensatz zu Städten und Ballungsräumen weniger attraktiv ist. 1,5 Milliarden Euro hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geboten, seine Länderkollegen verlangen noch einmal so viel. Gut möglich ist, dass es nun mehr Bundesmittel gibt, um die gestiegenen Spritkosten im Busverkehr zu kompensieren.

Hart gerungen wird auch darum, wie stark sich der Bund an den wieder steigenden Kosten vor allem für die Ukraine-Flüchtlinge beteiligt. In dem Beschlussvorschlag ist nun von jeweils 1,5 Milliarden Euro in diesem und im kommenden Jahr die Rede, die der Bund bietet. Zudem soll es von 2023 an jährlich eine neue Flüchtlingspauschale in Höhe von 1,25 Milliarden Euro aus dem Bundesetat geben, die bisherige Zahlungen ablöst. Auch hier könnte sich Lindner genötigt aber sehen, noch ein bisschen draufzulegen.

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