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Verlassen. Ausländische Gäste sind in Malis Hauptstadt Bamako derzeit nur selten anzutreffen. Nicht nur die Baustelle eines Hotels liegt brach. Tausende Malier haben ihre Jobs verloren - im Tourismus und bei Helfern, die das Land verlassen haben. Foto: Joe Penney/Reuters

© REUTERS

Mali: Land in Auflösung

Die Menschen in Mali hoffen auf Hilfe aus Europa, um ihr Land zurückzuerobern – das Leben in der Krise wird immer schwieriger.

Sieht so eine Stadt mitten in einer Staatskrise aus? Auf den ersten Blick hinterlässt die Hauptstadt Malis einen ganz anderen Eindruck: Es gibt ein paar geteerte Straßen, auf denen der Verkehr flüssig fließt. Es gibt Strom, zumindest wenn ein Dieselgenerator in der Nähe ist. Und es gibt das typische westafrikanische Straßenleben. Am Straßenrand reihen sich Verkaufsverschläge, aus denen heraus alles verkauft wird, was man so brauchen kann. Kinder rennen herum. Kaum eine Frau verschleiert sich. Von einer Ecke des Marktes direkt vor der Nationalversammlung sind Trommelklänge zu hören.

In der Nationalversammlung hat sich der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gerade mit Abgeordneten aus Nordmali getroffen. Zwei Tuareg in prächtigen Gewändern stellen sich neben festlich gekleidete Frauen mit Kopftuch, weitere Abgeordnete kommen hinzu, alle in typisch westafrikanischer Tracht, bunte Hosen mit langen bunten Hemden darüber. Steif posieren sie mit dem nicht weniger förmlichen Westerwelle. Das Foto, das an diesem Donnerstag aufgenommen wird, soll dokumentieren: Deutschland will uns helfen, und wir waren dabei. Deutschland könnte die Vermittlungsgespräche finanziell und organisatorisch unterstützen. Das Interesse daran sei groß, heißt es aus der Delegation.

Denn inzwischen ist die Krise im Alltag der Malier angekommen. Im März war die demokratisch gewählte Regierung von einer Gruppe meuternder Unteroffiziere gestürzt worden. Erst seit August gibt es eine Übergangsregierung, die eine gewisse Zustimmung genießt. Gleichzeitig haben rebellierende Tuareg mithilfe von islamistischen Radikalen den gesamten Norden Malis erobert. Rund 400 000 Menschen sind aus dem Gebiet in den Süden Malis und in die Nachbarländer geflüchtet. In Malis Hauptstadt Bamako sollen etwa 20 000 von ihnen bei Familienangehörigen untergekommen sein. Sie fallen in der schnell wachsenden Zwei-Millionen- Einwohnerstadt nicht weiter auf. Aber die wirtschaftlichen Folgen der Krise bekommen nun fast alle zu spüren, nicht nur die, die nun neben einer großen Familie auch noch Flüchtlinge durchbringen müssen.

Nach dem Militärputsch hat die internationale Gemeinschaft sofort reagiert. Die Afrikanische Union und die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas haben Mali sofort suspendiert. Und die westlichen Geberländer haben den Geldhahn zugedreht. Auch Deutschland hat die Budgethilfe, mit der Mittel direkt in den malischen Haushalt eingezahlt worden waren, sofort gestoppt. Viele internationale Helfer sind evakuiert worden. Die Folgen beschreibt Dirk Betke, Chef des malischen Verbindungsbüros der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): „Tausende Menschen haben ihre Jobs verloren, in den Haushalten der internationalen Experten aber auch in den Hotels. Mehrere Hotels haben schon geschlossen.“ An jedem dieser Jobs hängen nicht selten Familien mit 20 Personen.

Die Hoffnungen der Malier auf internationale Hilfe sind riesengroß. „Wir schaffen es nicht allein“, sagt einer. Dabei geht es nicht nur um Geld. Vor allem hoffen viele Malier im Süden des Landes, dass bald eine Armee in Marsch gesetzt wird, um den Norden zurückzuerobern. Dirk Betke hat eine ganz andere Hoffnung. Er wünscht sich, dass die internationalen Geber zunächst einmal die Gemeinden unterstützen. Denn „es ist noch ganz viel da“, sagt er. Die Schulen würden selbst im Norden weiterbetrieben. „Es sind die Bürgermeister, die verhindert haben, dass hier alles zusammenbricht.“

Allzu lange darf diese Übergangsphase aber aus Sicht vieler Malier nicht mehr dauern. Denn durch das Verschwinden des Staates machen sich mehr und mehr Gesetzeshüter, seien es Polizisten oder Gendarmen, selbstständig. Ein 47-jähriger Malier berichtet von seinem Neffen, der nach einem Streit von uniformierten und bewaffnenen Männern aus dem Haus seiner Eltern geholt worden ist. Am nächsten Tag fand die Familie den jungen Mann bei der Gendarmerie. „Er war am Leben“, sagt er. Doch das ist nicht die Regel.

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