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Irans Revolutionsführer Ali Chamenei gibt den Kurs seines Landes vor.

© AFP

Irans Warnungen im Atomstreit: Wie Teheran den Westen zu Zugeständnissen bewegen will

Revolutionsführer Chamenei droht dem Westen – doch der Iran setzt auf eine Einigung im Atomstreit und bereitet sich darauf vor. Eine Analyse.

Nach dem Kompromiss im Streit um die Arbeit der Atominspekteure im Iran hat Revolutionsführer Ali Chamenei den Westen mit einer neuen Drohung aufgeschreckt. Wenn nötig, werde der Iran seine Uranvorräte auf bis zu 60 Prozent anreichern, sagte Chamenei.

Für eine Atombombe ist eine Anreicherung von 90 Prozent nötig – doch nach dem Atomabkommen von 2015 muss der Iran die Anreicherung eigentlich auf unter vier Prozent beschränken. Chameneis Ankündigung dürfte Teil der iranischen Verhandlungstaktik sein.

Denn grundsätzlich ist der Iran an einer Verständigung mit dem Westen interessiert, um die Aufhebung der US-Sanktionen zu erreichen. Teheran bereitet sich schon konkret auf die Zeit nach dem Ende der Strafmaßnahmen vor.

Der Chef der internationalen Atomenergiebehörde IAEO, Rafael Grossi, hatte sich am Wochenende mit Irans Führung darauf geeinigt, dass die Atomkontrolleure im Iran bleiben können, auch wenn sie seit Dienstag keinen ungehinderten Zugang zu den Nuklearanlagen mehr haben. Das iranische Parlament hatte die Befugnisse der UN-Inspekteure zuvor per Gesetz beschnitten.

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US-Präsident Joe Biden ist grundsätzlich bereit, Amerika ins Atomabkommen von 2015 zurück zu führen, nachdem die USA den Vertrag unter seinem Vorgänger Donald Trump verlassen hatten. Biden besteht aber darauf, dass Teheran vor einem Sanktionsabbau alle Regeln des Vertrags wieder einhält. Der Iran prüft derzeit die Einladung der EU zu informellen Gesprächen, an denen auch die USA teilnehmen wollen.

Der Revolutionsführer gehört zu den anti-westlichen Hardlinern

Grossis Kompromiss soll der internationalen Diplomatie die Möglichkeit geben, eine grundsätzliche Verständigung zwischen dem Iran und den USA zu finden. Doch mit seinen Äußerungen zur Urananreicherung zeigte Chamenei, dass der Weg zu einer Einigung schwierig sein dürfte.

Als Reaktion auf Trumps Sanktionen hatte der Iran die Anreicherung auf bis zu 20 Prozent hochgetrieben, rund fünfmal höher als im Atomabkommen erlaubt. Von diesem Niveau aus ist der technische Schritt zur 90-prozentigen Anreicherung für eine Atombombe laut Experten relativ einfach.

Die UN-Kontrolleure haben nur noch beschränkten Zutritt zu Atomanlagen im Iran.
Die UN-Kontrolleure haben nur noch beschränkten Zutritt zu Atomanlagen im Iran.

© Abedin Taherkenareh/EPA/dpa

Chamenei bekräftigte zwar, sein Land wolle keine Nuklearwaffen bauen. Der Iran werde aber auch nicht bei 20 Prozent bleiben und je nach Bedarf bis auf 60 Prozent gehen. Laut der IAEO hat die Islamische Republik ihre Vorräte an angereichertem Uran inzwischen auf fast drei Tonnen aufgestockt. Der Nuklearvertrag sieht eine Obergrenze von 200 Kilogramm vor.

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Der 81-jährige Chamenei, der in allen Staatsangelegenheiten das letzte Wort hat, zählt zu den antiwestlichen Hardlinern, hatte das Atomabkommen aber akzeptiert, weil er sich Vorteile für die heimische Wirtschaft versprach. Auch in anderen Bereichen der Außenpolitik ist Chamenei flexibel. Zuletzt segnete er offenbar indirekte Kontakte mit den USA über einen möglichen Gefangenenaustausch ab.

Teheran hofft auf Einnahmen aus dem Ölexport

Seine jüngste Drohung soll offenbar den Westen zu Zugeständnissen bewegen. Washington reagierte auf Chameneis harsche Worte dennoch gelassen. Denn Beobachter gehen davon aus, dass der Iran grundsätzlich sich mit Amerika einigen will. Teheran ist so sicher, dass die Sanktionen bald aufgehoben werden, dass der Entwurf für den neuen Staatshaushalt auf der Annahme stark wachsender Ölexporte basiert.

Ähnlich wie am Vorabend des Atomdeals von 2015 versuche der Iran, Druck aufzubauen, sagt Ali Fathollah-Nejad, IranExperte an der Freien Universität Berlin. Das solle „die Verhandlungsmasse erhöhen und Alarmismus im Westen auslösen“.

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