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In Hessen haben die Behörden Ermittlungen gegen Polizisten wegen der Beteiligung an rechtsextremen Chatgruppen aufgenommen.

© dpa/Frank Rumpenhorst

Update

Volksverhetzende Inhalte verbreitet: Ermittlungen gegen 20 hessische Polizisten wegen rechter Chats

Ein ehemaliger und 19 aktive Beamte: Hessische Behörden ermitteln gegen 20 Polizisten wegen der Beteiligung an rechtsextremen Chatgruppen.

Von Frank Jansen

Die Affären um rechte Umtriebe von Polizisten in Hessen weiten sich aus. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt ermitteln gegen 19 aktive und einen ehemaligen Polizisten, es geht um rechtsextreme Chatgruppen und die Verbreitung rassistischer Parolen sowie Hakenkreuzen und weiteren Nazi-Symbolen. Der Fall ist besonders brisant, weil auch Elitepolizisten verstrickt sein sollen. Am Mittwochmorgen wurden die Wohnungen von sechs Beamten des Spezialeinsatzkommandos sowie die Arbeitsplätze der Beschuldigten im Frankfurter Polizeipräsidium durchsucht.

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Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt sagte dem Tagesspiegel, es gehe um einen neuen Fall rechter Umtriebe bei der hessischen Polizei. Ein Zusammenhang mit der schon lange schwelenden Affäre um eine rechte Chatgruppe von Polizisten, die während der Ermittlungen zu dem Drohbriefschreiber "NSU 2.0" aufflog, sei bislang nicht zu erkennen. Im Juli 2020 setzte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) einen Sonderermittler ein, um die Affäre aufzuklären.

Im aktuellen Fall wurde den zehn aktiven Beamten unter den Beschuldigten das Führen der Dienstgeschäfte verboten. Einer von ihnen solle suspendiert werden, hieß es. Die Chatinhalte sollten zudem auf eine dienstrechtliche Relevanz überprüft werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Bislang sind Staatsanwaltschaft und LKA allerdings nur Beiträge in den rechten Chatgruppen von 2016 bis 2019 bekannt.

17 der 20 Beschuldigten werfen die Ermittler vor, als Teilnehmer von Chatgruppen aktiv volksverhetzende Inhalte verbreitet zu haben. Gegen die anderen drei Beschuldigten wurden Ermittlungen wegen Strafvereitelung im Amt aufgenommen, weil sie Teilnehmer der Chatgruppen waren und als Vorgesetzte die Kommunikation nicht unterbanden und ahndeten.

Ausgangspunkt des Verfahrens waren Ermittlungen gegen einen 38-jährigen Beamten eines Spezialeinsatzkommandos des Frankfurter Polizeipräsidiums wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie. Bei der Auswertung seines Smartphones entdeckten die Ermittler mehrere Chats, in denen sie zum Teil strafrechtlich relevante Inhalte und zahlreiche weitere Teilnehmer der Chatgruppen identifizieren konnten.

Hessen ist in besonderem Maße von rechten Umtrieben in der Polizei betroffen. Das Innenministerium berichtete im Oktober 2020, eine Ermittlungsgruppe habe seit 2015 insgesamt 77 Verdachtsfälle geprüft. Davon waren 42 noch nicht abgeschlossen. In 18 Fällen wurden die Polizisten aus dem Dienst entfernt oder gar nicht erst ins Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Bei weiteren zehn Beamten gab es disziplinarische Maßnahmen. Im Lagebericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu "Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden", den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Oktober 2020 vorstellte, wurden 319 Verdachtsfälle aufgelistet. Hessen stand mit 59 Verdachtsfällen an der Spitze. Danach kamen Berlin mit 53 Fällen, Nordrhein-Westfalen (45), Bayern (31) und Sachsen (28). Nur im Saarland gab es kein Verfahren.

Im Februar 2021 klagte die Frankfurter Staatsanwaltschaft vier aktive und ehemalige Polizisten an. Es geht um Verbreitung rechtsextremer Propaganda bei WhatsApp, illegalen Waffenbesitz, Geheimnisverrat und Kinderpornografie.

Weiterhin offene Fragen im Fall NSU 2.0

Der Fall NSU 2.0 erregte besonderes Aufsehen, weil möglicherweise Polizisten zumindest indirekt an der massiven Bedrohung der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz beteiligt waren. Bei ihren waren von August 2018 an Schreiben mit rassistischen und obszönen Inhalten eingegangen. Die Drohungen richteten sich auch gegen die Familie der Anwältin. Die Serie endete auch nicht, als Basay-Yildiz umzog und ihre neue Adresse für Auskünfte gesperrt wurde. Bei den Ermittlungen im Fall NSU 2.0 fand die Polizei heraus, dass aus einem Polizeicomputer in Frankfurt Daten zu Basay-Yildiz abgefragt wurden, ohne dass ein dienstlicher Anlass bestanden hätte. Drohungen von NSU 2.0 gingen zudem bei Politikerinnen und weiteren Prominenten ein. Im Mai 2021 nahm die Polizei in Berlin den mutmaßlichen Drohbriefschreiber Horst M. fest. Es handelte sich nicht um einen Polizisten, Horst M. war erwerbslos und schon früher mit rechten Delikten aufgefallen. Unklar bleibt jedoch weiterhin, ob es einen Zusammenhang der Drohungen von NSU 2.0 mit der unberechtigten Abfrage von Daten zu Basay-Yildiz aus dem Polizeicomputer gab.

(mit AFP)

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