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Streng. Drei Lockdowns mussten die Schüler ertragen. Foto: Maya Alleruzzo/p. a.

© Maya Alleruzzo,picture alliance

Update

Israel will die Schulen offen halten: „Ansonsten ziehen wir eine Generation von Zombies groß“

Studien zeigen: ohne Präsenz in den Schulen geht es den Kindern schlechter. Israel hat den Biontech-Impfstoff für Kinder ab fünf Jahre freigegeben.

2020 war ein hartes Jahr für israelische Schüler: Über viele Monate und drei strenge Lockdowns, mussten sie sich von zu Hause aus unterrichten lassen. Oft eher schlecht als recht, wie Bildungsexperten berichten. In diesem Jahr jedoch bemüht sich die Regierung, die Schulen geöffnet zu lassen und zeigt sich dabei bisher recht erfolgreich.

Dazu trägt bei, dass die Covid-19-Lage sich hierzulande in kurzer Zeit dramatisch verbessert hat. Erreichte die Zahl der täglichen Neuinfektionen noch im September einen Höchststand von über 11.000, fiel sie zuletzt auf ein paar Hundert. Der positive Trend wirkt sich auch auf die Schulen aus. Die Zahl der mit Corona infizierten Schulkinder hat sich innerhalb von nur zwei Wochen halbiert.

Dabei war die vierte Covid-Welle, die Mitte Juni begann, von Schulen ausgegangen. Mehrere Kinder und Jugendliche hatten sich offenbar zuvor im Ausland mit der Delta-Variante infiziert. Zu jenem Zeitpunkt waren die meisten Minderjährigen noch ungeimpft, weshalb die Variante sich rasch ausbreiten konnte. Sonntag gab Israel Biontech-Impfstoff für Kinder ab fünf Jahre frei.

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Inzwischen jedoch hat über die Hälfte aller Zwölf- bis 15-Jährigen mindestens eine Spritze gegen das Virus erhalten. Unter den 16- bis 19-Jährigen sind drei von vier schon doppelt geimpft, ein Drittel aller Jugendlichen dieser Altersklasse hat sich sogar schon den sogenannten Booster, die dritte Dosis, abgeholt. Demnächst werden wohl noch Kleinere den Ärmel hochkrempeln müssen: Eine von der Regierung eingesetzte Expertenrunde hat schon vor einigen Tagen die Impfung für Kinder ab fünf Jahren empfohlen.

„Quarantäne macht die Kinder fertig“

Israels Ministerpräsident Naftali Bennett, der sein Amt Mitte Juni antrat, hat wiederholt versprochen, einen weiteren Lockdown wenn irgend möglich zu vermeiden. „Ohne Schule verschlechtern sich die Kinder in allen Parametern“, sagte er im September. „Wir müssen kontinuierliches Lernen ermöglichen, ansonsten ziehen wir eine Generation von Zombies groß.“

Auch Experten sprachen drastische Warnungen aus: Der Fernunterricht drohe, die Kluft zwischen schwachen und starken Schülern weiter zu vertiefen. In Israel ist sie ohnehin schon tiefer als in anderen OECD-Ländern.

Um das zu vermeiden, hat die Regierung ein komplexes System entwickelt, mit dessen Hilfe so wenig Schüler wie möglich in Quarantäne geschickt werden sollen. Zu Beginn des neuen Schuljahres Anfang September wurden Covid-Selbsttests an Eltern ungeimpfter Schüler verschickt. Alle Städte wurden je nach Infektionsrate in grüne, gelbe, orangefarbene und rote eingeteilt, um Differenzierung zu erlauben.

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An roten und orangefarbenen Orten etwa gilt ab der 9. Klasse: Wenn weniger als 70 Prozent der Schüler geimpft sind oder einen serologischen Test vorgelegt haben, der Coronavirus-Antikörper im Blut nachweist, muss der Unterricht im Freien oder per Zoom abgehalten werden.

Zudem startete die Regierung ein Programm namens „Grüne Klasse“. Dabei müssen Schüler, die Kontakt mit Corona-Infizierten gehabt haben und in einer Gegend mit niedriger Infektionsrate wohnen, nicht mehr zwangsläufig in Heimquarantäne. Stattdessen können sie weiter zur Schule gehen, sofern sie in der folgenden Woche jeden Morgen ein negatives Covid-Testergebnis vorweisen können.

Zunächst wurde die „Grüne Klasse“ als Pilotprogramm in 247 Schulen eingeführt, vor einigen Wochen hat die Regierung es auf alle Schulen in sogenannten grünen und gelben Städten ausgeweitet. Bildungsministerin Yifat Shasha-Bitton kritisierte, die Entscheidung hätte noch früher fallen sollen: „Die Quarantäne macht die Kinder emotional fertig.“

Schon jetzt haben die langen Lockdowns Spuren hinterlassen. Die israelische Nachrichtenseite Yedioth Ahronoth berichtete kürzlich, dass Lehrkräfte im ganzen Land über eine beispiellose Zunahme von Gewalt, unsozialem Verhalten und Drogenkonsum unter ihren Schülern klagen, offenbar eine Folge der monatelangen Isolation.

Freigabe für Biontech-Impfstoff für Kinder ab fünf Jahre

Der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer darf in Israel nun auch Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren verabreicht werden. Das entschied das Gesundheitsministerium am Sonntag, nachdem sich zuvor bereits ein Beratergremium dafür ausgesprochen hatte. Bislang galt die Impfzulassung nur für Kinder ab zwölf Jahren und Erwachsene. Die zusätzlich benötigten Dosen sollen in den kommenden Tagen nach Israel geliefert werden und einen sofortigen Start der Impfkampagne für kleinere Kinder ermöglichen, wie die Zeitung „Haaretz“ berichtete. Die vom Gesundheitsministerium konsultierten Berater seien praktisch einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass „die Vorteile des Impfstoffs dessen Risiken bei weitem überwiegen“, hieß es. Nur 2 der 75 Fachleute stimmten demnach gegen eine Freigabe des Präparats für Kinder ab fünf Jahren. Das Gremium empfahl zudem mit großer Mehrheit, auch Kinder zu impfen, die bereits eine Corona-Infektion ausgestanden haben.

(mit dpa)

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