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Energiepolitik: Koalition streitet weiter um Atomkraftwerke

Die Entscheidung von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gegen eine Laufzeitverlängerung für das hessische Kernkraftwerk Biblis A sorgt für Krach in der Koalition.

Berlin - Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber warf der SPD "ideologische Verstockung" vor. Die umweltpolitische Sprecherin der Union, Marie-Luise Dött (CDU) sagte, Gabriel dürfe sein Urteil nicht allein treffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) akzeptierte dagegen Gabriels Vorgehen. Die SPD warf der Union koalitionsschädigendes Verhalten vor. Das Bundesumweltministerium steht einem Zeitungsbericht zufolge wegen der Entscheidung des Ministers vor einer Reihe von Klagen. Gabriel hatte unter Berufung auf das Atomgesetz eine Übertragung von Laufzeiten des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf den Atomreaktor Biblis A abgelehnt. Die Laufzeit des ältesten deutschen Atomreaktors endet voraussichtlich im April 2009.

Huber forderte eine neue Diskussion über die Nutzung der Kernenergie. "Die SPD muss endlich aus ihrer ideologischen Verstockung herauskommen und sich den neuen Herausforderungen des Klimaschutzes stellen", sagte er. Es sei gerade unter diesem Gesichtspunkt notwendig, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke zu verlängern. Die CDU-Frau Dött betonte: "In Sachen Biblis ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.". Das müssten jetzt die Gerichte klären. Eine Strommengenübertragung sei möglich, Gabriel dürfe nicht ohne Kanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium Nein sagen.

Merkel hat sich jedoch bereits hinter die Entscheidung Gabriels gestellt. "Nach den rechtlichen Grundlagen hat er die Möglichkeit", sagte sie. Dem Minister stehe die Entscheidung laut Koalitionsvertrag zu. "Ich bin vertragstreu", sagte die Kanzlerin. "Das heißt aber nun nicht, dass die Union die Entscheidung gut findet", fügte sie hinzu. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber sagte, intern habe die Union mehrmals eingeräumt, dass der Antrag auf Laufzeitverlängerung für Biblis A laut Atomgesetz abzulehnen sei. Das Verhalten der Partei sei verlogen. Merkel und der Union gehe es offenbar nur darum, den Energiekonzernen eine Klage gegen die Entscheidung zu erleichtern und den rot-grünen Atomkonsens auszuhebeln.

Vattenfall möchte Brunsbüttel länger betreiben

Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" prüft neben dem RWE-Konzern auch das Unternehmen Vattenfall den Gang zum Verwaltungsgereicht, und zwar falls das Bundesumweltministerium die beantragte Laufzeitverlängerung für das Kernkraftwerk Brunsbüttel ablehnt. Wie RWE für seinen Altmeiler Biblis A möchte Vattenfall bislang nicht genutzte Strommengen des nur kurzzeitig betriebenen Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf das Kraftwerk Brunsbüttel übertragen, um dessen Laufzeit um zweieinhalb Jahre bis Ende 2011 zu verlängern. Das Bundesumweltministerium vertritt aber im Gegensatz zum Kanzleramt und zum Wirtschaftsministerium die Auffassung, dass das Atomgesetz die Nutzung der Mülheim-Kärlich-Mengen für diese Altmeiler verbietet.

Neben der bereits angekündigten Klage wegen der Mülheim-Kärlich-Mengen will RWE zudem gegen die Absicht des Ministeriums vorgehen, den Bescheid über die hilfsweise beantragte Übertragung von Strommengen des jüngeren RWE-Kraftwerks Emsland auf Biblis von einer Sicherheitsanalyse des Kernkraftwerks Emsland mit dem Reaktorblock Biblis A abhängig zu machen. RWE-Kraftwerkschef Jan Zilius sagte, ein solcher Antrag müsse allein auf Basis des Sicherheitsstatus von Biblis A beschieden werden. Eine vergleichende Sicherheitsanalyse beider Anlagen sei im Atomgesetz ausdrücklich nicht vorgesehen. Von daher werde RWE auch die vom Ministerium für einen solchen Vergleich angeforderten Unterlagen nicht vorlegen. Im Übrigen habe die hessische Atomaufsichtsbehörde erst kürzlich das "hohe Sicherheitsniveau" von Biblis A testiert. (tso/ddp)

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