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Thema: Armut, Geldnot, Geldmangel, Bonn Deutschland *** Topic Poverty, lack of money, Bonn Germany Copyright: xUtexGrabowsky/photothek.netx

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Viel mehr für viele mehr: Kabinett beschließt Wohngeld-Reform

Wie angekündigt will die Bundesregierung deutlich mehr Haushalte mit Wohngeld bezuschussen. Allerdings sollen die Länder die Hälfte zahlen - und sind nicht einverstanden.

Viel mehr Haushalte als bisher sollen profitieren, und das mit deutlich höheren Summen: Das Kabinett hat am Mittwoch seine Pläne für eine Wohngeldreform beschlossen. Dieses würde von einer Förderung, die sich an sehr einkommensschwache Haushalte richtet, zu einer Entlastung auch für die untere Mittelschicht. Der Bundesrat muss aber noch zustimmen – und die Landesregierungen haben großen Diskussionsbedarf, denn die Länder tragen die Kosten für das Wohngeld zur Hälfte.

Bisher sind rund 600.000 Haushalte in Deutschland berechtigt, Wohngeld zu beziehen, künftig sollen es rund zwei Millionen sein. Die im Schnitt ausgezahlte Summe soll von 180 Euro auf 370 Euro steigen. Dies ist Teil des dritten Entlastungspakets der Ampelkoalition.

Der Bundesrat muss noch zustimmen, und deshalb gibt es Streit

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nennt beispielhaft Zahlen: Ein Rentnerin in Berlin mit einer monatlichen Rente von 1259 Euro brutto und einer Kaltmiete von 500 Euro bekäme monatlich künftig 252 Euro Mietzuschuss – das wären 178 Euro mehr als bisher.

Und wie sieht’s mit der Dämmung aus? Heizkosten sind für viele Haushalte eine immense Belastung.

© Axel Heimken/dpa

Wohngeld kann sowohl beziehen, wer mietet, als auch, wer im Eigenheim lebt. Es soll Haushalte entlasten, die keine Transferleistungen wie beispielsweise Arbeitslosengeld II beziehen, ihre Wohnkosten aber trotzdem nicht alleine stemmen können. Es gibt keine bundesweit gültigen Sätze, sondern die Berechnung folgt nach einem Schlüssel, in den das allgemeine Niveau der Wohnkosten am jeweiligen Wohnort einfließt. Außerdem geht es danach, wie viele Personen in einem Haushalt leben, welches Einkommen sie haben und wie hoch die Wohnkosten sind.

Künftig soll es zudem dauerhaft eine Heizkosten- sowie eine Klimakomponente geben. Da beides erst ab 2023 greift, hat das Kabinett außerdem einen einmaligen Heizkostenzuschuss für alle beschlossen, die zwischen September und Dezember 2022 mindestens in einem Monat Wohngeld beziehen. Auch rund 372.000 Azubis und Studenten sollen darauf Anspruch haben, etwa wenn sie Bafög erhalten. Ein Vier-Personen-Haushalt soll beispielsweise einmalig 740 Euro bekommen, ein Alleinstehender 415 Euro. Die Kosten dafür übernimmt der Bund vollständig.

Für das reformierte Wohngeld braucht die Bundesregierung noch die Zustimmung der Länderkammer. Es ist absehbar, dass das Thema beim Bund-Länder-Gipfel in der kommenden Woche für Konflikte sorgen wird. Die Länder tragen die Kosten des Wohngelds zur Hälfte, haben aber schon zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt sind, die nun geplanten Mehrkosten zu tragen. Für 2023 rechnet das Bauministerium mit mehr als drei Milliarden Euro Zusatzaufwand, die Bund und Länder je zur Hälfte zu tragen hätten.

Die Ämter vor Ort werden voraussichtlich überlastet sein

Geht es nach der Bundesregierung, tritt die Reform zum 1. Januar 2023 in Kraft. Erst dann könnten Menschen, die dann erstmalig wohngeldberechtigt sind, einen Antrag stellen. Ein Problem wird voraussichtlich sein, dass vor Ort in den Kommunen das Personal fehlt, um die zu erwartende hohe Zahl an Anträgen zügig zu bearbeiten.

Die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD).

© picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Eine Sprecherin des Bundesbauministeriums verwies am Mittwoch darauf, es stünde bundesweit ein digitales Verfahren zur Abwicklung zur Verfügung, auf das aber manche Länder noch verzichten würden. Sie sprach sich außerdem dafür aus, zunächst großzügig Abschlagszahlungen auszugeben, bis über die Anträge entschieden wird. Zu befürchten sind in der Praxis aber große Probleme. Auch der Städte- und Gemeindebund hatte jüngst die Befürchtung geäußert, die Wohngeldstellen könnten ab Januar völlig überlastet sein, die Auszahlung könne sich entsprechend verzögern.

Der Deutsche Caritasverband bewertet die vorgeschlagene Ausweitung des Wohngelds als wichtigen Schritt. Eine Sprecherin sagte: „Die Reform aber wird nur dann Wirkung zeigen, wenn es in den Wohngeldstellen genügend Personal gibt und die Antragstellung schlanker wird. Wir begrüßen insbesondere, dass Menschen in Einrichtungen etwa der Altenhilfe berücksichtigt werden. Auch für sie wird es ganz stark darauf ankommen, dass das Wohngeld einfach zu beantragen und praxisgerecht bemessen ist.“

Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO-Bundesverbandes, begrüßt die Reform als folgerichtig angesichts der steigenden Wohn-, Energie- und Lebenshaltungskosten. Allerdings gehöre das Wohngeld zu den Leistungen, die von den potentiell berechtigten Personen häufig nicht in Anspruch genommen würden, weil es zu wenig bekannt sei. Döcker fordert eine Informationskampagne, „damit die Leistung auch bei den berechtigten Haushalten ankommt“.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbands, sagte am Mittwoch: „Wir begrüßen die geplante Ausweitung des Wohngeldes und die Vereinfachung des Verfahrens. Dies kann aber nur ein erster Schritt sein. Leider fehlt nach wie vor der Strom in der Energiepauschale und weiterreichende Maßnahmen, um die Mieten zu begrenzen wie etwa ein Mietpreisdeckel.“

Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, hält die Pläne für unzureichend. Statt zwei Millionen Haushalte sollten aus ihrer Sicht vier Millionen wohngeldberechtigt sein. Auch sei die Leistung noch immer zu niedrig, weil der Staat davon ausgehe, dass die Haushalte 40 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aufbringen könnten. Lay plädiert für eine Grenze von 30 Prozent für die Warmmiete.

Bundesbauministerin Klara Geywitz konnte sich über den Kabinettsbeschluss übrigens nur aus der Ferne freuen: Sie ist, wie am Mittwoch bekannt wurde, coronapositiv.

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