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Innenminister Horst Seehofer

© Annegret Hilse/REUTERS

Kampf gegen Rechtsextremismus: Seehofer will BKA und Verfassungsschutz massiv ausbauen

740 Stellen sollen bei den Sicherheitskräften geschafften werden, um verstärkt gegen Rechtsextreme ermitteln zu können. Das plant Innenminister Seehofer.

Von Frank Jansen

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will im Kampf gegen den Rechtsextremismus massiv aufrüsten. Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz sollen nach Informationen des Tagesspiegels insgesamt 740 zusätzliche Stellen erhalten. Das geht aus vertraulichen Papieren der beiden Behörden hervor.

Seehofer reagiert mit seinem Konzept auf die wachsende Gefahr durch rechtsextremen Terror. Am 2. Juni hatte mutmaßlich der Neonazi Stephan Ernst den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschossen, am 22. Juli feuerte ein Rassist im hessischen Wächtersbach auf einen Eritreer und verletzte ihn schwer. Die Sicherheitsbehörden wurden überrascht, obwohl zumindest Stephan Ernst schon lange als gewalttätig bekannt war.

Den größten „Stellenmehrbedarf“ reklamiert das BKA. Es möchte 440 zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Davon sind 75 für einen „personenorientierten Ansatz“ bei Verfahren gegen Rechtsextremisten gedacht. Das BKA will seinen Blick auf einzelne, einschlägig bestrafte und dann länger unauffällige Figuren wie Stephan Ernst weiten. Bislang standen vor allem Gruppierungen im Fokus.

Weitere 115 neue Mitarbeiter sollen sich mit dem Aufspüren rechter Netzwerke befassen. Und noch stärker soll die Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet ausgebaut werden. Hierfür wollen Seehofer und das BKA zusätzlich 250 Stellen einrichten.

Zentralstelle beim BKA ist geplant

Geplant wird auch der Aufbau einer „nationalen Zentralstelle“, mit der das BKA die „Verursacher und Verantwortlichen strafrechtlich relevanter Internetinhalte“ aufspüren will. Denn die Dimension der Hasskriminalität zeigte sich gerade auch im Fall Lübcke. Rassisten hatten den Regierungspräsidenten wegen seines Engagements für Flüchtlinge im Internet attackiert, auch nach dem Mord kochte die Hetze wieder hoch.

Das BKA will zudem die bei islamistischen Terrorverdächtigen angewandte Analysemethode „RADAR iTe“ auf den Bereich Rechtsextremismus übertragen. Mit „RADAR-rechts“ soll das von einzelnen Personen ausgehende Risiko besser als bislang bewertet werden. Aus Sicht des BKA ist auch die „vermehrte Initiierung von umfangreichen Ermittlungsverfahren zur Erhöhung des Verfolgungsdruckes“ notwendig.

Für Seehofer und das BKA ist zudem eine Verschärfung des Strafrechts unverzichtbar. In den sozialen Medien finde sich eine Vielzahl von Sympathiebekundungen für terroristische Vereinigungen „bis hin zur Verherrlichung von Straftaten“, heißt es im Konzept für das BKA. Doch eine Strafe gibt es dafür nicht. Das müsste sich aus Sicht von Seehofer und BKA ändern.

300 Stellen für den Verfassungsschutz

Im Papier zur Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist von „weiteren 300 Planstellen für die direkte und indirekte Bearbeitung des Rechtsextremismus/-terrorismus“ die Rede. Auch das BfV will Einzelpersonen mehr in den Blick nehmen. Die „Identifizierung gewaltorientierter Einzeltäter“ und ihrer Kontakte habe „oberste Priorität“, steht im Konzept.

„Neue Anlaufpunkte, Akteure und Aktionsformen“ müssten frühzeitig erkannt werden. Und offenkundig parallel zum BKA soll auch die Analyse methodisch effektiver werden. Das „Risikomanagement“ soll zu einer „personenbezogenen Gefährlichkeitsklassifizierung und Risikoeinschätzung“ weiterentwickelt werden. Das wäre ein Instrument, das zum „RADAR-rechts“ des BKA passt.

Auch bei Polizei und Bundeswehr soll ermittelt werden

Das BfV soll zudem den Blick auf rechtsextreme Tendenzen bei Polizei und Bundeswehr schärfen. Vorgeschlagen wird die „Einrichtung einer Zentralstelle“ zum Themenfeld „Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst“. Intensiviert werden soll zudem die Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst der Bundeswehr, dem BAMAD, bei der Beobachtung „extremistischer Aktivitäten von Reservisten und Soldaten“.

Und wie das BKA sieht auch das BfV rechtlichen Nachholbedarf. Der Nachrichtendienst will Online-Durchsuchung (Einsatz von Spionagesoftware bei Computern und Handys) und Quellen-TKÜ (Überwachung von Telekommunikation, bevor sie verschlüsselt wird, wie bei Messengerdiensten üblich) sowie eine deutlich längere Speicherfrist für die Daten im „NADIS“, dem Informationssystem des Verbundes der insgesamt 17 Verfassungsschutzbehörden in Deutschland.

Offen bleibt, wie Seehofer mit seinen Pläne in der Bundesregierung ankommt. Die Aufstockung von BKA und BfV um mehr als 700 Mitarbeiter wird teuer, zusätzliche rechtliche Befugnisse für beide Behörden sieht der Koalitionspartner SPD skeptisch. In der Union ist zu hören, „mal sehen, ob Seehofer sich bei Olaf Scholz durchsetzen kann“.

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