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Inflation. The recession of the economy and the euro. The concept of economic stock exchange. Stacks of coins and a graph arrow pointing down.

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Deutschlands Wirtschaft wankt: Die Ampel hat den Ernst der Lage nicht verstanden

Die Winterrezession zieht sich mindestens bis in den Herbst, die Aussichten für den Rest des Jahres sind ebenso schlecht wie die Stimmung der Wirtschaftsakteure. Jetzt ist entschiedenes Handeln gefragt.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Das wirksamste Mittel gegen die Inflation ist die Rezession. Nach diesem Motto agiert die Europäische Zentralbank. An diesem Donnerstag wird die EZB voraussichtlich erneut die Zinsen anheben und dadurch ein Niveau erreichen, das es zuletzt vor 15 Jahren gab, kurz vor Beginn der Finanzkrise. Die Folgen des immer teurer werdenden Geldes sind unter anderem auf dem Bau zu sehen: Die Stimmung ist so schlecht wie zuletzt 2010. Kein Mensch baut mehr.

Deutschland steckt in der Flaute. Die Winterrezession zieht sich mindestens bis in den Herbst, die Aussichten für den Rest des Jahres sind ebenso schlecht wie die Stimmung der Wirtschaftsakteure. Die Firmen halten sich mit Investitionen zurück, weil die Finanzierung teuer und die Unsicherheit groß ist. Und die Inflation schwächt die Kaufkraft der Verbraucher, sodass der Handel pessimistisch nach vorne schaut. Hoffentlich läuft wenigstens das Weihnachtsgeschäft.

Wir hatten zehn gute Jahre

Wir sind verwöhnt. Auf die Finanzkrise folgten zehn gute Jahre bis 2019. Das Geld war billig wie nie und das Wachstum Chinas zog unsere Industrie mit; der günstige Wechselkurs erleichterte die Exporte von Autos und Maschinen und preiswerte Rohstoffe (Gas aus Russland) waren im Überfluss vorhanden. Bis zu Corona und zum Krieg. Die Politik gab unfassbar viel Geld aus, damit Lockdown und Gaskrise so schmerzlos wie möglich an den Firmen und Verbrauchern vorüberziehen.

Es hat gut funktioniert, doch jetzt sind die Kassen leer, und die Konjunktur ist gelähmt von sich selbst verstärkende Effekten: Wenn Konsum und Investition schwächeln, sinken die Steuereinnahmen, der Spielraum des Staates für konjunkturelle Impulse schrumpft.

Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas, wie nach der Ära Kohl, aber zu träge und bürokratisch nach 16 Jahren Merkel, in denen vor allem beim Klimaschutz viel zu wenig passiert ist. Ob die Ampel-Regierung daran was zu ändern vermag, ist zur Hälfte der Legislatur nicht entschieden.

Eine geldpolitische Wende ist möglich

Wirtschafts- und Finanzpolitik, Geld- und Tarifpolitik sind die bestimmenden Faktoren für den Wirtschaftsverlauf. Die rigorose Zinswende der EZB wird sich mit der fallenden Inflation in den Herbstmonaten erledigt haben, und idealerweise erleben wir bereits 2024 die geldpolitische Wende der Wende.

Damit rechnet, mit Blick auf die US-Notenbank und die Präsidentschaftswahl, auch Joe Biden. Die Politik des deutschen Finanzministers Christian Lindner konzentriert sich derweil aufs Sparen; das ist nach maßlosen Jahren auch richtig.

Tankrabatt, Neun-Euro-Ticket und zuletzt die steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 3000 Euro können wir uns nicht mehr erlauben. Solche Eskapaden sind teilweise auch kontraproduktiv, da Finanzämtern und Sozialkassen Geld entgeht.

Die Situation der Sozialversicherungen ist trotz robustem Arbeitsmarkt prekär, die magische Sozialabgabenquote von 40 Prozent überschritten, was die Arbeit verteuert und die Wettbewerbsfähigkeit schwächt. Vor 20 Jahren war das ähnlich; dann kam die Agenda 2010.

Die Bürokratie tut weh

Die Ampel hat bislang keine Vorstellung, wie die Sozialsysteme zu reformieren sind. Olaf Scholz will das Problem aussitzen und hofft dabei auf die historisch hohe Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das wird nicht so bleiben, wenn die Industrie, die hierzulande deutlich größere Relevanz hat als in vergleichbaren Ländern, noch mehr Wertschöpfung verlagert.

Weil die Absatzmärkte woanders sind, weil dort Energie und Arbeit weniger kosten und weil eine Genehmigung nicht fünf Jahre braucht. Wer hierzulande ein Windrad aufstellen möchte, braucht Leidensbereitschaft: Zwei Dutzend Behörden sind zu beteiligen.

Beim Proklamieren großer (Klima-) Ziele macht uns keiner etwas vor, aber wie kommen wir dahin? Die Regierung hat jetzt die Verdoppelung der angestrebten Wasserstoffmenge bis 2030 beschlossen. Super. Aber, wie schaffen wir das?

Es fehlt an plausiblen und wirksamen Schritten auf dem Weg zur Dekarbonisierung. Und damit an Planungssicherheit für die wirtschaftlichen Akteure, die mehr oder weniger fassungslos das Hin und Her der politischen Akteure verfolgen. Im nächsten Jahr stehen dann auch noch Landtagswahlen in Ostdeutschland an. Vielleicht hilft ja die AfD der Ampel auf eine gemeinsame Linie.

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