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Zuhören, bitte: die CDU-Generalsekretärin (Mitte) am Dienstag im „Feinberg’s“ im Gespräch mit jüdischen Studenten.

© Laurence Chaperon

Jüdisches Leben in Deutschland: "Juden sind doch nicht Abstraktes"

"Von Schabbat zu Schabbat" lautet der Titel eine Aktionswoche der CDU. Am Dienstag diskutiert Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer mit jüdischen Studenten. Ein Ortstermin.

Zu den Aufgaben einer Generalsekretärin gehört es, die eigene Partei gut und den politischen Gegner schlecht aussehen zu lassen. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU macht da keine Ausnahme. Sie leitet die Abteilung Attacke, teilt also mit Worten aus. Doch am Dienstagnachmittag ist ihre Rolle eine andere.

Kramp-Karrenbauer sitzt auf der Terrasse des Restaurants „Feinberg’s“ in der Schöneberger Fuggerstraße und hört 15 jüdischen Studenten zu. Sie sind eingeladen worden, über ihren Alltag zu berichten. Es wird also mit Juden und nicht über sie geredet. Unwissenheit, Vorbehalte und Vorurteile – darum geht es vor allem.

Und bereits nach kurzer Zeit wird klar: Das Leben der jungen Menschen ist in Deutschland von gesellschaftlicher Normalität ein gutes Stück weit entfernt.

Wer kennt schon einen Juden oder eine Jüdin?

Da ist zum Beispiel Israel. Die jüdischen Studenten mögen ein besonderes Verhältnis zum jüdischen Staat haben und dessen Existenzrecht gegen alle Angriffe vehement verteidigen – für die dortige Politik, für die Konflikte in Nahost wollen sie keinesfalls in Haftung genommen werden. „Weil ich jüdisch bin, werde ich in eine Rolle gepresst und dafür verantwortlich gemacht, was in Israel passiert. Warum?“, fragt eine junge Frau. Die CDU-Generalsekretärin nickt.

Womöglich liegt die ungerechtfertigte Gleichsetzung von Israel und Juden nicht nur an Ressentiments, sondern auch an fehlendem Wissen. Wer kennt schon einen Juden oder eine Jüdin persönlich? Wer weiß, was es für einen gläubigen Studenten heißt, an einem hohen Feiertag eine Klausur schreiben zu müssen?

„Juden sind doch nichts Abstraktes“, sagt Mike Samuel Delberg von der Jüdischen Studierendenunion Deutschland. Auch Kramp-Karrenbauer hält mangelndes Wissen für ein Problem. „Es gibt zu wenige Begegnungen zwischen Juden und Nichtjuden“, sagt sie. „Wir müssen mehr Möglichkeiten für das Kennenlernen schaffen.“ Nun nicken die Studenten.

Von Schabbat zu Schabbat

Dass Annegret Kramp-Karrenbauer gerade jetzt das „Feinberg’s“ besucht, hat gewissermaßen programmatische Gründe. Denn die CDU organisiert gerade eine besondere Aktionswoche. Sie steht unter dem Motto „Von Schabbat zu Schabbat“ und ist eine Reaktion auf die jüngsten antisemitischen Übergriffe.

Mitglieder des Bundesvorstands der Partei sind dieser Tage deutschlandweit unterwegs, um ein Zeichen zu setzen: Jüdisches Leben soll sichtbar gemacht und nicht zuletzt Solidarität bekundet werden. Gedacht ist das Ganze aus Sicht der CDU als ein klares Bekenntnis, dass Antisemitismus auf den entschlossenen Widerstand der Partei trifft. Kramp-Karrenbauer selbst hat erst am Sonntag klar gemacht, wie sie diesen selbstgestellten Auftrag versteht.

Bei der AfD Antisemiten "an allen Ecken und Enden"

In einem Beitrag für die „Bild am Sonntag“ griff sie die AfD frontal an. Bei den Rechtspopulisten gebe es „an allen Ecken und Enden“ Antisemiten. Die Partei bringe die Judenfeindlichkeit in die Parlamente. „Alte Nazis, Neonazis und Rechtspopulisten. Sie sehen den Menschen nicht in seiner Würde als Individuum. Diese Leute sind eine Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland.“

Am Dienstag wiederholt sie in Teilen diese Vorwürfe, betont jedoch auch: „Antisemitismus ist Antisemitismus“ – egal, aus welcher Ecke er kommt.“

Der Inhaber des Feinberg’s, Yorai Feinberg, erlebt Judenfeindlichkeit fast jeden Tag. Besonders krass war es im Dezember 2017. Ein Deutscher beleidigte auf wüste Art und Weise den Restaurant-Inhaber. Auf einem sechs Minuten langen Video ist die Hasstirade dokumentiert. „Es wird schlimmer“, sagt er am Dienstag.

Auch die Studenten treibt der Antisemitismus um. Und sie sind sich einig, dass vor allem in der Bildung und bei der Erziehung Handlungsbedarf besteht. Die CDU-Generalsekretärin sieht das genauso. Dazu gehöre eben zu zeigen, dass es ein jüdisches Leben jenseits des Antisemitismus gibt. Von Schabbat zu Schabbat.

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