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Auf den letzten Metern: Angela Merkel kämpft nun doch für Armin Laschet.

© AFP

Laschet-Wahlkampf im Bundestag: So macht sich Merkel unglaubwürdig

Zu spät, zu plump. Die Not der Union zeigt sich auch an Angela Merkels plötzlichem Laschet-Wahlkampf. Zuvor hat auch sie Zweifel an ihm genährt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Diese letzte Bundestagssitzung der 19. Legislaturperiode passt zu diesem seltsamen Wahlkampf, der so viele Gewissheiten auflöst. Die Union dachte bislang immer, gegen sie könne keine Regierung gebildet werden.

Auf den letzten Metern dekonstruiert sich nun auch noch die Kanzlerin selbst und fällt am Ende ihrer Kanzlerschaft aus ihrer zuletzt sehr präsidialen Rolle. Vor den Augen und Ohren der erstaunten Zuschauer mutiert sie, zur Freude von Armin Laschet, fast zu einer Art Oppositionsführerin, was für eine scheidende Kanzlerin im Bundestag schräg wirkt.

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Aber die Umfragewerte lassen wohl keine andere Wahl zu. So ging die Kanzlerin in der 227. und wohl letzten Sitzung des aktuellen Bundestags vor allem ihren Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz an, teils etwas arg plump. Doch ihr plötzlicher Einsatz als Wahlkämpferin für Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet kommt reichlich spät und wirkt entsprechend unglaubwürdig.

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Lange hatte sie verkündet, sich heraushalten zu wollen, und das auch getan. Bei der Abstimmung der CDU-Führung über den Kanzlerkandidatin Laschet enthielt sie sich. Aber sogar ihr Widersacher Friedrich Merz forderte zuletzt mehr Einsatz von Merkel, die immer noch die beliebteste Politikerin des Landes ist.

Fakt ist: Auch von ihr kamen immer wieder dezente Zweifel an Laschets Fähigkeit als Krisenmanager. Dass sein Ruf so ramponiert wirkt, hängt auch viel mit mangelnder Geschlossenheit und Überzeugung im eigenen Laden zusammen. Wenn die ihm schon das Amt nicht zutrauen, warum sollen es denn dann die Bürger tun?

Merkel beschwor nun im Plenum, wie zuletzt bei einer Pressekonferenz mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz im Kanzleramt, die rot-grün-rote Gefahr in Deutschland. Und dass nur ein Kanzler Armin Laschet Garant für eine gute Zukunft sei. Ihr sei eben nicht egal, wer Deutschland regiere. Aber was genau Laschets Qualitäten sind, das sagte sie nicht. Die Unionsfraktion feierte dieses Bekenntnis einer Unions-Kanzlerin zum Unions-Nachfolgeaspiranten, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, stehend mit Ovationen.

Angela Merkel verlässt die letzte Bundestagssitzung in dieser Legislaturperiode.
Angela Merkel verlässt die letzte Bundestagssitzung in dieser Legislaturperiode.

© AFP

Die Sache mit dem Versuchskaninchen

Außerdem gab Merkel dem Umfragekönig Scholz zur Freude der Unionsleute persönlich einen mit – aber ob das hilft? Sie hielt Scholz eine klar im Scherz gemachte Bemerkung vor, dass man für die Zweifler an den Impfstoffen gerne das Versuchskaninchen gewesen sei; er sei selbst doch der beste Beweis, dass die Stoffe wirken, und betonte: Bitte impfen gehen.

Der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warf ihm deshalb Sabotage des Impfens vor, statt die eigenen Inhalte mal herauszustellen. Auch Merkel nahm den Ball im Bundestag auf, tadelte Scholz namentlich für die „Versuchskaninchen“-Aussage. Eigentlich ist es unter Merkels Niveau, einen Scherz von Scholz für bare Münze zu nehmen und gegen ihn einzusetzen. Es wirkte, als sei in ihrer vielleichten letzten Rede im Bundestag plötzlich selbst noch einmal CDU-Generalsekretärin.

