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Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlandes, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern.

© dpa/ Wolfgang Kumm

Koalitionsverhandlungen: Ein echter Durchbruch nach zehn Jahren Streit

Ein Aufbruch in der Bildung soll das "Leuchtturmprojekt" von Union und SPD sein. Zu der notwendigen Bildungsrevolution ist der Weg aber noch weit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Amory Burchard

Es gibt ihn doch, den einen ganz großen Ruck, der für Deutschland von der Neuauflage der Großen Koalition ausgehen könnte. Die Bildung soll das „Leuchtturmprojekt“ von Union und SPD sein, hat Manuela Schwesig (SPD) verkündet. Mit dem Bildungs- und Forschungspaket, auf das man sich geeinigt habe, sei ein „Meilenstein“ erreicht: „Noch nie haben wir so viel Geld für Bildung bereitgestellt.“ Kündigt sich da eine neue Bildungsrevolution an?

Tatsächlich sind mehrere große Durchbrüche erzielt worden – in Feldern, auf denen seit über einem Jahrzehnt kaum Konsens zwischen Union und SPD und auch zwischen Bund und Ländern möglich war. Bei der SPD ist jetzt die Rede von der Aufhebung des Kooperationsverbots auch für die Schulbildung. Teilweise war es schon im vergangenen Jahr gefallen, indem der Bund finanzschwachen Kommunen beim Ausbau der Bildungsinfrastruktur finanziell helfen durfte. Jetzt soll er allen Kommunen helfen dürfen.

Ganz konkret heißt das auch, dass marode Schulgebäude (und Schultoiletten!) schneller saniert werden können. Die neuen Möglichkeiten sollen per Grundgesetzänderung verankert werden. "Aufhebung des Kooperationsverbots" will die Union das zwar nicht nennen, im Entwurfstext für die Koalitionsvereinbarung ist von einer Anpassung der Rechtsgrundlage (in Artikel 104c des Grundgesetzes) die Rede. Aber de facto muss man der SPD sicher recht geben, dass das Verbot von 2006 nun endgültig vom Tisch ist.

Schulen sollen endlich schnelles Internet erhalten

Insgesamt zusätzlich elf Milliarden Euro umfasst das von den Unterhändlern angekündigte Bildungs- und Forschungspaket. Zwei Milliarden für den weiteren Ausbau der Ganztagsschulen waren schon in den Sondierungsgesprächen vereinbart worden. Dieses Geld muss den Ganztagsschulen den überfälligen Qualitätsschub geben – weg vom rein quantitativen Ausbau hin zu mehr pädagogischen Angeboten auch am Nachmittag. Doch vor allem muss der neue Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz im Grundschulbereich finanziert werden. Das bis 2025 zu schaffen ist ein überaus ehrgeiziges Projekt - und zwei Milliarden Euro werden dafür nicht reichen.

Neu im Paket ist nun auch ein konkreter Betrag für den Digitalpakt: Mit fünf Milliarden Euro sollen 40 000 Schulen ein schnelles Internet und eine zeitgemäße IT-Ausstattung erhalten. Damit ist endlich das Geld da, das Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) nicht auftreiben konnte.

Investitionen „in die komplette Bildungskette“ hat Schwesig am Morgen verkündet - von der Kita über Schulen, Berufsbildung und Hochschulen. Für letztere wird die Verlängerung des Hochschulpakts für den Ausbau der Studienanfängerplätze bis 2021 mit 600 Millionen Euro gesichert. Verankert ist auch, dass der Pakt danach "auf ewig" gestellt wird, die Hochschulen also endlich Planungssicherheit bekommen. Doch das Prozedere dazu im einzelnen zwischen Bund und Ländern auszuhandeln bleibt eine Herkulesaufgabe für die nächsten Jahre. Verpflichten will sich die Koalition auch, bis 2025 das Ziel zu erreichen, 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren. Da Deutschland heute noch nicht einmal bei den zuvor vereinbarten drei Prozent ist - auch wegen des anhaltenden Wirtschaftswachstums - ist auch hier eine gigantische Kraftanstrengung nötig.

Die drohende Bildungskatastrophe ist dadurch nicht abgewendet

Wäre mit alledem die drohende „Bildungskatastrophe“ abgewendet, die Bildungsexperten angesichts des fehlenden Lehrkräftenachwuchses vor allem in den Grundschulen heraufziehen sehen? Noch lange nicht, auch wenn man davon ausgeht, dass die Koalition wirklich zustande kommt. Aber neben den großen Projekten wie Kita- und Ganztagsschulausbau und Digitalpakt will die GroKo auch das große Ganze in den Blick nehmen – mit der Schaffung eines Nationalen Bildungsrats nach dem Vorbild des Wissenschaftsrats. Das Gremium aus Bildungswissenschaftlern, Vertretern der Zivilgesellschaft und der Politik soll Bildungsreformen für Bereiche wie Ganztagsausbau, Inklusion und Digitalisierung empfehlen – mit bundesweiter Verbindlichkeit. Aber auch hier gilt: Bis daraus ein bundesweiter Reformkonsens erwächst, ist es noch ein sehr weiter Weg.

Ein bisschen offen ist indes auch noch die finanzielle Absicherung des Digitalpakts, schließlich war er noch nicht im bei den Sondierungen vereinbarten Finanzrahmen von 46 Milliarden Euro für alle Vorhaben. Doch auf das Ziel, die Schulen ins 21. Jahrhundert zu holen, haben sich am Donnerstag schon die Parteispitzen und die Konferenz der Ministerpräsidenten verpflichtet. Die Fahrt, die die GroKo in Richtung „Leuchtturmprojekt Bildung“ aufgenommen hat, sollte reichen, um möglichst vieles von dem zu verwirklichen, was man sich vorgenommen hat.

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