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Zum Jahrestag des Sultanahmet-Attentats legen Trauernde Blumen an der Stelle nieder, wo mindestens zehn Menschen getötet wurden.

© Ozan Kose / AFP

Jahrestag von IS-Anschlag in Istanbul: Türkei fährt an Terror-Gedenktag Militäraufgebot vor Hagia Sophia auf

Vor fünf Jahren starben zwölf deutsche Touristen bei einem Anschlag in Istanbul. Allein 2020 verhinderten Behörden mehr als 150 versuchte Attentate des IS.

„Ein wenig Angst macht mir das schon“, sagt Valeria. Die junge Frau aus Russland schlendert mit ihrem Freund über das Hippodrom von Istanbul, den Platz der antiken Pferderennbahn im ehemaligen Konstantinopel. Um den Platz herum hat die Polizei Barrikaden errichtet, Besucher müssen sich an Kontrollposten durchsuchen lassen, wenn sie das Hippodrom, die Blaue Moschee nebenan oder die nahe Hagia Sophia besichtigen wollen.

Gepanzerte Fahrzeuge rollen über den Platz, bewaffnete Soldaten und Polizisten stehen Wache hinter Schutzwällen aus schweren Metallplatten. Das Polizeiaufgebot am Hippodrom im Stadtteil Sultanahmet soll eine Katastrophe wie am 12. Januar 2016 verhindern: An diesem Tag tötete ein Selbstmordattentäter des „Islamischen Staates“ hier zwölf deutsche Touristen.

Der 28-jährige Syrer Nabil Fadli hatte sich damals unter eine deutsche Reisegruppe gemischt, die sich an einem Obelisken auf dem Platz um ihre Reiseführerin Sibel Satiroglu scharte. Satiroglu sagte später, sie habe plötzlich ein klickendes Geräusch gehört:

Fadli hatte den Auslöser für seine Bombe gedrückt. „Lauft weg“, rief Sariroglu den Deutschen noch zu, doch für viele kam die Warnung zu spät. Fadlis Anschlag war Teil einer Kette von Gewalttaten der Extremisten auf türkischem Boden.

Wenige Monate zuvor hatte ein anderer IS-Terrorist in Ankara hundert Menschen umgebracht, einige Wochen nach dem Anschlag von Sultanahmet schlug ein IS-Anhänger auf der Istanbuler Einkaufsmeile Istiklal Caddesi zu und tötete fünf Menschen. Im Juni 2016 erschossen mutmaßliche IS-Mitglieder am Istanbuler Flughafen fast 50 Menschen, in der Silvesternacht 2016 starben 39 weitere bei einem IS-Anschlag auf einen Istanbuler Nachtclub.

Seit 2016 konzentriert sich die Türkei mehr auf den IS

Kritiker warfen der Türkei vor, sie habe während der IS-Feldzüge durch Syrien und Irak in den Jahren 2014 und 2015 zu wenig gegen die Bedrohung durch die Extremisten unternommen. Für den IS im Bürgerkriegsland Syrien war die Türkei eine wichtige Nachschubbasis für Kämpfer und Waffen.

Wegen der Gewaltwelle von 2016 konzentrierte sich der türkische Staat, der bis dahin vor allem die kurdische Terrororganisation PKK und deren syrischen Ableger YPG im Visier hatte, mehr auf den IS. Seither wurden laut Innenminister Süleyman Soylu rund 5000 mutmaßliche Dschihadisten in der Türkei festgenommen.

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Allein 2020 verhinderten die Sicherheitsbehörden dem Minister zufolge mehr als 150 Anschläge des IS. Die Zahl mag übertrieben sein, doch die Extremisten haben in der Türkei seit Jahren kein Blutbad mehr anrichten können.

In mehreren großen Gerichtsverfahren verurteilte die türkische Justiz mutmaßliche Mittäter und Mitglieder von IS-Netzwerken zu langen Haftstrafen. Die Urteile gegen mutmaßliche Komplizen des Sultanahmet-Attentäters Fadli ergingen vor drei Jahren. Die Hauptangeklagten erhielten lebenslange Haftstrafen. Erst vor wenigen Wochen fasste die Istanbuler Polizei 15 mutmaßliche IS-Mitglieder.

„Ich mag es nicht, dass man die Waffen sieht.“

Seit die Hagia Sophia im Sommer zur Moschee erklärt wurde, ist das ganze Areal um Hagia Sophia, Blaue Moschee und Hippodrom umzäunt. Seitdem müssen sich alle, die auf das Gelände wollen, an den Polizeiposten kontrollieren lassen. Die Eingangskontrollen an der Hagia Sophia selbst wurden dagegen abgeschafft.

Vor den Gebetszeiten wird es voll an den Kontrollposten um den Platz, doch sonst ist es ruhig, denn Touristen gibt es in Istanbul wegen der Corona-Pandemie derzeit nur wenige. Einer von ihnen ist Mohamed Elhadi, 25, ein irischer Arzt, der im US-Bundesstaat Minnesota einen neuen Job antreten will und wegen der amerikanischen Covid-Einreisesperre für Irland über die Türkei fliegt.

Die Hagia Sofia wurde 2020 zur Moschee erklärt.
Die Hagia Sofia wurde 2020 zur Moschee erklärt.

© imago images/robertharding

Vor dem Weiterflug muss er zehn Tage in Istanbul Station machen und nutzt die Zeit, um sich die Sehenswürdigkeiten der Stadt anzuschauen. Nun steht Elhadi vor dem Schlangen-Obelisken, nur ein paar Meter von Explosionsort entfernt. Das Sicherheitsaufgebot auf dem Platz sei einerseits schon beruhigend, sagt er, aber ganz wohl ist ihm nicht.

„Ich mag es nicht, dass man die Waffen sieht.“ Dadurch spüre man die Bedrohung und Gefahr noch mehr. Möglicherweise wäre ein etwas diskreteres Auftreten der Polizei besser, aber andererseits diene das demonstrative Aufgebot ja auch der Abschreckung von Terroristen. Er hebt die Hände wie Waagschalen auf und ab.

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