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Mehr Klimagelder für mehr Abschiebungen - das schlägt die FDP vor.

© Julian Stratenschulte/dpa

Klimagelder nur gegen Abschiebungen?: Eine Politik der Menschenrechte erpresst nicht

Länder sollen Klimagelder nur erhalten, wenn sie dafür Abgeschobene aus Deutschland aufnehmen, forderte der FDP-Fraktionschef. Zwei Grünen-Politiker widersprechen. Ein Gastbeitrag.

Von
  • Julian Pahlke
  • Kathrin Henneberger

Es war ein seltsamer Weg, dem am Wochenende noch nicht ernannten Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, einen Auftrag zu übermitteln: Christian Dürr wählt die BILD-Zeitung und schlägt darin neue Abschiebeabkommen vor. Staaten sollen Geld für Klimaschutz erhalten, um CO2-neutrale Kraftstoffe für Europa zu erzeugen und nehmen im Gegenzug abgelehnte Asylbesucher:innen auf.

Einzig die Perspektive der Staaten des globalen Südens spielt in dieser Logik keine Rolle. Diese Staaten zu Erfüllungsgehilfen europäischer Interessen und damit einer gescheiterten Migrationspolitik zu machen, ist ein Irrweg, auf dem so mancher Konservativer bereits verloren gegangen ist.

Staaten im globalen Süden wollen echte Kooperation auf Augenhöhe und genau dies ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Heißt: Die Staaten müssen mit ihren Interessen ernst genommen werden. Sie sollen fair an Handel teilhaben, Ausbildungsmöglichkeiten sollen offen stehen, sie sollen eigene Modernisierung betreiben können und Respekt für eigene innenpolitische Ziele erfahren.

Kolonialer Duktus wird zurecht scheitern

Abkommen, die ausschließlich europäischen Interessen und nicht denen der Partnerländer dienen, können nur scheitern. Die letzten Jahre haben die gegen null gehenden Erfolgsaussichten unter Beweis gestellt, wenn es nur um Rückführungen und Abwehr von Flüchtenden geht. Von oben herab und im kolonialen Duktus, wie Christian Dürr und Christian Lindner sich den Posten vorstellen, wird kein tragfähiges Abkommen aus gegenseitigem Respekt zustande kommen.

Mit Dürrs harter Linie wäre Stamp zum Scheitern verurteilt, noch ehe er richtig begonnen hat.

Die Grünen-Politiker Julian Pahlke und Kathrin Henneberger kritisieren Christian Dürr von der FDP.

Mit Dürrs harter Linie wäre Stamp zum Scheitern verurteilt, noch ehe er richtig begonnen hat. Was solche Abkommen dagegen leisten können, sind Angebote für Visaerleichterungen, Qualifizierungsmaßnahmen und besseren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu machen. Wenn Staaten Menschen zurück nehmen sollen, braucht es alternative Zugangswege. Gerade wenn für diese Staaten die finanziellen Rücküberweisungen ein wichtiger Faktor sind, ist dieses Angebot umso wichtiger. Ein Zusammenhang, der in den Migrationswissenschaften schon länger eine feste Erkenntnis ist.

Dazu braucht es auch Zugang zu Schutz. Bis heute ist die Frage, wie Menschen auf der Flucht eigentlich einen sicheren Ort in Würde erreichen, vor allem theoretisch, aber selten praktisch beantwortet worden. Es wäre eine Chance, genau diesen Aspekt zur politischen Priorität und tödliche Routen wie die über das Mittelmeer endlich überflüssig zu machen. Die Frage ist, ob diese Chance genutzt wird und es gelingt, in einem ehrlichen Diskurs eine menschenrechtsbasierte Antwort auf die Auswirkungen von Kriegen, Konflikten und der Klimakrise zu finden.

Mit der Zunahme von Wetterextremen, wie die verheerende Flut in Pakistan, sowie Hitzewellen und Dürren, vorrücken von Wüstenbildung, Versalzung von Trinkwasser der Küstenregionen, Anstieg des Meeresspiegels, verlieren Menschen im globalen Süden bereits jetzt ihre Lebensexistenz. Es ist aber nicht „nur“ die Lebensgrundlage, die die Klimakrise raubt: Geschichte, Kultur, Identität und Gemeinschaft werden zerstört. Die Klimakrise verursacht und fördert gewalttätige Landnutzungskonflikte, steigert soziale Ungleichheit und verringert bereits sehr real die Möglichkeiten von Ländern Armut sowie ihre Schuldenlast zu mindern. Die Folgen der Klimakrise sind bereits heute einer der größten Fluchtursachen und werden diese in Zukunft noch verstärken.

Eine Dürre hat in Somalia den Hunger noch verschlimmert. Viele Menschen suchen ihr Heil in der Flucht.

© dpa / Farah Abdi Warsameh

Die Rücknahme von asylsuchenden Menschen „an Geldern für den Klimaschutz zu koppeln“ ist deshalb auch aus klimapolitischen Gründen verwerflich: Globale Klimafinanzierung ist eine Selbstverständlichkeit. Als eins der größten Emittenten weltweit aktuell sowie historisch, hat sich die Bundesregierung mit dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet, bis spätestens 2025 jährlich mindestens sechs Milliarden Euro an Haushaltsgeldern für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen.

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Milliarden Euro will Deutschland ab 2025 jährlich an internationalen Klimageldern bereitstellen. Zu wenig, sagen die Grünen.

Doch wir hinken unseren eh schon zu geringen Versprechen hinterher - denn ein fairer Anteil läge eher bei zehn Milliarden Euro pro Jahr – auch und zentral aufgrund der Verweigerung im FDP geführten Bundesfinanzministerium mehr Mittel für Klimagerechtigkeit bereit zu stellen.

Die Zusammenarbeit mit anderen Regionen zu dekolonialisieren und Klimagerechtigkeit zu gestalten, beginnt mit gegenseitigem Respekt – und nicht dem globalen Süden als Tankstelle für klimarenitente Sportwagenfahrer:innen

Julian Pahlke und Kathrin Henneberger

Bereitgestellte (Klima-)Entwicklungsgelder an Bedingungen zu knüpfen, die direkt der Autoindustrie in Deutschland zugutekämen, entlarven zudem eine eurozentrische Denkweise aus dem letzten Jahrtausend. Die Zusammenarbeit mit anderen Regionen zu dekolonialisieren und Klimagerechtigkeit zu gestalten, beginnt mit gegenseitigem Respekt – und nicht dem globalen Süden als Tankstelle für klimarenitente Sportwagenfahrer:innen.

Der zweite Schritt ist einen über Ländergrenzen und Eigeninteresse hinweg ehrlichen Diskurs darüber zu führen, wie wir globale und solidarische Antworten auf klimainduzierte Flucht und Vertreibung finden. Vorschläge wie ein „Klimapass“ wurden leider nie weiter verfolgt.

Es liegt jetzt an Joachim Stamp, die scharfe Tonlage seines Fraktionvorsitzenden zu überhören. Denn deutsche Diskussionen um Autokraftstoffe sind sicherlich nichts, auf dass die Welt aus Berlin wartet.

Über die Autor:innen: Julian Pahlke ist zuständig für das Thema Flucht in Europa und international und sitzt im Innenausschuss, Europaausschuss und Menschenrechtsausschuss im Deutschen Bundestag. Kathrin Henneberger ist zuständige für internationale Klimagerechtigkeit der Grünen Bundestagsfraktion und sitzt in den Ausschüssen Klima & Energie sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit & Entwicklung

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