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Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und Heimat.

© Michael Kappeler/dpa

Innenministerin auf Abruf? : Nancy Faesers Herz für Hessen schafft Scholz Probleme

Die Bundesinnenministerin wird voraussichtlich SPD-Spitzenkandidatin in Hessen. Deshalb ist eine Debatte darüber entbrannt, wer Faeser wann ersetzen könnte.

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Nicht mehr lange, dann soll Klarheit über Nancy Faesers politische Zukunft herrschen. In zwei Monaten, am 3. Februar, will ihr SPD-Landesverband auf einem „Hessen-Gipfel“ offiziell verkünden, wer im Herbst darauf die Sozialdemokraten in die Landtagswahl führen soll.

Mitte oder Ende Januar, so heißt es bei den hessischen Genossen, sollen die Gremien einen Beschluss fassen. Schon jetzt mehren sich die Anzeichen, dass die Bundesinnenministerin sich stärker ihrem Amt als Landesvorsitzende verpflichtet fühlt und antreten könnte – was Kanzler Olaf Scholz und sein Kabinett ausgerechnet rund um den ersten Geburtstag der Koalition zusätzlich in Verlegenheit bringt.

Schon im Frühling hatte Christine Lambrecht, ihre Kollegin aus dem Verteidigungsressort, prophezeit, Faeser werde die „erste Ministerpräsidentin“ ihres Heimatbundeslandes werden. Faeser sah sich genötigt, öffentlich zu erklären, sie wolle ihr jetziges Amt nicht aufgeben. Die neuerliche Personaldebatte hat jetzt Parteichefin Saskia Esken ausgelöst.

Die hessischen Genossen rechnen fest mit ihr

Oder war es gar schon eine Bewerbung um die Nachfolge? „Das ist auf jeden Fall eine spannende Aufgabe“, antwortete SPD-Chefin Saskia Esken diese Woche im Tagesspiegel-Newsletter „Background Digitalisierung und Künstliche Intelligenz“ auf die Frage, ob sie eigentlich gern Innenministerin wäre.

Kurz zuvor waren neue Fakten bekannt geworden, die eine Kandidatur der prominentesten hessischen Sozialdemokratin noch wahrscheinlicher machen. Der Vorstand der Hessen-SPD hat gerade ein Wahlkampfkonzept verabschiedet, in dem innere Sicherheit die zentrale Rolle spielt. „Das ist auf Nancy Faeser als Innenministerin zugeschnitten“, sagte ein Sozialdemokrat der „FAZ“. In Faesers Landesverband wird fest damit gerechnet, dass sie antritt, wie dem Tagesspiegel bestätigt wurde.

Auch in der CDU von Ministerpräsident Boris Rhein, die eine Kandidatur Faesers „sehr ernst“ nähme, sehen sie „spätestens seit dem Bild mit Faeser vor der Skisprungschanze Indizien dafür, dass sie antritt“. Im November hatte die Ministerin selbst vor Ort verkündet, dass der Wintersport-Bundesstützpunkt in Willingen unter Regie des hessischen Skiverbands erhalten bleibt. „Mein Herz ist in Hessen“, hatte Faeser im Mai gesagt

Der Konkurrenz bietet die Hängepartie Munition. Faeser müsse, stichelt etwa Thorsten Frei (CDU), „den Eindruck aus der Welt schaffen, dass sie von ihrer Partei eigens auf die Bundesebene gehoben wurde, um für den hessischen Wahlkampf eine bessere Startposition zu haben“. Die aktuellen Krisen, so der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, verlangen ihre „volle und uneingeschränkte Aufmerksamkeit“.

Die Herausforderungen der Innenpolitik und die Sicherheit unseres Landes verlangen die volle Aufmerksamkeit der Ministerin.

Thorsten Frei, CDU-Politiker

Nun müssen sich SPD-Spitze und Kanzleramt der Frage stellen, ob sich Faeser angemessen etwa den vielen Ukraine-Flüchtlingen widmen kann, wenn sie bis zur Wahl oder im Fall einer Niederlage gar darüber hinaus im Amt bliebe. Scholz, der Faeser schätzt, kann sich das wohl vorstellen – er strebte aus dem Finanzressort heraus ins Kanzleramt.

Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Bundestags und ehemalige Innenpolitikerin, gilt schon als denkbare Nachfolgerin.

© IMAGO/Chris Emil Janßen

Aus der Bundestagsfraktion ist dagegen zu hören, die Regierung dürfe nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, weshalb zur Bekanntgabe einer Kandidatur Faesers auch Klarheit in Kabinettsfragen gehöre – mit dem sofortigen Rücktritt der Ministerin oder einem festen, möglichst frühen Zeitpunkt dafür.

Norbert Röttgen als abschreckendes Beispiel

Das unglückliche Agieren von Norbert Röttgen ist noch weithin präsent. Der damalige Bundesumweltminister wollte als CDU-Spitzenkandidat für die NRW-Wahl 2012 nicht garantieren, auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf zu kommen. Seine Glaubwürdigkeit litt. Röttgen verlor die Wahl, danach nahm ihm Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch das Ministeramt.

Das abschreckende Beispiel bedeutet aber nicht, dass Faeser unbedingt anders handeln würde. In den Umfragen für Hessen liegt ein Machtwechsel noch in weiter Ferne, und mancher Sozialdemokrat glaubt auch, dass die „schwarzen Grünen“ kein Interesse an einem neuen Koalitionspartner haben.

Für den Fall eines Amtsverzichts galt in Berlin lange ein Revirement im Kabinett als wahrscheinlich: Die im Wehrressort nach dem Urteil vieler glücklos agierende Juristin Lambrecht könnte dann ins Innenministerium wechseln, die wiederum durch die Militärexpertin und Wehrbeauftragten Eva Högl (ebenfalls SPD) ersetzt werden könnte. So hieß es lange, doch schloss Lambrecht erst diese Woche im Gespräch mit der „FAZ“ „absolut“ aus, dass sie das Innenressort führen werde.

Damit könnte sich wieder die Frage nach einer Nachfolgerin für Faeser im Innenministerium stellen. Ihr niedersächsischer Fachkollege Boris Pistorius gilt als fähig, ihm werden aber als Mann wegen der Quotierung wenig Chancen eingeräumt.

Eher als Esken habe dann wohl die Juristin und frühere Innenpolitikerin Högl die Möglichkeit, Faeser nachzufolgen, heißt es in der SPD. Doch über verlässliche Informationen verfügen auch Bundestagsabgeordnete nicht. Über die Personalpläne von Scholz und SPD-Spitze sagt einer von ihnen: „Die spielen das sehr eng an der Brust.“

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