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Ein kenianische Flagge, Sinnbild für eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen.

© Marijan Murat/dpa

Koalitionsbildung nach der Wahl: Kenia in Brandenburg? Eine gute Idee!

In Brandenburg könnte sich ein Bündnis finden, das die Politik erfrischt und auch denen nutzt, die sich vom Potsdamer Betrieb abgewandt haben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Das war der Brandenburger CDU nicht unbedingt zuzutrauen. Einstimmig haben die 15 Abgeordneten der neuen Landtagsfraktion Jan Redmann zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Das ist ein erstaunlicher und erfreulich deutlicher Ausdruck von Kompromissbereitschaft. "Weg frei für Kenia", lautete eine Schlagzeile in den Online-Medien. Als einer der ersten gratulierte der SPD-Generalsekretär Erik Stohn dem potentiellen Koalitionspartner.

Es ist, als hätten die CDU-Abgeordneten noch mal auf ihren gescheiterten Spitzenkandidaten Ingo Senftleben gehört. Der hatte im Wahlkampf gesagt: Erst kommt das Land, dann die Partei. Jetzt haben die CDU-Abgeordneten, die noch vor einer Woche in zwei zerstrittene Lager zerfallen waren, den Sozialdemokraten und den Grünen zu verstehen gegeben: An uns muss ein Bündnis nicht scheitern.

Dem Land kann das nur gut tun. Nicht bloß, weil eine rot-rot-grüne Regierung mit einer einzigen Stimme Mehrheit im zunehmend rauen Klima der Brandenburger Politik leichter scheitern kann als ein rot-schwarz-grünes Bündnis mit fünf Stimmen über dem Minimum. Brandenburg hat ein paar politische Erfrischungen dringend nötig. Das ist bloß im Getöse von Dietmar Woidkes wahlkämpferischer Abwehrschlacht gegen die AfD mit ihrem stramm rechten Frontmann Andreas Kalbitz untergegangen.

Gute Politik für das weite Land ist schwer

Es war ja bezeichnend, dass von den Piraten und Linken über die Parteien der Mitte bis zur AfD alle Ähnliches forderten und versprachen: mehr Busse und Bahnen, mehr Geld für Bildung, mehr Mobilfunk, eine bessere medizinische Versorgung in den Teilen des Landes, die immer menschenleerer werden. Wenn alle das Gleiche fordern und versprechen, haben alle die gleichen großen Defizite erkannt.

Man darf gespannt sein, wie sich die drei möglichen Partner polit-inhaltlich orientieren. Der CDU-Mann Ingo Senftleben war mal ein Bildungspolitiker mit Ambitionen. Über das Städtchen Ortrand schrieb er im Wahlkampf, dort sei eines der ersten Bildungszentren in Brandenburg gebaut worden: Kita, Grundschule, Oberschule - "alles unter einem Dach". In einer Gemeinde mit 2400 Einwohnern ist sowas ein großer Vorteil. Es bindet Einwohner, es bindet junge Leute, und es schafft Lebensqualität, weil Kinder und Jugendliche und Eltern nicht viel Zeit mit Fahrerei verbringen müssen.

Das ist bloß ein Beispiel für Infrastrukturpolitik, die den ländlichen Raum nicht aufgibt. Gewiss, es ist über alle Parteigrenzen hinaus schwer, gute Politik für das weite Land zu machen. Die Berliner Umgebung wird voller und immer dichter besiedelt. Unternehmen ziehen her, die Flächen brauchen. Menschen ziehen her, denen Berlin zu eng, zu voll und zu nervig geworden ist. Und die Politik sieht sich verpflichtet, das Geld ins Berliner Umland zu pumpen. Hier ist die Zukunft - und hier leben die Wähler.

Es wäre politisch falsch, die Potsdam-fernen Regionen aufzugeben

Da sind 76.000 Menschen, gut verteilt in der Prignitz, oder 120.000 verstreute Uckermärker einfach weniger wichtig, zumal sie nicht automatisch diejeninge wählen, die besonders viel für sie tun. Und doch wäre es politisch falsch, die Potsdam-fernen Regionen aufzugeben oder dort die Art von Politik zu machen, die über viele Jahre betrieben worden ist: viel Fläche an finanzstarke Investoren, und wenn sie dort bloß Mais anbauen, dann ist das eben so. Ansonsten ein bisschen Tourismusförderung, und das war es im Großen und Ganzen.

Dabei sind im Schatten der Potsdamer Politik Projekte entstanden, Menschen aufs Land gezogen oder sogar geblieben, die Unterstützung verdient haben. Das gilt für Rückkehrer-Initiativen, für neue Wohn- und Arbeitskonzepte, und das gilt erst recht für die Einzelkämpfer, die eine andere Landwirtschaft versuchen.

Die Politik muss Vertrauen zurückgewinnen

Die Grünen, die gerade in den konservativen, stadtfernen Gegenden nicht immer gut gelitten waren, hätten hier ein Betätigungsfeld, das man zum Blühen bringen kann. Denn auf dem Land geht es nicht um große Strukturen und gigantische Investitionen (wie sie sich die SPD offenbar für die Lausitz erhofft), sondern um das, was den Grünen ohnehin liegt: kleine Projekte, neue Wohn- und Arbeitsformen, neue Ideen für Mobilität.

Kenia in Brandenburg könnte zeigen: Wir haben verstanden. Wir sind offen für Ideen und für Leute, die etwas machen wollen. Hier kommen unsere Ideen, verbunden mit dem Versprechen, das Brandenburg besser wird. Nicht allein dem Land täte das gut. Auch eine Politik, von der sich ein Fünftel der Wähler demonstrativ abgewandt hat, muss etwas tun, um Vertrauen zurückzugewinnen.

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