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Nancy Faeser (SPD, r), Bundesinnenministerin.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Innenministerin will gegen Mafia kämpfen: „Deutschland darf kein Hort für Geldwäscher sein“

Bundesinnenministerin Faeser schlägt verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität vor. Doch FDP und Grüne sind aus Datenschutzgründen skeptisch.

Deutschland gilt als Paradies für organisierte Kriminalität. Das ist seit Jahren bekannt, politische Konsequenzen wurden daraus nur wenige gezogen. Das will Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ändern. „Mir geht es darum, kriminelle Strukturen zu zerschlagen und ihnen kriminelle Einnahmen konsequent zu entziehen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Zum Beispiel müssten „Eigentumsstrukturen transparenter“ werden. „Grundstückseigentümer müssen leichter ermittelbar sein“, sagte sie. Bargeldeinkäufe von Schmuck oder Uhren sollten „bald der Vergangenheit“ angehören. Oft werden solche Einkäufe genutzt, um Geld zu waschen.

„Deutschland darf kein Hort für Geldwäscher sein“, sagte Faeser. Sie fordert die „Einführung einer allgemeinen Bargeldobergrenze von deutlich unter 10.000 Euro“.

Plädoyer für eine Fortsetzung der harten Gangart

Damit geht sie über den Koalitionsvertrag hinaus, der keine Bargeldobergrenze vorsieht. Das tat sie auch vor einigen Tagen. Bei einem Ministertreffen von sechs EU-Staaten gegen organisierte Kriminalität im belgischen Antwerpen sagte sie, „verschlüsselte kriminelle Kommunikation“ abhören zu können, sei von „entscheidender Bedeutung“.

Der Druck auf die organisierte Kriminalität ist in Deutschland heute so hoch wie noch nie.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)

„Der Druck auf die organisierte Kriminalität ist in Deutschland heute so hoch wie noch nie. Das Bundeskriminalamt hat riesige Datenmengen aus verschlüsselter Kommunikation von Kriminellen ausgewertet“, sagte sie dem Tagesspiegel. Über 1900 Haftbefehle seien vollstreckt worden, zudem seien „mehr als 500 Schusswaffen und mehr als 9,5 Tonnen Rauschgift sichergestellt“ worden. „Das zeigt, dass wir erfolgreich gegen die organisierte Kriminalität vorgehen. Aber es zeigt auch, dass wir diese harte Gangart fortsetzen müssen“, sagte sie.

Im Jahr 2019 wurde der Kommunikationsanbieter EncroChat in Frankreich infiltriert, im Jahr 2021 der Anbieter Sky-ECC. Beide Hersteller warben mit abhörsicheren Handys, die vor allem von Kriminellen genutzt wurden. Europaweit führte die Entschlüsselung der Daten laut dem Nachrichtensender NDR zur Verhinderung mehrerer Auftragsmorde.

Konstantin Kuhle blickt skeptisch auf die Abhör-Pläne der Ministerin

© Uwe Anspach/AFP

Doch die „harte Gangart“ ist mit den Koalitionspartnern Grüne und FDP nicht so einfach. Beide sind Bürgerrechts-Parteien, für die der Datenschutz eine besonders wichtige Rolle spielt. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle sagte dem Tagesspiegel: „Die Sorge vor organisierter Kriminalität darf aber nicht dazu dienen, in eine Massenüberwachung der Bürgerinnen und Bürger einzutreten.“

Im Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen habe man sich darauf geeinigt, ein „Recht auf Verschlüsselung anzuerkennen“.

Ein wenig offener zeigten sich die Grünen. Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte dem Tagesspiegel, „pauschale, massenhafte und anlasslose Eingriffe“ seien „offensichtlich verfassungswidrig“. „Trotzdem wissen wir natürlich um die schwierigen Fälle. Und deswegen sind wir offen für rechtsstaatliche Lösungen, die eben nicht pauschal und anlasslos in die Privatsphäre von Bürgern oder die Pressefreiheit eingreifen“, sagte er.

Deutschland ist wichtiger Umschlagplatz für Kokain

Anfang Mai wurden europaweit bei einer Razzia gegen die italienische ‘Ndrangheta-Mafia 150 Menschen festgenommen, in Deutschland wurden 30 Haftbefehle vollstreckt. Die ‘Ndrangheta wird manchmal als „mächtigste Mafia der Welt“ bezeichnet. Sie kontrolliert den Großteil des Kokainschmuggels nach Europa und ist weltweit aktiv.

Die Soziologin Zora Hauser hat sich in ihrer Doktorarbeit mit der ‘Ndrangheta in Deutschland beschäftigt. Es könne „entscheidend sein“, verschlüsselte Kommunikation, wie sie von EncroChat oder Sky-ECC angeboten wurde, abzuhören.

„Ich verstehe datenschutzrechtliche Bedenken, natürlich muss geprüft werden, in welchen Fällen diese invasive Maßnahme notwendig ist, aber das ist ein wichtiges Instrument, um diese Strukturen aufzudecken“, sagte sie.

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