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Die Regierung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte im Dezember, die die Kapazitäten zur Wiederaufnahme von Flüchtlingen erschöpft seien.

© REUTERS/Guglielmo Mangiapane

Italien nimmt neun Flüchtlinge zurück: Berlin ruft EU-Kommission um Hilfe

Seit Dezember weigert sich Italien, Flüchtlinge zurückzunehmen. Nach den Worten eines Sprechers des Innenministeriums setzt die Bundesregierung darauf, dass sich das „schnellstmöglich“ ändert.

Im vergangenen Dezember hatte in Rom Regierungschefin Giorgia Meloni verfügt, dass Italien bis auf Weiteres keine Flüchtlinge aus anderen EU-Staaten zurücknimmt, obwohl ihr Staat eigentlich für die Asylverfahren zuständig ist. Als Grund nannte Melonis Regierung unter der Führung der postfaschistischen Partei „Fratelli d’Italia“ seinerzeit eine Überlastung der Aufnahmeeinrichtungen in Italien.

Weil aber immer noch kein Ende dieser Blockade der italienischen Regierung absehbar ist, verlieren die Bundesregierung und Fachpolitiker in Deutschland allmählich die Geduld. Sie fordern die EU-Kommission zum Handeln auf. Die Bundesregierung gehe davon aus, „dass Italien bestehende Hindernisse im Überstellungsverkehr schnellstmöglich behebt“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums dem Tagesspiegel.

Italiens Innenminister Matteo Piantedosi war für die deutsche Ressortchefin Nancy Faeser (SPD) ein entscheidender Verhandlungspartner, als es im Juni darum ging, gemeinsam mit den übrigen 25 EU-Staaten eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems zu beschließen. Allerdings tut sich zwischen Berlin und Rom schon seit längerem ein Konflikt auf, weil Italien derzeit die so genannte Dublin-III-Verordnung nicht umsetzt.

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Personen kehrten in diesem Jahr bislang im Rahmen des Dublin-Verfahrens freiwillig von Deutschland nach Italien zurück

Diese Verordnung legt fest, welche Staaten in der EU jeweils für die Asylverfahren zuständig sind. Im Dublin-Verfahren ist auch vorgesehen, dass unbegleitete Minderjährige in jenem Dublin-Staat betreut werden sollen, in dem sich bereits Familienangehörige aufhalten.

Dublin-Verfahren soll geändert werden

Mit der geplanten Reform des EU-Asylsystems, über die endgültig in Beratungen zwischen EU-Parlament, den Mitgliedstaaten und der Brüsseler Kommission entschieden wird, soll es auch Änderungen am Dublin-Verfahren geben. Die EU-Innenminister hatten sich im Juni darauf geeinigt, dass die Verfahren deutlich beschleunigt und so irreguläre Sekundärmigration – also das unkontrollierte Weiterziehen in andere EU-Staaten – eingedämmt werden soll.

Die Folgen von Melonis Blockadehaltung bei den Abschiebungen nach Italien lassen sich derweil an den Zahlen ablesen. Nach den Angaben des Innenministeriums-Sprechers erfolgten in diesem Jahr bis Juli nicht mehr als neun Dublin-Überstellungen nach Italien. Es handelte sich hierbei laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) um Überstellungen, in denen die betroffenen Personen freiwillig und eigenständig nach Italien reisten. Zuvor hatte die Regierung in Rom angekündigt, Überstellungen unbegleiteter Minderjährige zur Familienzusammenführung weiterhin zuzulassen.

Nach den Worten eines Sprechers von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist die EU-Kommission als „Hüterin der Verträge“ in der Pflicht.
Nach den Worten eines Sprechers von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist die EU-Kommission als „Hüterin der Verträge“ in der Pflicht.

© dpa/Christoph Soeder

Bei der Dublin-III-Verordnung handele es sich „um unmittelbar geltendes EU-Recht, welches durch die Mitgliedstaaten anzuwenden ist“, teilte der Ministeriumssprecher weiter mit. „Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklungen in Italien sorgfältig und steht diesbezüglich mit ihren europäischen Partnern auf unterschiedlichen Ebenen in Kontakt“, fügte er hinzu. Es sei Aufgabe der EU-Kommission als „Hüterin der Verträge, die Einhaltung europäischen Rechts in den Mitgliedstaaten zu prüfen und auf dessen Umsetzung hinzuwirken“.

Deutliche Kritik von der FDP

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem Tagesspiegel, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen solle „ein besonderes Augenmerk darauf haben“, dass Italien die Dublin-Regeln wieder einhält. Er sei optimistisch, dass dies gelinge. Da es sich bei der Dublin-III-Verordnung um unmittelbar geltendes EU-Recht handele, werde Deutschland nach den Worten von Wiese „das Dublin-Verfahren auch mit Italien weiterhin fortführen“.

Es ist ein eklatanter Verstoß gegen das Dublin-System.

Stephan Thomae, Parlamentsgeschäftsführer der FDP-Fraktion

Noch deutlicher fiel die Kritik von FDP-Parlamentsgeschäftsführer Stephan Thomae am Vorgehen der italienischen Regierung aus. „Es ist ein eklatanter Verstoß gegen das Dublin-System, Flüchtlinge einfach nach Deutschland weiterreisen zu lassen und sie dann nicht zurückzunehmen“, sagte er. Notfalls müsse Innenministerin Faeser „mit ihren europäischen Kollegen sicherstellen, dass die Dublin-Regeln eingehalten werden“.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, wies darauf hin, dass in diesem Jahr schon mehr als 175.000 neue Asylbewerber nach Deutschland kamen, „weit mehr als in jedem anderen europäischen Land“. Wer in Deutschland ankomme und Asyl beantrage, habe oft einen „Großteil Europas durchlaufen – viele sichere Staaten also“, kritisierte Throm.

Der CDU-Politiker forderte, dass die Bundesregierung dringend den Druck auf die EU-Kommission und die EU-Staaten erhöhen müsse, „dass sie ihren Pflichten nachkommen und uns die Dublin-Fälle unter den Asylbewerbern wieder abnehmen“. Throm äußerte die Vermutung, dass sich an der Weigerung Italiens bei der Rücknahme von Dublin-Flüchtlingen nichts ändere. „Deshalb wäre es unerlässlich, dass Deutschland wieder verstärkt nationale Maßnahmen wie etwa Grenzkontrollen ergreift“, verlangte er.

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