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Landwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) ist überzeugt, dass der Kreml eine Blockade ukrainischer Getreideexporte weiter als Druckmittel einsetzen wird.

© dpa/Britta Pedersen

Lässt Putin den Getreide-Deal platzen?: Özdemir fordert verstärkte Prüfung von Alternativ-Routen

Der Kremlchef droht der Ukraine mit einem Ende des Getreideabkommens. Agrarminister Özdemir fordert, dass Brüssel den Export auf anderen Transportwegen vorantreiben soll.

Russlands Präsident Wladimir Putin droht, das Getreideabkommen mit der Ukraine nicht zu verlängern. Damit könnte es eine ähnliche Verknappung der weltweiten Getreideversorgung wie zu Beginn des Ukraine-Krieges geben. Angesichts der Drohungen aus Moskau forderte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) am Dienstag zum Auftakt einer internationalen Konferenz gegen den Hunger in Berlin ein Einwirken auf Putin. Es wäre gut, „Druck zu machen auf Russland“, sodass der Kreml das Getreideabkommen nicht als Waffe benutzen könne, verlangte Özdemir.

Das Abkommen war im vergangenen Sommer unter der Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossen worden. Damit konnte die Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer wieder aufgenommen werden – eine wichtige Entscheidung angesichts des weltweiten Hungers. Kriege und Klimawandel tragen dazu bei, dass die Ernährungssicherheit vielerorts nicht existiert. Nach Angaben der Welthungerhilfe müssen weltweit bis zu 828 Millionen Menschen hungern

Nach der Einschätzung von Özdemir würde auch eine Vertreibung Putins von der Macht im Kreml nicht zwangsläufig etwas daran ändern, dass Russland eine Blockade der ukrainischen Getreideausfuhren als Druckmittel gegen Kiew einsetzen könne. „So lange jemand Putineskes in Moskau das Sagen hat, wird dieses Druckmittel gegenüber der Ukraine immer da sein“, sagte er.

Die EU solle Alternativrouten jenseits des Schwarzen Meeres so ausbauen, dass relevante Mengen transportiert werden können, verlangte der Agrarminister. Er appellierte an die EU-Kommission, „das Thema jetzt in die Hand zu nehmen“.

Russland kann sofort durch ein Ende des Krieges dazu beitragen, dass die volatilen Märkte sich wieder beruhigen.

Cem Özdemir, Landwirtschaftsminister

Es sei Aufgabe der Brüsseler Behörde, konkret festzulegen, über welche der zahlreichen alternativen Transportkorridore möglichst viel Getreide schnell und günstig aus der Ukraine abtransportiert werden könne.

Nach Angaben der EU-Kommission wurden zwischen Mai 2022 und dem vergangenen Februar rund 29 Millionen Tonnen Getreide über die sogenannten Solidaritätskorridore aus der Ukraine exportiert. Die Korridore führen unter anderem über Polen und Rumänien. Die dortigen Landwirte klagen allerdings darüber, dass die Agrargüter aus der Ukraine ihre eigenen Produkte vom heimischen Markt verdrängen.

Das Getreideabkommen läuft Mitte Juli aus, wenn es nicht erneut verlängert wird. Putin hatte seine Drohung, das Abkommen nicht zu erneuern, damit begründet, dass der Westen seine Versprechen zum Export russischer Agrargüter auf den Weltmarkt nicht eingehalten habe. Özdemir sagte hingegen, es gebe keine Beschränkungen bei der Ausfuhr von Getreide und Dünger aus Russland.

„Russland kann sofort durch ein Ende des Krieges dazu beitragen, dass die volatilen Märkte sich wieder beruhigen“, sagte Özdemir weiter. Moskau sei angesichts von Preisspekulationen sowie der Verknappung von Getreide und Dünger ein „wesentlicher Treiber“. Auch Außenamts-Staatsminister Tobias Lindner (Grüne) erklärte bei der Konferenz in Berlin, dass die westlichen Sanktionen nicht auf Lebensmittel und Düngemittel aus Russland zielten.

Dass Putin den Getreide-Deal mit Kiew demnächst möglicherweise platzen lässt, kann auch an der schleppenden Abfertigung von Frachtschiffen abgelesen werden. Nach den Angaben eines Sprechers von UN-Generalsekretär António Guterres sind die durch das Abkommen ermöglichten Lebensmittel-Exporte im Mai im Vergleich zum vergangenen Oktober inzwischen um rund drei Viertel gesunken. 

Selbst für den Fall, dass Putin das Getreideabkommen im Juli ein weiteres Mal verlängern sollte, befürchten Beobachter weitere Einschränkungen bei den Agrarexporten durch eine russische Blockadehaltung. Die Ukraine wirft russischen Inspektoren, welche die Umsetzung des Abkommens überwachen, eine bewusste Verzögerung bei der Erteilung nötiger Genehmigungen vor. Russland macht wiederum der Ukraine den Vorwurf, die Transportkorridore durch das Schwarze Meer für militärische Zwecke zu nutzen.

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