Scholz wiederum nahm das merkelig und dankte ihr höflich für die gute Zusammenarbeit in der großen Koalition.

Die Not in der Union scheint groß. Kann sie so noch eine Trendwende schaffen? Eine Forsa-Umfrage sieht die Union nur noch bei 19 Prozent.

Ihr Tun wirkt zunehmend verzweifelt: die Rote-Socken-Kampagne, durchsichtige Angriffe auf unwahrscheinliche Koalitionsoptionen, das Abarbeiten an den Plänen und Ideen der anderen.

Die wichtigsten Tagesspiegel-Artikel zur Bundestagswahl 2021:

Ein "Versuchskaninchen"-Scherz von Olaf Scholz wird plötzlich Wahlkampfthema
Ein "Versuchskaninchen"-Scherz von Olaf Scholz wird plötzlich Wahlkampfthema

© imago images/Political-Moments

Ein Auftritt als letzter Dienst an der Partei

Merkels Auftritt ist ein letzter Dienst an der Partei, der sie ihre Karriere verdankt. Aber es ist auch ein etwas unglücklicher Abgang im Bundestag am Ende ihrer vierten und letzten Legislaturperiode.

Und er macht zugleich deutlich, dass auch bei ihr in ihrem letzten Amtsjahr wenig mehr zusammenpasst. Als Erstes entglitt ihr die Corona-Politik und sie diskreditierte – zermürbt von den Auseinandersetzungen mit den Ministerpräsidenten – Laschet vor einem Millionenpublikum bei „Anne Will“ als zu lasch bei der Bekämpfung der Pandemie. Das nährte nachhaltig den Zweifel an ihm und seiner Kompetenz.

Ihn jetzt, im Angesicht des Absturzes, doch als den geborenen Nachfolger zu preisen, wirkt reichlich von Umfragewerten und innerparteilichem Druck erzwungen. Das wirft die Frage auf: Warum hat Merkel ihn dann nicht von Anfang an zumindest wohldosiert etwas mehr unterstützt, und vielleicht da, wo so etwas hingehört: auf Wahlkampfveranstaltungen, mit Interviews? Kanzleramt und Bundestag sind dafür sicher nicht so die besten Bühnen.

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Wie wäre es mit einer eigenen kritischen Bilanz?

Merkel hätte besser daran getan, ihre Redezeit für einen kritischen Rückblick zu nutzen. Erst unter dem Druck der Fridays for Future-Bewegung machte sie wieder etwas mehr Klimapolitik, bis das Bundesverfassungsgericht sagte: Das reicht alles nicht, was die große Koalition da vorhat, die jüngere Generation wird über Gebühr durch mangelnde Maßnahmen zuvor bestraft.

Sie packte vieles an, blieb aber zu selten energisch an einem Thema dran. Und wenn Laschet nun immer wieder die Bürokratie und zu lange Planungs- und Genehmigungszeiten geißelt, fällt das auch auf 16 Jahre Regierungszeit von Merkel zurück. FDP-Chef Christian Lindner hat Recht. Die Regierung hat dieses Land mitunter unterfordert. Ein Weiter so, sei das größte Risiko.

Bundesskanzlerin Angela Merkel fährt nach ihrer wohl letzten Rede im Bundestag weg.
Bundesskanzlerin Angela Merkel fährt nach ihrer wohl letzten Rede im Bundestag weg.

© Michael Kappeler/dpa

Mit dieser Gemengelage Wahlkampf zu machen, ist eine große Bürde. Es ist zweifelsohne längst nicht nur die Person Laschet, viele Bürger halten die Union für inhaltlich entkernt, zu selbstgerecht.

Und draußen an Wahlkampfständen wird ein Punkt immer wieder thematisiert, der im Bundestag schon fast vergessen scheint: Wir haben mit unseren Kindern viele Opfer in der Pandemie gebracht, während ausgerechnet Politiker von CDU und CSU sich an den Maskengeschäften bereichert und die Taschen voll gemacht haben. Laschet wollte im Windschatten der beliebten Kanzlerin ins Kanzleramt - und wird gerade nun vom Gegenwind erdrückt

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