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Olaf Scholz wird Gast bei der Republica sein.

© REUTERS/Hannibal Hanschke

Kanzler Scholz bei der Republica: Ohne Digitalisierung wird die Regierung keine der Krisen lösen können

Die Digitalstrategie der Ampel ist ein Haufen altbekannter Stichworte. Analog sind die aktuellen Konflikte aber nicht in den Griff zu kriegen. Ein Kommentar.

Wenn Olaf Scholz am heutigen Donnerstag auf Deutschlands größter Digitalkonferenz, der Republica, spricht, wird er der erste Bundeskanzler auf dieser Bühne sein. Das sagt weniger über Scholz’ Kompetenz auf diesem Feld als über die Bedeutung, die das Event inzwischen längst für Konzernvertreterinnen und die Politik hat.

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So dürfte der Besuch eher noch mal demonstrieren, dass der Weg zu einem Bewusstseinswandel, was die fundamentale Wichtigkeit von Digitalisierung angeht, weit ist. Denn bislang zeigt diese Bundesregierung dabei herzlich wenig Ehrgeiz.

Das Thema ging an die FDP und verlor Geld

Scholz hat das Thema aus dem Kanzleramt herausgelöst und der FDP in die Hände gegeben. Nicht in Form eines von den Liberalen gewünschten Digitalministeriums mit Weisungsbefugnis, sondern in Gestalt zweier Abteilungen im Verkehrsressort, denen gleich zu Beginn das Budget gekürzt wurde. Von der angekündigten Digitalstrategie ist bislang noch nicht mehr bekannt als eine Lose-Blatt- Sammlung von kleineren und größeren Projekten, die die Ministerien ohnehin auf der To-do-Liste haben.

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Ressortchef Volker Wissing fremdelt noch mit seiner Rolle in dem Komplex. Kürzlich ermahnte er die Bürgerinnen und Bürger, weniger Fotos von ihrem Essen bei Instagram zu teilen, um CO2 zu sparen. Das brachte ihm allerlei Spott ein, meist illustriert mit älteren Bildern von ihm, auf denen er eine Waffel aß. Später räumte Wissing dann noch ein, dass die Energieeffizienz der digitalen Infrastruktur wohl auch in seinem Verantwortungsbereich liege.

Flächendeckende Versorgung mit Breitband wäre schön

Fürs Erste wäre aber auch schon eine flächendeckende Versorgung mit Breitband schön. Doch die wurde gerade auf Ende 2030 verschoben, während ukrainische Geflüchtete sich über die schlechte Internetverbindung in Deutschland wundern – und ihre deutsche Gastgeber über die ukrainische App staunen, in der sowohl staatliche Ausweisdokumente als auch Bildungsnachweise abgelegt werden können.

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In Deutschland wird seit Jahren über sichere digitale Identitäten diskutiert – aber genauso viel über ministerielle Zuständigkeiten, Sicherheitsanforderungen und andere Befindlichkeiten. Dass die Ampelregierung den Willen hat, das Projekt aus der Hintergrundrunde in die Haushalte zu bringen, dafür spricht bislang wenig.

Die Krisendichte ist kein Begründung

Das ist fahrlässig – und mit den vielen anderen Krisen nicht zu begründen. Denn: Ohne Digitalisierung wird die Regierung keine der laufenden und kommenden Krisen lösen können. Von digitalem Unterricht über datengetriebenen Seuchenschutz bis hin zu modernen Stellwerken, die es der Bahn erlauben würden, mehr Züge auf den gleichen Gleisen fahren zu lassen – überall ist Digitalisierung eine Grundbedingung für das Weiterbestehen im 21. Jahrhundert.

Deutschland, eine der führenden Industrienationen der Welt, hat eine digitale Infrastruktur auf dem Niveau eines Schwellenlandes.

schreibt NutzerIn Paul_Kalbautzke

Dass das nicht mitgedacht wird, zeigte sich auch gerade wieder, als die die Bundeswehr 100 Milliarden Euro zusätzlich für Ausstattung bekam – und null davon für Cyberabwehr. Oder davor schon, wenn der Staatskonzern Bahn seine Millionen Mobilitätsdaten mit Google teilt, aber nicht mit deutschen Start-ups.

Wenn Scholz nun bei der Republica auftreten und eine Rede halten will, ist das immerhin eine Geste – bei der bleiben darf es nicht. Die aktuellen Krisen sind zu komplex, zu schwierig und zu ernst, um sie analog in den Griff bekommen zu wollen.

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