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Polizisten sichern abgebrannte Wohncontainer im Lager Moria auf Lesbos ab.

© REUTERS/Alkis Konstantinidis

Lage in der Türkei treibt Flüchtlinge nach Griechenland: Besonders Afghanen wagen Überfahrt auf Ägäis-Inseln

Deutschland will eine neue Flüchtlingskrise unbedingt vermeiden. Innenminister Seehofer reist deswegen nach Ankara und Athen.

In den vergangenen Monaten ist die Zahl der Flüchtlinge wieder gestiegen, die von der Türkei auf die griechischen Ägäis-Inseln übersetzen. Besonders viele Afghanen verlassen die Türkei, nachdem die Regierung den Druck auf Migranten ohne gültige Papiere erhöht hat. Deutschland will unbedingt eine neue Flüchtlingskrise vermeiden, weshalb Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag und Freitag zu Gesprächen in die Türkei und Griechenland reist.

Wie ist die Lage auf den Ägäis-Inseln?

Seit Jahresbeginn trafen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mehr als 35.800 Flüchtlinge auf den Ägäis-Inseln ein. Gut 9.700 weitere überquerten die Landgrenze nach Griechenland. Auf der Insel Lesbos landeten Ende August an einem einzigen Tag über 500 Flüchtlinge. Dort ist das Auffanglager Moria schon lange hoffnungslos überfüllt. Nach einem tödlichen Brand gab es in dem berüchtigten Camp am Sonntag schwere Unruhen.

Wie ist es zu der Krise gekommen?

Gemäß dem EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei von 2016 müssen alle Neuankömmlinge auf den Ägäis-Inseln bleiben, bis ihre Asylanträge entschieden sind. Wer abgelehnt wird, muss zurück in die Türkei. Die Asylbehörden sind jedoch völlig überlastet, so dass sich die Verfahren in die Länge ziehen. Rückführungen gibt es kaum. Wegen der katastrophalen Zustände in den Lagern wurden zuletzt hunderte Flüchtlinge aufs griechische Festland gebracht.

Wer sind die neuen Flüchtlinge?

Mit 38,8 Prozent war die mit Abstand größte Gruppe der Flüchtlinge, die zuletzt über das Mittelmeer kamen, Afghanen. Die zweitgrößte Gruppe waren mit 20,6 Prozent Syrer, gefolgt von Kongolesen, Irakern und Palästinensern. 35 Prozent der derzeit 30.500 Flüchtlingen auf den griechischen Ägäis-Inseln sind nach Angaben des UNHCR Kinder. 20 Prozent der Minderjährigen sind unbegleitet, die meisten davon aus Afghanistan.

Warum kommen sie gerade jetzt?

Wegen der US-Sanktionen gegen den Iran ist die dortige Wirtschaft seit 2018 in die Krise gestürzt. Viele Afghanen, die dort auf dem Bau und in anderen Bereichen arbeiteten, sind daher auf der Suche nach Arbeit in die Türkei gekommen. Die türkische Regierung hat jedoch seit Juli den Druck auf Flüchtlinge ohne gültige Papiere erhöht, da sich wegen der Wirtschaftskrise die Stimmung in der Bevölkerung gegen die Flüchtlinge gewandt hat.

Warum verlassen sie die Türkei?

In der Türkei haben nicht-syrische Flüchtlinge keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus und viele alleinstehende Männer sind gar nicht als Flüchtlinge registriert. Die Situation der 170.000 Afghanen und der 142.000 Iraker in der Türkei ist daher prekär. Seit Januar hat die Regierung nach eigenen Angaben mehr als 300.000 Flüchtlinge ohne Papiere festgenommen und zehntausende Afghanen deportiert. Viele Flüchtlinge versuchen nun, das Land zu verlassen.

Was plant Erdogan?

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat wiederholt gewarnt, dass sein Land ohne mehr EU-Hilfe bei der Versorgung der Flüchtlinge gezwungen sein werde, "die Tore nach Europa zu öffnen". Insbesondere will er Unterstützung für seinen Plan, eine Million der 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge in einer „Sicherheitszone“ entlang der türkischen Grenze in den Kurdengebieten in Nordsyrien anzusiedeln. Viele Experten halten den Plan allerdings für unrealistisch.

Was tut die EU für die Flüchtlinge?

Im Flüchtlingsdeal mit Ankara von März 2016 hat Brüssel bis zum Jahr 2022 sechs Milliarden Euro zur Versorgung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei versprochen. Nach EU-Angaben wurden bisher 2,4 Milliarden Euro ausgezahlt – viel zu wenig, wie Erdogan regelmäßig klagt. Zudem hat Europa dieses Jahr nach UN-Angaben bisher die Aufnahme von gut 7200 Flüchtlingen aus der Türkei zugesagt – davon sollen gut 2400 nach Deutschland. (AFP)

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