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CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer

© AFP/Tobias Schwarz

CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer: „Integration ist keine Einbahnstraße“

CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer über den Umgang mit Migranten und Asylbewerbern, die Kruzifix-Debatte, die Ausrüstung der Bundeswehr und die Streitkultur in Deutschland.

Frau Kramp-Karrenbauer, auf dem Weg in Ihr Büro ist in der CDU-Zentrale kein Kreuz zu sehen, auch hier hängt keins. Ist das ein Statement?

Mein Kreuz liegt da hinten auf dem Schreibtisch. Ich hab' nur den Hausmeister noch nicht erwischt zum Aufhängen. Und im Präsidiumszimmer steht selbstverständlich ein Kreuz, passend zum C.

In Bayern müssen jetzt alle Behörden ein Kreuz aufhängen – nachahmenswert?

Für mich ist es als Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken immer eine Freude, wenn ich ein Kreuz im öffentlichen Bereich sehe. Ich hatte bei den Bayern anfangs Probleme mit der Begründung, wenn es heißt, das Kreuz sei kein religiöses Symbol.

Grenzt ein staatlich verordnetes Kreuz in Amtsstuben Menschen anderer Religionen aus?

Wir haben im Saarland diese Erfahrung nicht gemacht. Wenn sich jemand, etwa im Gerichtssaal, von einem Kreuz gestört fühlte, waren das in der Regel Menschen, die sich selbst als nicht gläubig bezeichneten. In dem Fall muss die Behörde natürlich reagieren und das Kreuz im Zweifel abnehmen. Das entspricht unserem Verständnis der Religionsfreiheit.

Zeigt die Kreuz-Verordnung nicht Identitätsschwäche – man greift hilfsweise zum religiösen Symbol in Ermangelung weltlicher Haltepunkte?

Mir ist bei den Bayern noch nie ein Mangel an selbstbewusster bayerischer Identität aufgefallen. Aber nach meiner Erfahrung löst der Anblick eines Kreuzes – ebenso wie etwa der Anblick der Kirchtürme – selbst bei Menschen, die sich als nicht so religiös bezeichnen, einen Impuls aus, der eng mit Heimat und eigener Herkunft verbunden ist.

Wie soll aber die Integration von Menschen anderer Kulturen und Religionen in diese Art von Heimat gelingen?

Integration ist eine Daueraufgabe und verläuft nicht linear. Jemand in dritter Generation ist nicht automatisch besser integriert als seine Großeltern. Integration ist auch keine Einbahnstraße. Wir als aufnehmende Gesellschaft müssen unsere Erwartungen definieren. Nur muss uns dafür vorher selbst klar sein, was uns wichtig ist. Was ist unsere Hausordnung? Mein Eindruck ist, dass wir auch diese Diskussion nicht offen genug führen.

Drückt sich die Union davor durch das Mantra: „Multikulti ist gescheitert“?

Mancher hierzulande hat das Problem naiv betrachtet nach dem Motto: Wenn alle friedlich nebeneinanderher leben, entsteht von selbst ein Ganzes. Inzwischen wächst die Erkenntnis, dass das nicht stimmt und es etwas Verbindendes braucht. Wir als Union haben uns sicher zu lange schwer damit getan, Deutschland als Einwanderungsland zu sehen. Während wir stritten, haben wir uns nicht genügend um Integration gekümmert.

Die Gefahr besteht fort: Heute streiten Union und SPD über die so genannten Anker-Zentren für Asylbewerber…

Man muss den eigentlichen Zweck dieser Zentren sehen. Ich habe als Innenministerin selbst Abschiebungen von Familien anordnen müssen, die seit zwölf Jahren gut integriert hier lebten. Die Ankerzentren sollen solche Situationen vermeiden. Das A und O muss sein, sehr schnell zu wissen, wer eine Bleibeperspektive hat und wer nicht. Dafür sollten alle am Verfahren beteiligten Behörden an einem Ort sein.

Zeigt der Vorfall in Ellwangen nicht die Gefahr, dass Zentren der Hoffnungslosigkeit entstehen mit allen negativen Folgen?

Fakt ist, dass ein Großteil der Asylbewerber keine Chance auf Anerkennung hat. Wer aber festgestelltermaßen nicht bleiben darf, muss zurückkehren. Es darf sich nicht das Modell durchsetzen: Wenn Du es schaffst, irgendwie zwei, drei Jahre in Deutschland zu bleiben, dann hast Du das Gröbste hinter dir.

Dann lieber massenhaft Menschen über Monate zusammensperren?

