zum Hauptinhalt
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht war der Truppenbesuch in Stadum ein wichtiges Anliegen, sagt sie.

© IMAGO/Political-Moments

Exklusiv

Umstrittene Dienstreise mit Sohn: Lambrecht erklärt Foto vom Heli-Flug zur Privatsache

Die Verteidigungsministerin gibt erstmals umfassend Einblick in die Planung für den Truppenbesuch in Sylt-Nähe vor Ostern. Nur ein Detail nennt sie nicht.

Es war ein Foto ihres Sohnes im Internet, das Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) im Frühjahr in Bedrängnis brachte. Es zeigte den jungen Mann, wie er beim Start in einem Bundeswehr-Hubschrauber Mitte April vor dem Ministerium in Berlin posierte. Eine alterstypische Angeberei mit politischen Implikationen, da mit ihm zusammen die Mutter an Bord war – unterwegs zum offiziellen Truppenbesuch. Der Fall galt fortan als weiterer Fehltritt der früheren Justizministerin, die sich erkennbar schwer tat, im neuen Amt anzukommen.

Lambrecht rechtfertigte die von ihr aus eigener Tasche bezahlte Mitnahme mit ihrem persönlichen Bedürfnis nach gemeinsamer Zeit. Sie erklärte jedoch nie, wie es zu dem Bild und seiner folgenreichen Veröffentlichung kam. Sie ließ die Frage unbeantwortet, wie zahlreiche Fragen zu Organisation und Ablauf der umstrittenen Reise. Bei einem Termin der Bundespressekonferenz im Mai handelte ein Ministeriumssprecher das Thema betont oberflächlich ab, nicht ohne Spuren von Herablassung. Als Journalisten sich nach der Rolle der Mutter bei der Fotografie erkundigten, hieß es, man könne schon die Relevanz der Frage nicht erkennen.

„Diese Fragen betreffen keine Vorgänge dienstlicher Natur“

Nun ist klar, dass zumindest die Umstände der Entstehung und Publikation dieses Fotos im Unklaren bleiben sollen: Lambrecht erklärt das Thema erstmals ausdrücklich zur Privatsache und verweigert Auskünfte, ob und wie sie daran beteiligt war. „Diese Fragen betreffen keine Vorgänge dienstlicher Natur und sind in der Privatsphäre der handelnden Personen zu verorten“, sagte eine Ministeriumssprecherin dazu. Anders als bei Dienstangelegenheiten seien Amtsträger in privaten Dingen gegenüber der Presse nicht zur Auskunft verpflichtet.

Sollte der Helikopterflug die Anreise nach Sylt verkürzen?

Lambrecht war kurz vor Ostern in Begleitung des erwachsenen Sohnes zum Trip nach Schleswig-Holstein aufgebrochen. Der Sohn postete sein Passagierbild in einem sozialen Netzwerk und löste damit Diskussionen aus, ob der Mitflug zulässig war. Weil beide im Anschluss zur nahen Insel Sylt reisten, wurde Kritik laut, ob der Besuch beim „Bataillon Elektronische Kampfführung 911“ möglicherweise nur eingeplant wurde, um den Weg in den Osterurlaub zu verkürzen.

Lambrecht bestritt dies und rechtfertigte die Mitnahme mit ihrem Anspruch auf ein Familienleben. Dabei beließ sie es. Offen blieb vieles – unter anderem auch, ob die Initiative für den Truppenbesuch von der Politikerin persönlich kam.

Antworten kamen erst nach einer Klage vor Gericht

Nach einer Auskunftsklage des Tagesspiegels vor dem Kölner Verwaltungsgericht (Az.: VG 6 L 978/22) hat das Verteidigungsministerium nun erstmals Einzelheiten zur Planung der Reise bekannt gegeben. Dementsprechend hatte der Termin – entgegen der üblichen Praxis bei Truppenbesuchen – einen kurzen Vorlauf: So sei das Bataillon, das in der Gemeinde Stadum stationiert ist und 20 Autominuten entfernt vom „DB-Syltshuttle“ in Niebüll liegt, erst Anfang April darüber informiert worden, dass zum ersten Mal ein Minister als hoher Besuch kommen wird. Einen Kostenvoranschlag für die Mitnahme des Sohnes besorgte sich Lambrecht zugleich mit der Anforderung der Flugbereitschaft am 6. April, am 8. April kam der Sohn dann auf die Passagierliste. Am 13. April hob der Helikopter Cougar AS-532 in Berlin ab.

Den Vorschlag für den Trip habe nicht Lambrecht, sondern „die Adjutantur“ unterbreitet

Sowohl die Dienstreise wie das Hotel auf Sylt für den privaten Aufenthalt haben, nach eigener Auskunft, Lambrecht und ihr persönlicher Referent gebucht. Die Ministerin bestreitet jedoch, dass die Idee zum Besuch in Stadum von ihr selbst gekommen sei. Den konkreten Vorschlag habe „die Adjutantur“ der Ministerin unterbreitet, heißt es jetzt, also der sie als Befehlshaberin unterstützende Offizier. Das Ministerium betonte, es habe „Überlegungen“ für einen solchen Besuch bereits im Oktober 2021 gegeben, mithin noch vor Lambrechts Amtsantritt. Wann die Ministerin das Hotel auf Sylt gebucht hat und ob dies zeitgleich mit der Organisation der Dienstreise geschah, will sie weiterhin nicht sagen – das sei ebenfalls Privatsache, wie es heißt.

Auskünfte zum Foto könnten neue Debatten über die Eignung der Ministerin geben

Mit seinen Angaben hat das Ministerium den größten Teil der vor Gericht erbetenen Auskünfte erteilt. Über die Frage, ob die Ministerin für die Umstände, unter denen das Foto entstand, den Schutz ihrer Privatsphäre reklamieren kann, muss das Verwaltungsgericht jetzt noch entscheiden. Der Tagesspiegel argumentiert in dem Rechtsstreit damit, dass der Flug dienstlich veranlasst war, in einem militärischen Fluggerät stattfand und die Begleitung durch den Sohn nach behördlichen Vorschriften genehmigt und abgerechnet wurde. Es handele sich daher nicht um einen rein privaten Sachverhalt. Zudem habe die Ministerin selbst öffentlich aus ihrem Privatleben erzählt, um den Mitflug zu rechtfertigen.

Sollte Lambrecht das Foto aufgenommen haben – möglicherweise im Wissen, dass ihr Sohn es öffentlich zur Schau stellen möchte – könnte es neue Diskussionen um ihre Eignung für das Amt geben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false