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Der "Pflege-Tüv" fällt bei Gesundheitsexperten selbst durch.

© dpa

Kritik am "Pflege-Tüv": Noten für Heime sind irreführend

Der „Pflege-Tüv“ sollte Orientierung bei der Auswahl von Heimen bieten Doch wer sich auf ihn verlässt, wird irregeführt.

Die Absichten waren die besten. Mit einem Benotungssystem für Pflegeheime sollten „schwarze Schafe“ kenntlich gemacht, der Wettbewerb gefördert und den „Kunden“ ein verlässlicher Qualitätsüberblick geboten werden. Doch fünf Jahre nach seiner Einführung geben Experten dem sogenannten Pflege-Tüv selber mieseste Noten. „Wenn ich ein Heim für meine Mutter suchen müsste, würde ich die Pflegenoten nicht zur Grundlage meiner Entscheidung machen“, sagt der Pflegebeauftragte der Regierung, Karl-Josef Laumann. Wer sich auf das Notensystem verlasse, werde „irregeführt“, wettert er. Und plädiert auf Abschaffung.

Obwohl den Versicherten für die Prüfungen pro Jahr 200 Millionen Euro abgeknöpft werden, haben sie nichts davon. Weil eine schlechte Bewertung mit einer guten und Wichtiges mit Nebensächlichem ausgeglichen werden kann, liegt der Notendurchschnitt für alle 12 500 Pflegeeinrichtungen hierzulande bei 1,3. Die Botschaft: Es ist ganz egal, in welches Heim man geht. Alles wunderbar.

"Pflege-Tüv" muss reformiert werden

Dass die Realität anders aussieht, erfährt die Öffentlichkeit vor allem deshalb nicht, weil die Anbieter das Notensystem von Anfang an mitgestalten durften. Doch ob man es gleich ganz abschaffen sollte oder nicht doch versuchen, es zum Besseren hin zu reformieren, ist umstritten. „Wenn am Ende alle eine Eins haben, dann bringt das Ganze nichts, dann könnten wir den Aufwand auch gleich lassen“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn. SPD-Experte Karl Lauterbach dagegen warnt davor, übers Ziel hinauszuschießen. In einer verbesserten Form müssten die Heimnoten schon bleiben, meint er. „Wir brauchen mehr Transparenz und nicht weniger.“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht das genauso. Der Pflege-Tüv müsse zwar von Grund auf saniert werden, sagt Vorstand Eugen Brysch. Ein Notensystem aber, wie man es aus der Schule kenne, müsse bleiben, denn es biete „gute Orientierung“. Allerdings müsse es, wie in der Schule auch, künftig „Hauptfächer geben, die nicht durch gute Noten in Nebenfächern ausgeglichen werden können“. Und der Experte zählt auf: Häufigkeit von Wundgeschwüren, Qualität der Medikamentenversorgung, gute Ernährung, Vermeidung von Fixierungen und Stürzen, Facharztversorgung, Hygiene.

Die Grünen wiederum werfen Laumann vor, ihnen die Idee der Pflegenotenabschaffung geklaut zu haben. Schon in der vergangenen Wahlperiode habe die Fraktion die „sofortige Aussetzung“ der Pflegenoten gefordert, erinnert Elisabeth Scharfenberg. „Dabei bleiben wir.“ Die Noten taugten nicht, um die Qualität von Einrichtungen oder ambulanten Diensten korrekt und transparent abzubilden. Und Laumann hätte lieber dafür sorgen sollen, im soeben verabschiedeten Pflegegesetz eine Alternative zum Pflege-Tüv unterzubringen, statt sich jetzt „wortreich zu empören“.

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