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Ein Fernsehbild zeigt Gu Kailai vor Gericht.

© AFP

Mordverdacht in China: Kurzer Prozess

Gu Kailai, die Frau des in Ungnade gefallenen chinesischen Spitzenpolitikers Bo Xilai, soll einen Briten vergiftet haben. Zumindest das Gericht ist sich da sicher.

Nur zwei Demonstranten wagten sich laut Medienberichten am Donnerstagmorgen zur Rückseite des von hunderten Polizeibeamten in Uniform und Zivil stark bewachten Gerichtsgebäudes in Hefei in der ostchinesischen Provinz Anhui. Einer von ihnen, ein Mann mittleren Alters, der sich Hu Jiye nannte, bezeichnete den Prozess, der zeitgleich im Inneren des Gebäudes stattfand, als Schwindel. „Ich glaube nichts“, sagte der Mann der Nachrichtenagentur Reuters, „dieser Prozess ist längst vorher entschieden worden“.

Kurz darauf wurden er und sein Freund von Zivilbeamten abgeführt und in ein Auto gestoßen. „Warum nehmt ihr mich mit, warum?“, konnte sein Freund noch rufen.

Tatsächlich unterstrich der Verlauf der Verhandlung gegen die unter Mordanklage stehende Politikergattin und Staranwältin Gu Kailai am Donnerstag die Meinung der beiden Demonstranten und vieler Experten, einen politisch motivierten Schauprozess zu erleben. So beendete das Gericht die nicht öffentliche Verhandlung in weniger als sieben Stunden. „Das Gerichtskomitee wird sich beraten und das Urteil später verkünden“, sagte ein Gerichtsbeamter den vor dem Gebäude wartenden Journalisten, „die Angeklagten Gu Kailai und Zhang Xiaojun hatten keine Einwände gegen die Fakten und Anklage wegen vorsätzlichen Mordes“. Das Urteil wird für die nächsten Tage oder Wochen erwartet.

Gu Kailai ist die Ehefrau des in Ungnade gefallenen chinesischen Spitzenpolitikers Bo Xilai. Sie soll gemeinsam mit dem Hausangestellten Zhang Xiaojin den britischen Geschäftsmann Neil Heywood vergiftet haben. Als Motiv galten zunächst finanzielle Gründe. Zumindest hatten dies Polizeikreise angegeben. Inzwischen heißt es laut Anklage, dass sie ihren Sohn Bo Guagua schützen wollte. Der sei in Gefahr gewesen. Ihr langjähriger britischer Geschäftspartner soll nicht näher bezeichnete Drohungen gegen Bo Guagua gemacht haben.

Dieses persönliche Motiv könnte die 52 Jahre alte Gu Kailai immerhin vor der Todesstrafe retten, die in China für Mord verhängt werden kann. Schon vor zwei Wochen hatte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua ihr Urteil gefällt: „Die Fakten der Verbrechen der beiden Angeklagten sind eindeutig, die Beweise unwiderlegbar und substanziell.“

Gu Kailais angebliches Vergehen ist Teil eines spektakulären Politkrimis. Ehemann Bo Xilai galt bis zu seinem Sturz im April als aussichtsreicher Kandidat auf einen der höchsten Posten in der chinesischen Einparteien-Diktatur. Auf dem 18. Parteitag im Herbst wird die Kommunistische Partei Chinas sieben von neun Spitzenpolitikern in ihrem höchsten Gremium, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros, austauschen. Um diese Posten wird schon seit Monaten hinter den Kulissen gerungen. Bo Xilai und seine Anhänger haben diesen Machtkampf verloren. Der Parteichef der zentralchinesischen Millionenstadt Chongqing galt als Vertreter der Neuen Linken und machte mit maoistischen Kampagnen wie dem Singen von Liedern der Kulturrevolution auf sich aufmerksam. Kurz nach der Mordanklage gegen seine Frau verlor er alle Ämter.

Nun wartet ein parteiinternes Verfahren auf Bo Xilai, ihm werden nicht näher bezeichnete „Vergehen gegen die Parteidisziplin“ vorgeworfen. Sein parteiinterner Prozess dürfte ebenfalls in den nächsten Wochen beginnen. Die Eile, mit der gegen seine Frau verhandelt worden ist, zeugt davon, dass die Kommunistische Partei sich des unangenehmen Themas noch vor dem Parteitag im Herbst entledigt haben will. Das bestätigte auch der Pekinger Anwalt Pu Zhiqiang gegenüber der Zeitung „South China Morning Post“: „Die hohen Herren wollen ein unkompliziertes und schnelles Ende sehen.“ Seiner Meinung nach wird Bo Xilai das Parteiverfahren nicht allzu sehr schaden. „Wenn Gu Kailai nicht wirtschaftlicher Verbrechen angeklagt wird, dürfte Bo Xilai nicht allzu große Probleme haben“, sagte der Anwalt.

Das Verfahren gegen Gu Kailai gilt als Chinas wichtigster Prozess seit drei Jahrzehnten. Damals wurde die berüchtigte Viererbande um Mao Zedongs Frau Jiang Qing für die Verbrechen während der Kulturrevolution verantwortlich gemacht. Wegen seiner politischen Brisanz ist die Berichterstattung über den aktuellen Prozess stark zensiert. Im chinesischen Internet wurden zahlreiche Beiträge und Diskussionen von den Zensoren gelöscht.

Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua betonte am Donnerstag die Rechtsstaatlichkeit des Prozesses und schreibt: „Mehr als 140 Menschen haben an dem Verfahren teilgenommen.“ Darunter sollen Freunde und Verwandte der beiden Angeklagten sowie des Opfers gewesen sein. Unabhängige Medien können das allerdings nicht bestätigen. Journalisten war der Zugang zum Gerichtssaal verboten, lediglich zwei britische Diplomaten durften dem Prozess beiwohnen.

Über den Mordvorgang berichtet Xinhua, Gu Kailai habe den Briten am 13. November 2011 in einem Hotelzimmer auf einen Drink getroffen. „Nachdem Neil Heywood betrunken war und nach Wasser verlangte, verabreichte sie ihm das Gift, welches sie vorbereitet und das der Hausangestellte Zhang Xiaojin mit ins Hotelzimmer gebracht hatte, was zu seinem Tod geführt hat.“ Genau so könnte es gewesen sein – oder auch nicht.

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