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Wo ist der Nutzen? Die Grünen fordern mehr Mitsprache für Patienten bei der Digitalisierung.

© imago/Westend61

Kritik an Spahns Digitalgesetz: Grüne fordern mehr Patientenmitsprache

Bei der Digitalisierung kommen Patientenbedürfnisse zu kurz, finden die Grünen. Sie fordern mehr Mitspracherechte. Und Anleitung für Menschen ohne Vorkenntnis.

Die Grünen drängen auf eine deutlich stärkere Patientenbeteiligung bei den anstehenden Entscheidungen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. Patientinnen und Patienten müssten endlich ein gesetzlich zugesichertes Mitspracherecht in dafür zuständigen Gremien wie der Gematik oder dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhalten, "um die Digitalisierung nach ihren Bedürfnissen mitgestalten zu können“, sagte deren Fraktionsexpertin Maria Klein-Schmeink, dem Tagesspiegel Background Gesundheit und E-Health. Und um dabei voranzukommen, müsse man „den Spieß umdrehen", so die Abgeordnete. "Es sollte explizit begründet werden müssen, warum Patientinnen und Patienten nicht beteiligt werden.“

Außerdem – so heißt es in einem elfseitigen Antrag der Fraktion, der am Mittwoch im Bundestag eingebracht und von dort an den Gesundheitsausschuss verwiesen wurde – müssten Patienten einzelne Anwendungen oder auch die elektronische Patientenakte mit fachkundiger Hilfe „unverbindlich ausprobieren“ können. Unterstützung benötigten insbesondere Zielgruppen wie multimorbide, chronisch erkrankte, ältere und pflegebedürftige Menschen, die oft über wenig technische oder medizinische Vorkenntnisse verfügten, aber am meisten von der Digitalisierung profitieren könnten.

Beim elektronischen Rezept wäre mehr möglich gewesen    

Anlass für die Forderungen ist das geplante Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG), das in zwei Wochen in die Anhörung geht und voraussichtlich im Herbst in Kraft treten soll. Damit räume Gesundheitsminister Jens Spahn zwar hinter den bisherigen Digitalgesetzen auf, mache aber „die gleichen Fehler“ wie vorher, sagte Klein-Schmeink. Noch immer kämen Bedürfnisse der Patienten viel zu kurz. Am Ende entstünden dadurch dann lediglich „lose verknüpfte Insellösungen mit geringem Nutzen für die Versorgung“.

Als Beispiel für ein Projekt, dem mehr Patientenbeteiligung gut getan hätte, nennt die Grünen-Expertin das geplante elektronische Rezept. Aus Daten, die ohnehin vorlägen, hätte man dabei jederzeit auch Erinnerungs- und Hinweisfunktionen zur Dosierung und Einnahme von Arzneimitteln integrieren können. So gehe man beim E-Rezept jetzt mit einer „bloßen Digitalisierung des Transportweges“ an den Start, deren Nutzen für die Patienten „sehr überschaubar“ sei.

Nach Spahns Plänen soll es eine App geben, mit der sich E-Rezepte künftig direkt auf das Smartphone laden lassen. Die Patienten können sie dann in Apotheken ihrer Wahl einlösen.

Flickenteppich für den Umgang mit Forschungsdaten

Die Regelungen zur Forschung gingen ebenfalls „völlig an den Bedarfen der Nutzerinnen und Nutzer vorbei“, monieren die Grünen. „Spahn scheint die Probleme der Gesundheitsforschung nicht zu verstehen“, sagte Klein-Schmeink. Aktuell würden „immer umfassendere Datenbanken geschaffen, die dann aber oft zu unbrauchbaren Datensilos werden“. Sinnvoller wäre es, die Qualität bestehender Daten zu verbessern und sie so nutzbarer zu machen.

Kritik äußern die Grünen auch am bestehenden „Flickenteppich von Regelungen zur Forschungsdatenverarbeitung“. Die gegenwärtige rechtliche Lage von 16 Landesdatenschutzgesetzen, einem Bundesdatenschutzgesetz und der EU-Datenschutz-Grundverordnung sowie weiterer spezialgesetzlicher Regelungen auf Landesebene setzten „einen gerade für den Gesundheitsbereich außerordentlich unübersichtlichen Rahmen“, heißt es in dem Antrag. Das gelte insbesondere für länderübergreifende Forschungsvorhaben.

Die Linkspartei kritisiert ebenfalls fehlenden Patientennutzen. „Insbesondere Menschen, die wegen ihres Alters, ihrer Erkrankung oder ihres Pflegebedarfs nur eingeschränkt neue technologische Hilfsmittel benutzen können, müssen bei der Konzeption der elektronischen Patientenakte (ePA) und der anderen Telematik-Anwendungen mitgedacht werden“, heißt es in deren Antrag. Die Einbindung digitaler Technologien ins Gesundheits- und Pflegesystem müsse sich „am tatsächlichen Patienteninteresse nach digitaler Selbstbestimmung und guter und bedarfsgerechter Versorgung orientieren, (…) einen medizinischen Nutzen im Behandlungsalltag nachweisen können und die Versorgung auch sozial gerechter machen“. Der Nutzen für die Patienten scheine in der Strategie der Bundesregierung jedoch „zweitrangig zu sein, insbesondere im Vergleich zum Anliegen, der IT-Industrie schnellstmöglich Absatzchancen zu generieren“. Zudem fehle es an Datensicherheit.

FDP drängt auf digitale Weiterbildung

Die FDP wiederum sorgt sich um die Digitalkompetenz der Gesundheits-Fachkräfte. „Gerade in einem sensiblen Bereich wie Gesundheit geht die Digitalisierung über die bloße Anschaffung von Technologien hinaus“, heißt es in ihrem Antrag zum PDSG. Deshalb müsse dem Fachpersonal auch eine „Aus- und Weiterbildung im Umgang mit den neuen digitalen Anwendungen“ angeboten werden. 

Ansonsten drängen die Liberalen auf mehr Tempo bei der Digitalisierung. Sie fordern, das Fernbehandlungsverbot „vollständig abzuschaffen“, die Vernetzungsprozesse der Leistungserbringer zu beschleunigen und die elektronische Patientenakte „vollumfänglich und mit abgestuften Zugriffsrechten unverzüglich einzuführen“ – und zwar ergänzt um die Möglichkeiten, Arzttermine zu vereinbaren und an sie erinnert zu werden, Telekonsultationen mit Ärzten durchzuführen und mit ihnen auch Dokumente auszutauschen.

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