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Eine Person zieht eine Line Kokain mit einem Geldschein (Symbolfoto).

© imago stock&people

Kokainspuren in elf von zwölf Toiletten: Das Drogenproblem vom Westminster-Palast

Der britische Premier Boris Johnson will Drogenkriminalität härter bekämpfen. Doch offenbar nehmen es seine Parlamentarier mit dem Gesetz selbst nicht genau.

Alles war bestens vorbereitet: In dieser Woche wollte sich die britische Regierung von Premier Boris Johnson als unerschrockene Kämpferin für Recht und Ordnung präsentieren. Als Kernstück der vielfältigen Ankündigungen galt eine am Montag im Unterhaus vorgestellte, auf zehn Jahre angelegte Anti-Drogen-Strategie.

Peinlich nur, dass ausgerechnet jetzt eine neue Untersuchung belegt: Im Herzen der parlamentarischen Demokratie wird nach Herzenslust gedopt und geschnupft. Parlamentspräsident Lindsay Hoyle hat Scotland Yard alarmiert.

Johnson war zuvor eigens nach Liverpool gereist, um als Drogen-Sheriff Eindruck zu machen. In einem Polizeiparka, den weißblonden Haarschopf unter einer schwarzen Wollmütze verborgen, pries Johnson seine Drogenpolitik.

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Rund 300.000 Problemfälle – auf das Konto dieser Abhängigen geht der Polizeistatistik zufolge die Hälfte aller Einbrüche sowie Diebstahls- und Raubdelikte im Land – erhalten bessere Therapiemöglichkeiten. Gleichzeitig sollen die Strafverfolger binnen zehn Jahren 2000 jener Gangs aus dem Verkehr ziehen, die das Land mit Kokain und Heroin versorgen.

Innenministerin Priti Patel nimmt außerdem eine dritte Gruppe ins Visier: gelegentliche Konsumenten harter Drogen, die ihre Sucht soweit unter Kontrolle haben, dass sie bürgerliche Berufe ausüben können. Bei einer Verurteilung soll diesen Delinquenten zukünftig Führerschein oder Reisepass entzogen werden.

Koks und Verstöße gegen Corona-Regeln - im britischen Parlament

Ob diese Idee einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde? Jedenfalls reiht sie sich nahtlos ein in die langjährige Politik von Regierungen verschiedener Couleur, die stets auf Härte und Abschreckung setzten. Zwar gibt es ein umfassendes Methadon-Programm sowie eng umgrenzte Experimente mit der medizinisch überwachten Ausgabe von Heroin an Schwerstsüchtige.

Weiterhin steht aber die Strafverfolgung sowohl von Dealern wie von Süchtigen im Vordergrund. Dabei hat schon 2014 eine regierungsamtliche Untersuchung festgestellt, es gebe „keinen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Strenge der Bestrafung von Drogenbesitz und der Häufigkeit des Konsums“.

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Einig sind sich die Fachleute immerhin in der Diagnose: Es muss etwas getan werden. Die Zahl der Drogentoten in England und Wales lag im vergangenen Jahr bei 4561, dem höchsten Stand seit 1993. In Schottland ist die Lage noch schlimmer: Dort starben 1339 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums. Dass harte Drogen wirklich überall sind, beweisen neue Zahlen aus dem Palast von Westminster, dem Sitz des britischen Parlaments. Bei kürzlichen Schnelltests in den weitläufigen Gebäuden fanden sich in elf von zwölf Toiletten Kokainspuren, berichtet die „Sunday Times“.

Der britische Premierminister Boris Johnson nimmt an einer Drogenrazzia der Polizei teil.
Der britische Premierminister Boris Johnson nimmt an einer Drogenrazzia der Polizei teil.

© Christopher Furlong/REUTERS

Beim Ältestenrat steht das Thema diese Woche auf der Tagesordnung. Im Unterhaus gebe es ja seit langem Bombenspürhunde, weiß Ausschusschef Charles Walker. „Vielleicht müssen wir jetzt auch Drogenspürhunde einsetzen.“

Für die Regierung hat die neue Diskussion über die Drogenpolitik immerhin einen gewissen Ablenkungseffekt. Am Wochenende waren die Zeitungen nämlich voll von einem anderem gesetzeswidrigen Verhalten: Im Advent vergangenen Jahres gab es in der Downing Street für offenbar mehr als drei Dutzend Angestellte eine fröhliche Weihnachtsfeier mit „Getränken, Snacks und Partyspielen“.

Der Haken an der Sache: Zu diesem Zeitpunkt waren solche Zusammenkünfte bei Androhung saftiger Strafen verboten. „Alle Coronaregeln wurden eingehalten“, beteuern Regierungsmitglieder treuherzig wie unglaubwürdig.

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