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Nach Impfungen mit Kochsalzlösung im April im Kreis Friesland könnten mehr Menschen als zunächst angenommen betroffen sein.

© dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Update

Nach Kochsalz-Impfskandal in Friesland: Mehr als 2000 zu Nachimpfungen angemeldet

Ermittlungen weisen daraufhin, dass die Verdächtige in voller Absicht Impfungen mit Kochsalzlösung verabreichte. Betroffen sind vor allem ältere Menschen.

Nach möglichen Impfungen mit Kochsalz-Lösungen im Kreis Friesland haben sich nach Angaben des niedersächsischen Gesundheitsministeriums bereits mehr als 2000 Menschen zu Nachimpfungen angemeldet. Am Dienstag war bekannt geworden, dass Tausende Menschen - und damit weit mehr als zunächst angenommen - keinen Impfschutz gegen Covid-19 haben könnten, weil eine Krankenschwester Spritzen mit einer Kochsalzlösung statt mit Impfstoff aufgezogen haben soll.

Möglicherweise betroffen sind nach Angaben des Kreises 8557 Menschen, die im Zeitraum zwischen dem 5. März und dem 20. April geimpft wurden.

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„Die Bürgerinnen und Bürger reagieren sehr besonnen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Mittwoch in Hannover. Es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, ob es infolge von Kochsalz-Injektionen zu schweren Erkrankungen mit Covid-19 gekommen sei. „Das sind Meldedaten, die hier nicht übereinander gelegt werden - auch aus Datenschutzgründen“, erklärte die Sprecherin.

Bereits am 21. April war bekannt geworden, dass die verdächtige Mitarbeiterin sechs Menschen nicht den für sie vorgesehenen Biontech-Wirkstoff injiziert hatte. Der Skandal weitete sich immer mehr aus. Das erklärte Frieslands Landrat Sven Ambrosy (SPD) am Dienstag in Jever. Berichtet hatte darüber zunächst der NDR.

Fehlenden Impfungen so schnell wie möglich nachholen

Die betroffenen Personen würden nun vom Landkreis angeschrieben, um die möglicherweise fehlende Impfungen nachzuholen, sagte Ambrosy. Darüber hinaus ist eine kostenfreie Telefonnummer geschaltet.

Die fehlenden Impfungen sollen nun so schnell wie möglich nachgeholt werden. „Wir müssen den Schaden von diesen Menschen abwenden, auch wenn wir nicht wissen, wie viele Menschen wirklich betroffen sind“, sagte Ambrosy.

Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass doch bereits zwei Impfungen vorliegen sollten, seien nach Rücksprachen mit dem Robert Koch-Institut (RKI) und der Ständigen Impfkommission (STIKO) weitere Impfungen medizinisch unbedenklich, sagte der Präsident des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, Matthias Pulz. Die Nebenwirkungen könnten dann aber so ausfallen wie bei einer zweiten Impfung - „vielleicht etwas ausgeprägter“, sagte Pulz. „Aber es sind auf der Stelle dann zu erwartende Nebenwirkungen und nicht ungewöhnliche Komplikationen.“

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Betroffen sollen vor allem Menschen sein, die über 70 Jahre alt sind. Allerdings seien in dem Zeitraum auch Mitarbeiter mobiler Pflegedienste, Hospizmitarbeiter, Erzieherinnen oder Ärzte geimpft worden, sagte die stellvertretende Corona-Krisenstabsleiterin Claudia Schröder. Nach ihren Angaben sollen sie per Post oder E-Mail informiert werden. Zugleich ermutigte sie alle, ein Angebot zur Nachimpfung anzunehmen. „Rund 8500 Menschen stehen nun vor der Frage: 'Soll ich mich erneut impfen lassen?' Wir können nur absolut dazu raten.“

Vorgehen könnte politisch motiviert gewesen sein

Ursprünglich war davon ausgegangen worden, dass die Frau habe vertuschen wollen, dass ihr Ampullen heruntergefallen seien. Zwischenzeitlich fand die Polizei jedoch heraus, dass die Frau auf sozialen Medien Impf-kritische Texte geteilt hatte. Nun hat das Fachkommissariat für politisch motivierte Kriminalität die Ermittlungen übernommen.

[Mehr zum Thema: Was verraten Antikörpertests über den Impfstatus?(T+)]

Dies erklärte der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, Peter Beer, bei einer Pressekonferenz. Zudem habe die Frau über einen Chat corona-kritische Informationen verteilt, sagte Beer. „Das ist aber alles, was wir bisher im Rahmen der Ermittlungen festgestellt haben.“ Die Frau schweigt laut Polizei zu dem Geschehen.

Bei den mutmaßlich betroffenen Personen wurde der Impfschutz mit Antikörpertests überprüft. Diese können aufdecken, ob statt des Impfstoffs etwas anderes gespritzt wurde, denn dann entstehen keine Antikörper gegen das Spikeprotein.

„Wenn diese Personen nur Kochsalzlösung bekommen haben, würden sie auch keine Antikörper haben, es sei denn, sie waren infiziert“, sagte der Immunologe Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hierzu dem Tagesspiegel.

Antikörpertests sollen Impfstatus ermitteln

Wenn jedoch nur eine der beiden Impfungen mit Kochsalzlösung vorgenommen worden sei und die andere den Impfstoff enthielt, werde die Sache komplizierter. „Denn dann wären die Antikörperspiegel bei den meisten da, aber eben geringer.“

Watzl meint, dass es für die Pandemiebekämpfung und vor allem für die derzeit heftig geführte Diskussion um Auffrischungsimpfungen für vollständig Geimpfte in der Bevölkerung einen großen Bedarf nach aussagekräftigen Tests zum Impfstatus gäbe. „Medizinisch wäre es schön, wenn man vor der Entscheidung für eine Auffrischungsimpfung erst mal nachschauen könnte, ob der Titer – also die Menge – der Antikörper so sehr abgesunken ist, dass eine Boosterung überhaupt nötig ist.“ (Tsp mit dpa)

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