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ARCHIV - 25.05.2023, Berlin: Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, nimmt an der Sitzung des Bundestags mit der ersten Lesung des Gesetzes zur Steigerung der Energieeffizienz teil. Linksfraktions-Chef Bartsch gibt sein Amt ab. Er werde bei der Vorstandswahl am 4. September nicht erneut kandidieren, erklärte Bartsch am Mittwoch in einem Schreiben an die Fraktion, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Kay Nietfeld

Auflösungserscheinungen bei den Linken: „Der Letzte macht das Licht aus“

Der Zerfallsprozess der Linken beschleunigt sich, Dietmar Bartsch tritt als Fraktionschef ab. Was der Schritt für die Partei bedeutet und wie ein Experte die Lage sieht.

Nun also auch noch Dietmar Bartsch. Der bisherige Co-Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag zieht sich zurück, zur anstehenden Neuwahl des Fraktionsvorstands am 4. September tritt er nicht wieder an. Das verkündete Bartsch am Mittwoch, nur wenige Tage, nachdem auch Amira Mohamed Ali ihren Rückzug von der Fraktionsspitze bekannt gegeben hatte.

Damit beschleunigt sich der Zerfallsprozess von Fraktion und Partei. Bartsch war eines der wenigen bundesweit bekannten Gesichter der Partei, Spitzenkandidat bei der vergangenen Bundestagswahl und seit vielen Jahren in verschiedenen Funktionen im Geschäft.

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Bartsch spricht von einem seit Langem geplanten Schritt

Und er war ein prominenter Politiker aus dem Osten Deutschlands. Auch davon hat die Linkspartei nicht mehr viele im Angebot.

Ich wünsche mir, dass jede und jeder in der Linken begreift, was die Stunde geschlagen hat.

Dietmar Bartsch, scheidender Vorsitzender der Linksfraktion

Bartsch machte am Mittwoch im Gespräch mit dem Tagesspiegel deutlich, in welch dramatischer Lage er seine Partei sieht. „Ich wünsche mir, dass jede und jeder in der Linken begreift, was die Stunde geschlagen hat. Es sind nun alle, auch jene gefordert, die bisher eher mit Kritik als mit konstruktiven Ideen aufgefallen sind.“

Die Entscheidung habe für ihn schon vor der vergangenen Bundestagswahl festgestanden, sagte Bartsch am Mittwoch außerdem. In jüngster Zeit sei er von sehr vielen Menschen bedrängt worden, angesichts der schweren Krise der Linken im Amt zu bleiben. Er habe dem am Ende aber nicht nachgeben wollen, auch wenn das „keine leichte Entscheidung“ gewesen sei.

Damit steht die Fraktion vor der Aufgabe, sich inmitten der schwersten Krise ihrer Geschichte auf eine neue Führung zu einigen – wenn es dazu noch kommt. Seit geraumer Zeit sind die Augen der Öffentlichkeit auf Sahra Wagenknecht gerichtet. Macht sie es oder nicht? Die seit Langem anhaltenden Spekulationen um eine Parteineugründung lähmen die Linke politisch vollständig, auch weil die Fraktion tief gespalten ist.

Er geht: Dietmar Bartsch, bisher Fraktionsvorsitzender der Linken.

© dpa/Michael Kappeler

Mehrere Parlamentarier haben zu erkennen gegeben, dass sie Wagenknecht in eine neue Partei folgen würden. Wenn nur zwei das tatsächlich täten, wäre der Fraktionsstatus bereits verloren. Die Fraktion müsste abgewickelt, die Belegschaft entlassen werden.

Wäre es das politische Ende oder die Chance auf einen Neuanfang als parlamentarische Gruppe, mit weniger Rechten, aber dafür ohne den Wagenknecht-Flügel an Bord? In dieser Frage gehen die Meinungen auseinander.

Für manche wäre die Spaltung ein Neuanfang

Klar ist seit Mittwoch, dass Bartschs Strategie gescheitert ist. Er wollte den Wagenknecht-Flügel machtpolitisch einbinden und so die Fraktion zusammenhalten. Geordnete Arbeit bis zur nächsten Bundestagswahl, Debatten über Inhalte statt über die innere Spaltung: Das war sein Ziel, doch es war nicht zu erreichen. Die Fliehkräfte sind zu groß.

Auch kursieren unterschiedliche Erzählungen zur Frage, warum Bartsch nun geht – und ob dahinter tatsächlich ein von langer Hand gefasster, souveräner Entschluss steckt. So ist zu hören, Bartsch habe schlicht keine positive, stabile Perspektive mehr gesehen. Womöglich hat der Vorstand bald die Aufgabe, die Fraktion zu liquidieren. Es wäre ein unschönes Ende einer langen politischen Laufbahn.

Eine weitere Lesart: Womöglich hätte Bartsch keine Mehrheit mehr sicher gehabt, wenn er zur Wiederwahl angetreten wäre. In den vergangenen Wochen war bereits im Umfeld der Fraktion zu hören, es würden Mehrheiten für eine neue Führung gesucht. Doch zur Probe aufs Exempel wird es nun nicht mehr kommen.

Der Letzte macht das Licht aus. Bartschs Rückzug ist eine epochale Veränderung.

Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler

Vielmehr ist das Auseinanderbrechen der Fraktion mit dem heutigen Tage eher wahrscheinlicher geworden. Die Suche nach einer neuen Führung ist kompliziert.

Dabei hat Bartsch auch versucht, zum Abschied noch Optimismus zu verbreiten. „Viele schwadronieren aktuell wieder über das Ende der Linken“, ließ er sich zitieren. „Sie werden sich ein weiteres Mal irren, wenn die Werte, um die wir in der Gesellschaft kämpfen, wie Menschlichkeit, Solidarität, Herzlichkeit und viel Lächeln wieder unser Handeln bestimmen und wir zugleich aus der Geschichte linker Parteien die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen.“ Damit spielt er darauf an, dass linke Parteien sich oft selbst im Weg standen und eine Zersplitterung ihres Lagers in Kauf nahmen.

Beobachter aber sehen Bartschs Abschied als weiteren Schritt in Richtung des politischen Abgrunds. Für Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder ist das Ende nun so gut wie gekommen. „Der Letzte macht das Licht aus. Bartschs Rückzug ist eine epochale Veränderung. Er stand für Zusammenhalt wie kein anderer“, sagt Schroeder. Eine solche strategische Führungspersönlichkeit könne man nicht so einfach ersetzen. „Das Ende der Linken ist nah.“

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