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Ein Kämpfer der libyschen Regierungstruppen in Misrata.

© Ayman Al-Sahili/Reuters

Leere Versprechen für Libyen: Der Berliner Friedensplan ist nach zwei Wochen schon in Gefahr

Nach der Berliner Libyen-Konferenz befeuern einige Teilnehmer nach wie vor den Bürgerkrieg. Die Deutschen planen schon die nächste Konferenz.

Keine zwei Wochen nach der Libyen-Konferenz in Berlin verlor der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen die Geduld. Er wolle seine „tiefe Wut und Enttäuschung“ über das zum Ausdruck bringen, was seit der Berliner Konferenz geschehen sei, sagte der UN-Beauftragte Ghassan Salamé. „Innerhalb und außerhalb Libyens gibt es skrupellose Akteure, die zynisch und mit einem Augenzwinkern Versuche zur Förderung des Friedens abnicken und andächtig ihre Unterstützung für die UN bekräftigen. Zugleich verdoppeln sie weiterhin ihren Einsatz für eine militärische Lösung.“

Damit wachse die Gefahr eines Konflikts großen Ausmaßes, der weiteres Leid für die Menschen in Libyen und mehr Flüchtlinge mit sich bringen würde, warnte Salamé in seiner Rede, die am vergangenen Donnerstag per Videoschaltung in die Sitzung des Weltsicherheitsrats übertragen wurde.

In Berlin hatten sich die Staaten, die in den Libyen-Krieg involviert sind, unter Vermittlung Deutschlands und der Vereinten Nationen darauf verständigt, die Konfliktparteien nicht mehr mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen und so einen Weg zum Frieden zu eröffnen.

Im Bürgerkrieg unterstützen die Türkei und Italien die Einheitsregierung in Tripolis. Auf der anderen Seite kann General Chalifa Haftar, der gegen die international anerkannte Führung kämpft, auf die Unterstützung Russlands, der Vereinigten Arabischen Emirate, Ägyptens, aber auch Frankreichs zählen.

Flugzeuge mit Waffen für Haftar

Die Staats- und Regierungschefs waren noch nicht wieder aus Deutschland abgereist, da ging es weiter wie zuvor. Die Türkei schickte syrische Kämpfer nach Libyen. Frachtflugzeuge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, wahrscheinlich mit militärischem Gerät beladen, landeten im Osten des Landes, wo Haftar seine Hochburg hat. Mit der Entsendung von Kämpfern und den Waffenlieferungen würden Geist und Buchstabe der Konferenzergebnisse verletzt, warnte Salamé.

Um eine Umsetzung der Berliner Beschlüsse zu erreichen, sollen sie in einer UN-Resolution bekräftigt werden. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) fordert, dass darin auch Sanktionen für diejenigen vorgesehen sein müssten, die das Waffenembargo verletzen. Ein solches Verbot ist keineswegs eine neue Idee: Bereits seit 2011 verhängten die UN ein Embargo – bisher wurden die Verstöße aber nicht geahndet.

Heikle Themen bei Berliner Konferenz ausgeklammert

Dieses heikle Thema wurde auf der Berliner Konferenz ausgeklammert. Über Sanktionen sei nicht gesprochen worden, sagte Kanzlerin Angela Merkel. „Wir haben aber mit allen gesprochen, dass wir jetzt sehr viel schärfer benennen werden, wenn etwas passiert – wovon ich erst einmal nicht ausgehe –, wer sich sozusagen dagegengestellt hat.“

Auch die Frage, ob eine internationale Militärmission einen noch zu schließenden Waffenstillstand absichern sollte, wurde in Berlin gar nicht erst diskutiert. Stattdessen hoben Merkel und Maas bereits sehr kleine Schritte als Erfolg hervor, wie die Tatsache, dass die libyschen Konfliktparteien Vertreter für direkte Verhandlungen benannt hatten.

Während im UN-Sicherheitsrat noch an einem Resolutionsentwurf gearbeitet wird, bereiten deutsche Diplomaten bereits die nächste Libyen-Konferenz vor. Voraussichtlich Mitte Februar werden die Außenminister der Staaten, die beim Gipfel dabei waren, in Deutschland zusammenkommen, um über die Umsetzung der Berliner Beschlüsse zu beraten. Zudem sollen auch Staaten vertreten sein, die im Kanzleramt nicht mit am Tisch saßen. Tunesien gilt als gesetzt. Geleitet wird das Treffen wieder von Deutschland und den Vereinten Nationen.

Bürgerkriegsparteien treffen sich in Genf

In Genf trafen sich am Montag erstmals Vertreter der Bürgerkriegsparteien. Das Militärkomitee, in das jede Seite fünf Teilnehmer entsenden konnte, soll unter Vermittlung der UN endlich einen Waffenstillstand aushandeln. Großer Unsicherheitsfaktor bleibt aber der abtrünnige General. In der Vergangenheit hat sich Haftar entweder geweigert, Vereinbarungen einzugehen, oder er ignorierte Abmachungen, kaum dass sie getroffen waren.

Der Berufsoffizier lässt keinen Zweifel aufkommen, worum es ihm geht: Kontrolle über das ganze Land und den Sturz der Regierung. Seinen Zielen kommt der 76-Jährige jeden Tag ein Stück näher. Die von ihm befehligte „Nationalarmee“ rückt weiter vor, beherrscht große Teile Libyens – einschließlich der wichtigen Ölquellen – und steht vor der Toren der Hauptstadt.

Die Konfliktparteien in Libyen – und ihre Einflussgebiete.
Die Konfliktparteien in Libyen – und ihre Einflussgebiete.

© Tsp/Bartel

Aus dieser Position der Stärke glaubt der General, Forderungen nach einer Feuerpause oder gar einem Rückzug ignorieren zu können. Haftar treibt vielmehr die Offensive unbeirrt voran. Zugute kommt ihm dabei, dass er Libyens besondere Verhältnisse viel besser kennt als die meisten seiner Kontrahenten. Und Haftar hat in seiner langen Karriere mehrfach bewiesen, dass er es erfolgreich versteht, auf die militärische Karte zu setzen.

Für die Menschen in Libyen hat das fatale Folgen. An den ohnehin rasch wechselnden Fronten toben Berichten zufolge überall Gefechte. Und immer häufiger werden Zivilisten Opfer von Artilleriefeuer und Raketenbeschuss. Das trifft vor allem Flüchtlinge und Migranten. Sie sind meist schutzlos den Angriffen ausgeliefert, sitzen zwischen den Konfliktparteien in der Falle. Bei Ärzte ohne Grenzen heißt es: „Flüchtlinge und Migranten sind auf sich allein gestellt, in einem Kriegsgebiet zu überleben. Sie sind dort überdies sehr gefährdet, Opfer von Menschenhandel, Gewalt, Zwangsarbeit und Ausbeutung zu werden.“

Die Hilfsorganisation fordert deshalb, jene, die sich in Lebensgefahr befinden, müssten sofort aus Libyen heraus gebracht werden – auch alle, „die willkürlich in Internierungslagern und an anderen Orten in Libyen festgehalten werden“. Nur dürfte das angesichts der eskalierenden Gewalt immer schwieriger werden.

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