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Der Bundesnachrichtendienst ist für die Auslandsaufklärung verantwortlich.

© dpa/Christophe Gateau

Kosten für Geheimdienstpartys: Diese Spesen sind verräterisch

Wenn sich deutsche Spione mit Kollegen aus dem Ausland treffen, kann es teuer werden. Wie teuer, darf keiner wissen. Das leibliche Wohl gehört zum Staatswohl – und das geht vor.

Trotz eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts für mehr Transparenz der Geheimdienste soll es keine öffentlichen Auskünfte über die Höhe von Bewirtungskosten für Vertreter ausländischer Partner geben. Das hat das Bundeskanzleramt auf eine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (Linke) mitgeteilt.

In seiner Antwort erklärt der Nachrichtendienst-Beauftragte Wolfgang Schmidt (SPD), zugleich Chef des Kanzleramts, dass „unbedingte Vertraulichkeit“ die Grundlage jeglicher Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten darstelle. Schon die bloße Zahl der jährlichen Gesamtkosten könne im Fall ihrer Veröffentlichung das „Vertrauensverhältnis belasten“ und die „internationale Zusammenarbeit beschädigen“.

Aufgrund der besonderen Sensibilität dieser Zusammenarbeit würde die offene Benennung selbst der bloßen jährlichen Höhe der Bewirtungskosten Zweifel an der Verlässlichkeit der deutschen Nachrichtendienste hervorrufen und so die internationale Zusammenarbeit beschädigen.

Wolfgang Schmidt (SPD), Chef des Bundeskanzleramts und Beauftragter für die Nachrichtendienste

Anlass für Dagdelens Anfrage war ein Bericht des „Spiegel“ vom vergangenen November, wonach das Bundesamt für Verfassungsschutz für ein zweitägiges „Spaßprogramm“ samt Bootsausflug rund 25.000 Euro ausgegeben haben soll – allein das Mittagessen auf einem Katamaran habe mehr als 200 Euro pro Teilnehmer gekostet. Dies habe der Bundesrechnungshof beanstandet, da nach den Regeln des Amts grundsätzlich nur 30 Euro pro Person gezahlt werden dürften.

Der Rechnungshof prüft regelmäßig die Finanzen von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) sowie dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), der Spionageabwehr der Streitkräfte. Laut „Spiegel“ habe es bei Stichproben zahlreiche Mängel bei allen drei Geheimdiensten gegeben. Doch statt auf schärfere Kostenkontrolle hinzuwirken, habe das Kanzleramt den 30-Euro-Deckel bei „Anlässen von besonderer Bedeutung“ pauschal aufgehoben. Begründung: Ausländische Geheimdienste zeigten sich bei ihren Einladungen wesentlich spendabler als die deutschen.

Doch selbst, ob es künftig eine Flasche Wein mehr sein darf, ist aus Sicht der Bundesregierung ein staatliches Bewirtungsgeheimnis: „Die Bundesregierung nimmt zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung. Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend ist oder nicht“, teilt das Kanzleramt dem Tagesspiegel mit.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Fragerecht der Parlamentarier gestärkt

Die Linke-Politikerin hatte sich deshalb beim Kanzleramt zumindest über die Gesamtkosten für die Events erkundigen wollen – und eine Abfuhr bekommen. Die Ausgaben als solche seien aus Gründen des Staatswohls als „geheim“ einzustufen, hieß es.

Mitte Dezember stärkte das Bundesverfassungsgericht dann aber das parlamentarische Fragerecht der Abgeordneten zu den Nachrichtendiensten des Bundes (Az.: 2 BvE 8/21). Die Regierung sei verpflichtet, eine Verweigerung von Auskünften genau zu begründen, heißt es in dem Urteil. Der bloß abstrakte Hinweis, dass durch bestimmte Einzelangaben Rückschlüsse auf Arbeitsweisen der Dienste möglich seien, genüge nicht. Denn eine solche „Mosaiktheorie“, wonach in jedem Detail eine potenziell verräterische Information stecken könne, ließe den parlamentarischen Kontrollanspruch leerlaufen.

Dagdelen fragte mit Blick auf das Urteil noch mal – und scheiterte jetzt wieder. Die zuvor gegebene Antwort sei „erneut sorgfältig geprüft und bewertet“ worden, schrieb Kanzleramtschef Schmidt. Die Regierung habe jedoch keine lediglich abstrakte Begründung für ihre Ablehnung geliefert, sondern vielmehr „anhand des Einzelfalls“ argumentiert. Das Informations- und Fragerecht des Bundestags werde auch im Licht des Urteils daher „nicht per se verletzt“.

Die Abgeordnete hält das für eine Ausrede. Die Bundesregierung missachte das Karlsruher Urteil, da die begehrten Auskünfte zur bloßen Höhe der Bewirtungskosten weder die Funktionsfähigkeit der Dienste beeinträchtigten noch exekutive Geheimhaltungsinteressen vorliegen, die den Informationsanspruch des Parlaments überwiegen könnten.

„Die Bewirtungskosten der Geheimdienste unter fadenscheinigen Vorwänden zur Verschlusssache zu erklären und sie gleichzeitig für große Sausen von vermeintlich besonderer Bedeutung nicht mehr zu deckeln, ist vollkommen inakzeptabel“, sagte Dagdelen. „Die Steuerzahler haben ein Recht auf Transparenz.“

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