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Jean-Claude Juncker Ende September bei einer Rede in Brüssel.

© JOHN THYS/AFP

Update

Johnsons Brexit-Vorschlag: Juncker sieht „positive Fortschritte“ – Kritik aus EU-Parlament

Boris Johnson präsentiert neue Brexit-Vorschläge. Die EU-Kommission will auf dieser Basis verhandeln. „Wir sind nicht dumm“, heißt es dagegen aus dem Parlament.

Die EU-Kommission sieht in den neuen Brexit-Vorschlägen des britischen Premierministers Boris Johnson eine Grundlage für Verhandlungen. Es gebe „positive Fortschritte“, ließ EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach einem Telefonat mit Johnson am Mittwochnachmittag erklären. Allerdings blieben einige „problematische Punkte, die weitere Arbeit in den nächsten Tagen erfordern“. Treffen der Verhandlungsteams beider Seiten seien geplant.

Er habe Johnson bestätigt, dass die Kommission den vorgelegten Vorschlag für einen rechtlich verbindlichen Text unter den bekannten Gesichtspunkten der EU „objektiv prüfen“ werde. „Wir wollen einen Deal“, hieß es weiter. „Wir werden geeint bleiben und rund um die Uhr arbeiten, um dies zu erreichen - so wie wir es seit mehr als drei Jahren tun.“

Johnson hatte vorgeschlagen, die Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland - den sogenannten Backstop - aus dem EU-Austrittsabkommen zu streichen. Als Ersatz schlug er vor, dass im britischen Nordirland vorläufig weiter EU-Standards für Agrarprodukte und andere Waren gelten sollen. Zugleich soll eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem EU-Staat Irland verlaufen. Zollkontrollen sollen aber nicht dort, sondern dezentral vorgenommen werden – über Online-Formulare und Überprüfungen auf Firmengeländen und „an anderen Punkten der Lieferkette“.

Juncker betonte die Verantwortung beider Seiten, ein Wiederaufflammen des blutigen Nordirland-Konflikts zu verhindern. Die „delikate Balance“ des Karfreitagsabkommens, das den Konflikt 1998 beendet hatte, müsse gewahrt bleiben, erklärte der Kommissionschef. Darüber hinaus seien auch „rechtlich umsetzbare Lösungen“ nötig, welche das Erreichen der Ziele der EU wie das Verhindern einer „harten Grenze“ und den „Schutz des EU-Binnenmarktes“ sicherstellten.

Auf erhebliche Zweifel stießen die Vorschläge aus London im Europaparlament. Dessen Brexit-Beauftragter Guy Verhofstadt sieht weiter große Hürden für eine Einigung mit Großbritannien. Die Vorschläge aus London zur Lösung der irischen Grenzfrage reichten nicht, sagte der Liberale am Mittwoch im Verfassungsausschuss. Sie seien bestenfalls „Komponenten einer Lösung“. Die EU könne auf dieser Basis den Backstop nicht fallenlassen.

Verhofstadt: Johnson will nicht nur über den Backstop reden

Die Brexit-Steuerungsgruppe des Parlaments habe Johnsons Plan „absolut nicht positiv“ aufgenommen, teilte Verhofstadt später am Abend mit. Er kündigte eine ausführliche Stellungnahme für Donnerstag an.

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Die Probleme gingen über die Backstop-Frage hinaus, sagte Verhofstadt außerdem. Großbritannien wolle auch die politische Erklärung über die künftigen Beziehungen beider Seiten so ändern, dass es von EU-Standards etwa bei Sozial- und Arbeitsrecht, Umweltschutz oder Besteuerung abweichen könne. Dann aber wäre nur noch ein „schmales Freihandelsabkommen“ möglich, sagte Verhofstadt. Die EU werde nicht die eigenen Unternehmen bestrafen mit einer britischen Konkurrenz, die Standards unterlaufe. „Wir sind nicht dumm“, sagte er.

Ab 8. Oktober neue Parlamentspause in Großbritannien

Boris Johnson kündigte derweil an, das Parlament in London ab Dienstag erneut in eine Pause zu schicken. Johnson wolle die Sitzungen vom 8. Oktober bis zu einer Rede der Queen zum Regierungsprogramm am 14. Oktober aussetzen, teilte Downing Street mit. Eine von Johnson angeordnete fünfwöchige Zwangspause des Parlaments hatte das Oberste Gericht des Landes Ende September für "illegal" erklärt.

Johnson dürfte durch den neuen Versuch nicht wieder mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Ganz ohne Hintergedanken dürfte der Zeitraum aber nicht gewählt sein - beginnt die Pause tatsächlich bereits am Dienstag, entgeht Johnson der Fragestunde am Mittwoch. Angesichts der Kritik, die der Premier derzeit ausgesetzt ist, dürfte ihm das entgegenkommen. (Tsp, dpa, AFP)

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