Wir haben im Saarland in Lebach seit langem eine zentrale Aufnahmeeinrichtung, die im Grunde genau so ein Ankerzentrum ist. Dort gibt es Beschäftigungsangebote und eine Kita, in die auch die Kinder von Einheimischen gehen. Drumherum ist kein Zaun, die Einrichtung liegt in einem Wohngebiet in einer Kleinstadt. Es kommt sehr darauf an, wie man so etwas macht. Für mich sind die Geschehnisse in Ellwangen eher ein zusätzlicher Anlass, schnell Pilotprojekte zu starten und Dinge auszuprobieren.

In den SPD-geführten Landesregierungen gibt es eine ganze Reihe Vorbehalte. Bremst das die Koalition im Bund aus?

Im Bundesrat ist in der letzten Wahlperiode auch schon vieles gescheitert, auf das sich Union und SPD im Bund mühsam geeinigt hatten. Das ist nichts Neues. Aber der SPD muss klar sein, dass es um eine nationale Aufgabe geht. Für die SPD stellt sich hier eine Führungsfrage. Man kann nicht von schnellen Verfahren reden und dann zulassen, dass das Vereinbarte von eigenen Länder-Verantwortlichen nicht umgesetzt wird. Regierung und Opposition zugleich sein zu wollen, hat noch nie gut funktioniert.

Sie sagen: Nichts Neues. Nur, damals ging die Wahlperiode zu Ende. Jetzt erleben wir Zank von Anfang an – Ankerzentren, Geld für die Bundeswehr, von „Aufrüstungsspiralen“ wird geredet…

Natürlich beziehen wir Position, wenn es um unsere Streitkräfte geht: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Jeder Einsatz wird im Bundestag diskutiert und abgestimmt. Wenn Volksvertreter die Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz schicken, dann ist es das Mindeste, sicherzustellen, dass sie gesund zurückkomme. Mit Hubschraubern, deren Piloten die Lizenz verlieren, weil sie zu wenig Flugstunden haben und mit Eurofightern, die nicht fliegen, scheint mir das schwierig. Wenn sich der Bundestag zu seiner Armee bekennt, muss er sie entsprechend ausstatten.

Profilierung findet ja auch in den Parteien selbst statt. Sie arbeiten an einem neuen Grundsatzprogramm. Ist das nötig, weil etwas versäumt wurde?

Die Schlagzahl, in der sich unsere Welt verändert, ist sehr hoch. Das erfordert häufig ein sehr rasches Reagieren. Was in den letzten Jahren in der Partei als schwierig empfunden wurde, waren allerdings weniger die Entscheidungen selbst als die Tatsache, dass wenig kommuniziert wurde, entlang welcher Leitlinien sie getroffen wurden. Für diese Rückkopplung ist zu wenig Raum geblieben und zu wenig Raum gegeben worden. Man kann heute das Bedürfnis mit Händen greifen, sich der Grundsätze und Prinzipien neu zu versichern.

Konservative Kräfte in der CDU fordern gleich die Rückkehr zu alten Zeiten. Werden Sie diese Kreise, etwa die Werte-Union, in die Debatte einbinden?

Ich bin ja gerade auf Zuhör-Tour. Dabei treffe ich auf Menschen aus allen Strömungen unserer Partei. Die CDU war immer gleichzeitig konservativ, liberal und christlich-sozial. Da gab es zu allen Zeiten ein Ringen. Ich kann mich gut an die erinnern, die wahlweise geklagt haben, dass Norbert Blüm in der Partei zu viel oder zu wenig Einfluss habe. Aber am Ende muss ein Programm ein Kompromiss sein, und jede Seite muss ein demokratisch gefundenes Ergebnis dann auch akzeptieren.

Welche Verbindlichkeit hat das Programm für die handelnde Politik?

Ich glaube, es wird umso verbindlicher, je intensiver es von der ganzen Partei erarbeitet worden ist. Der Prozess ist wichtig, weil nicht irgendwelche Experten etwas aufschreiben, sondern die Partei selbst ihre Grundsätze entwickelt.

Diskutieren statt jammern?

Ja. Heiner Geißler hat immer gesagt: Parteien, die diskutieren, sind die interessantesten. Wir neigen heute dazu, Diskussion zu Zerreissproben zu erheben. Ich will das entdramatisieren. Diskussion und produktiver Streit um die Sache sind das Salz in der Suppe der Demokratie. Da kann die CDU noch ein bisschen Nachwürzen vertragen.

Heiner Geißler hat sich als geschäftsführenden Vorsitzenden gesehen. Beschreibt das auch Ihr Selbstverständnis?

Nein, ich bin die Generalsekretärin. Ich bin aber anders als meine Vorgänger nicht noch zusätzlich Abgeordnete. Ich muss mich um keinen Wahlkreis kümmern und um keine Ausschussarbeit. Ich kann mich voll und ganz der Arbeit für die Partei widmen.

Das Gespräch führten Antje Sirleschtov und Robert Birnbaum.

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